Sie schloss die Tür hinter sich, fiel auf den Boden und versuchte nicht mehr, die Tränen aufzuhalten, auch wenn sie die Wunde reizten.
Sie konnte nicht glauben, dass sie versagt hatte. Sie wollte nicht glauben, dass es zu Ende war, es konnte einfach nicht zu Ende sein. Die ganze Vorbereitung umsonst... Der Stolz schmerzte mehr als die Wunde. Da kam wieder in ihrem Kopf der Gedanke, was Lyra und Kadegar in der Situation gemacht hätten. Hätten sie den Ritual unterbrochen?...
Es war egal. Sie hatte vor einem Monat eine unabhängige Evaluation aufgefordert und wurde zu dieser Prüfung angewiesen. Sie hatte sie nicht geschafft. Was jetzt passieren sollte, wusste sie nicht, nur eins war ihr klar: es durfte nicht zu Ende sein. Schließlich lief ein Dämon frei durch den Wald.
"Jetzt Ruhe aufbewahren", dachte sie sich. Egal von dem Prüfungsergebnis, sie sollte ihre Arbeit tun und den Dämon fangen. Die Magier, die in der Lage waren, in zu verbannen, waren beschäftigt bei der Prüfung von Cornelius, der andere Prüfling, der einen Meistertitel anstrebte, und die Krieger konnten gegen die Kreatur nicht viel tun. Sie entgegen war für so was ausgebildet, lebte davon und verstand mindestens von ihrer Arbeit. Sie war effizient genug um das beruflich machen zu können, und anscheinend nicht so schlecht, wenn sie bisher überlebt hatte.
Analyse hätte gefehlt, meinten die Magier aus der Kommission. Sie atmete ein paar Mal tief durch um sich den Kopf zu befreien, aber die Tränen auf der rechten Seite des Gesichts traute sie nicht zu wischen. Sie sollte analysieren, wo ihre Fehler waren. Etwas mit dem Ritual hätte nicht gestimmt, meinte die Komission, aber Drakonia hatte alles so gemacht, wie es ihr unterrichtet worden war, und wie sie es als Schülerin schon selbst getan hatte oder andere beobachtet hatte, als sie das getan hatten. Sie schloss nicht aus, dass es möglich war - vielleicht hatte der Wind irgendwelche Bereiche im Kreis einfach weggewischt und sie hatte das übersehen; vielleicht hatten ihre Zauber mit etwas interagiert, aber sie hatte den Ort auch gereinigt... Hauptsache, es hatte nicht geklappt. Sie musste etwas anderes unternehmen... Was sie scheinbar auch falsch gemacht hatte, war die Einschätzung vom Dämon. Sie dachte, es sei ein besessenes Kind, hatte sich aber festgestelt, es sei tatsächlich ein Dämon mit einem eigenen Körper, der die Gestalt eines Kindes genommen hatte und sie auf dieser Weise getäuscht hatte. Ein Kind war es auf jeden Fall, es war schließlich nicht so stark, dass es Massenzertörung verursachen könnte, aber es war schlau und schnell genug und auf jeden Fall gefährlich.
Wie sollte sie gegen den Dämon vorgehen... In Rabenfels hatte sie die Nekromantin, die gerade durch ihren Portal verschunden war, zurückgezogen und sie dann bekämpft, aber dieses Wesen befand sich auf dieser Ebene und eine Beschwörung würde nicht helfen, sondern einen anderen Dämon rufen. Sie sollte ihn also verlocken... Aber wie? Sie konnte es nur dann exorzieren, wenn es in einem Schutzkreis reingeschlossen war.
"Wie, zum Teufel?... Wie bring ich das Ding ins Kreis rein?..." Anscheinend gab es eine Möglichkeit, um das zu machen, und genau das wollte sie nicht tun, weil es gegen ihre Prinzipien ging. Obwohl...
Dass ein neuer Kreis nötig wäre, war ihr bewusst. Sie überlegte sich eine Weile die Struktur. Dieses Mal war es etwas einfacheres und Drakonia versicherte sich, dass sie dieses Mal den Dämon nicht lassen würde, die Kraft von ihrem Ritual zu ziehen. Es würde andersum sein. Aber sie würde dieses Mal erstmals den Kreis ziehen, den Dämon reinschieben und verschließen und erst dann ihre Absichte bekannt geben.
Plötzlich tauchte das Gespräch mit dem Weibel der Waldtempler in ihrem Kopf auf. "Erinnert Euch an den Anfang", hatte er gesagt. Wie hatte das ganze angefangen?... Vor einem Jahr in Tangara, bei diesem Magiertreffen, wurde sie exorziert und hatte sich dann entschieden, selbst Dämonen zu jagen. So war es dazu gekommen, dass sie sich einen Ausbildungsplatz ausgesucht hatte. Und dann war sie zu der Schattenwall gegangen und hatte gelernt, nach dem Runensystem von denen zu zaubern...
Moment mal. Sie bewegte sich schnell zu ihrem Bett, öffnete ihre Kiste, die unter dem Bett stand, und fing an, etwas zu suchen. Ah, hier war es, ein kleines Buch aus Leder, das Kadegar ihr gegeben hatte im Austausch zu ihrem Magierbuch aus der alten Akademie. Sie schlug die Seiten auf und fand in wenigen Sekunden das, was sie brauchte. Die Sigile der Schattenwall mit den Runen. Sie nahm ein leeres Blatt Papier, einen Stift, und fing an, so schnell wie möglich Matritzen zu zeichnen und die Runen drin einzuordnen. Ihr eigenes Runensystem hatte nicht funktioniert, aber das würde.Es nahm ihr etwa eine halbe Stunde, um alles zu planen, aber nach den ersten Minuten erinnerte sie sich besser an die Arbeitsweise dieses Systems, die Runen fühlten sich wieder wie alten Freunde, die bereit waren, ihr in diesem Ritual zu helfen. Ihre Schrift wurde schneller und sicherer, die Matritzen waren endlich ausgeglichen und sie fing an, den Kreis zu planen. Schutzkreis vor Physischem, Schutzkreis vor magieschem, die alles von draußen nach drinne ließen, aber nichts von drinne nach draußen. Der Dämon sollte nur reintreten und würde nicht mehr aus der Falle raustreten können. Ein Dreieck, wessen Spitzen die Energie und die Kraft des Dämons aufsaugten und in sich sammelten. Eine Schiefe Linie, die die Kreise und den Dreieck überquerte und die Energie von den Spitzen nach draußen fließen ließ, damit sie die Struktur nicht überladete. Und an den zwei Enden der Linie sollten zwei Leere Kristalle stehen, in denen die Energie reinfließen würde, statt in die Erde geleitet zu werden.
Drakonia überprüfte das ganze noch mal, dann schob sie die Ausarbeitung in eine ihrer Gürteltaschen, nahm das Schwert, das sie in die Ecke geworfen hatte, zog ihre ledernen Handschuhen an und befestifte den Stab an ihren Rücken. Die Trännen waren weg und die Spuren waren getrocknet. Die verbrannte Seite ihres Gesichtes tat furchtbar weh, aber die Aufregung unterdrückte die Schmerzen.
"Ich weigere mich, aufzugeben. Der Kampf ist nicht vorbei. Nicht, während ich noch lebe."
Sie ging aus dem Zimmer. Um rauszugehen, musste sie durch die Tavensa gehen, wo Arkatosh und der Rest der Kommission sein würden, aber das interessierte sie eher wenig. Glücklicherweise erkannten die Leute schon an ihre Miene, dass sie ihr am liebsten aus dem Weg gehen müssten, und sie tan es. Sie fühlte die verdutzte Blicke von den Leuten auf sich, aber sie schenkte keinem Aufmerksamkeit.
Nur, als eine Frau vor der Tür sie fragte "Drakonia, wo geht ihr hin?", antwortete sie klar und deutlich "Jagen", ohne die Frau anzuschauen, ging nach draußen und verschwand in den Wald.
Dieses Mal nahm sie einen bequemeren Platz für ihren Ritual. Sie analysierte den Ort, reinigte ihn, dann fing sie an, die Kreise zu ziehen. Sie achtete explizit darauf, dass sie perfekt rund wurden. Es war eine Ehrensache. Sie würde nicht in einem kartoffelformigen Kreis ritualisieren. Danach malte sie den Dreieck und die Linie, legte die leeren Kristallen auf den beiden Enden der Linie, schaute sich das ganze noch mal an in der astralen Ebene, um sicherzustellen, dass die Struktur keine Löcher hatte, und aktivierte einen Teil von dem ganzen, dann wirkte ein Kampfschutz auf sich. Mit der Hofnung, dass kein Kanninchen in die Falle laufen würde, rannte sie weiter in den Wald.
Der Dämon war nicht weg. Sie war kaum dreihundert Schritte gelaufen, als sie seine hissende Stimme hörte. Sie näherte sich an das Wesen. Es fasste sie mit einer Energiehand an, als sie es fast gefangen hatte, aber dank des Kampfschutzes tat das weniger weh als der mentale Dolch im Gesicht. Sie schimpfte. Die Jagd zog sich länger, für ihr Glück in Rictung des Ritualsplatzes. Sie durfte noch zwei Schläge oder Geschoße annehmen, dann wäre der Kampfschutz kaputt, aber sie brauchte nämlich eins für das, was sie vorhatte, also der Dämon durfte sie nur noch einmal anfassen. Ein Energiebolzen erreichte sie und sie wusste, es war Zeit, mit dem Plan anzufangen.
"Würdest du bitte hören, was ich von dir will?" fragte sie das Wesen.
Es stand auf einmall still.
"Kämpfen bringt uns nichts. Einer von uns - und das wenn wir Glück haben, ansonsten wir beide - wird sterben und keiner hat was gewonnen. Ich kann dir etwas besseres anbieten. Komm schon, wir stehen gerade da, wo sich die zwei Pfade kreuzen. Dämonen paktieren auf Kreuzungen, erzählt man."
"Und wasss kanssst du mir anbieten?" fragte die Gestalt.
Drakonia lachte kurz und trocken.
"Nun, ich habe gemerkt, mit Dämonenjagd komme ich nicht weit. Ich habe mir gedacht... Warum nicht mal die andere Seite? Einmal war ich besessen, so schlecht war es nicht mal. Was sagst du? Mein Körper ist eine gute Tarnung, würde ich sagen. Kann dir gehören, wenn du ihn annimmst."
"Und wasss kriege ich dafür?"
"Alles, was mit dem Körper kommt. Physische Stärke, Magiefähigkeit, Kontakte, Beziehungen, Zugang zu verschiedenen Anstallten der Magie... Mein Mann und seine Forschungen..."
"Und wenn du versssuchssst, den Pakt zzzzu brechen?"
Sie lächelte sanft und freundlich.
"Warum sollte ich? Es bringt mir mehr Vorteile, als du glauben kannst. Aber wenn du möchtest, schließen wir den Pakt mit Blut. Komm mal, ich kenne den perfekten Ort dafür."
"Bring mich zzzu jenem Ort... Und wenn du versssuchssst, mich zu belügen..."
Man konnte merken, dass der Dämon tatsächlich ein Kind war. Es folgte ihr die paar hunderte Schritten zum Ritualkreis, stand da aber plötzlich still und fragte mit Verdacht:
"Warum isssst da eine Truhe?"
Drakonia merkte, dass sie die Truhe, in der sie die Kristalle gebracht hatte, neben dem Kreis vergessen hatte. Schon ein Fehler, aber schlimmer wäre es, wenn sie das in ihrer Haltung reflektieren lassen würde, deshalb behielt sie ihre verlockend freundliche Miene - was mit dem verbranntem Gesicht schon eine Quall war - und antwortete:
"Oh, in der habe ich diese Steine hier gehabt. Möchtest du sie haben? Hier, bitte schon. Nun komm mal, wir sollen ein paar Tropfen Blut vergießen, damit wir den Pakt schließen können. Sie werden den Ritualkreis aktivieren und dann kannst du meinen Körper schon im Besitz nehmen. Möchtest du, dass ich das Blut vergieße?"
"Mach dassss." sagte der Dämon.
Drakonia nahm ihn in die Hand und sie traten neben dem Kreis. Sie zog einen Dunklelfenwurfdolch, ballte die Hand vom Dämon und schnitt die Händen von den beiden. Der letzte Kampfschutz erfüllte seine Aufgabe und auf ihrer Hand erschien keine Wunde... Aber auf der Hand des Dämons schon. Es tropfte auf die Spitze des Dreiecks, was den restlichen Teil des Kreises aktivierte, dann grinste Drakonia gruselig, wobei dem Dämon klar wurde, dass er einen Fehler begangen hatte, und schob ihn in den Kreis.
"Kindchen, ich habe Firas belogen, dass ich nie die weggelaufene Nekromantin in Rabenfels zurück ziehen werde, um sie zu töten... Und du glaubst, ich würde keinen Dämon belügen können? Ein Hinweis... Du hättest wissen sollen, dass man einen Dämonenpakt auf einer Kreuzung schließt, und das ohne Mehlkreise. Jetzt blebe hier, bis ich meine Prüfungskommission hole."
Sie musste jetzt schnell handeln - sie hatte noch weniger als eine Viertelstunde, bis der Ritualkreis von selbst zerfallen würde. Sie ging schnellstmöglich zurück zur Tavensa, öfftene die Tür mit aller Kraft, wobei alle Blicke sich auf sie richteten, und ging direkt zum Tisch, wo ihre Prüfer saßen und sich unterhielten. Sie schaute der Aventurischen Magier direkt in den Augen und sagte mit einer Stimme, die klar machte, dass sie keine Proteste dulden würde:
"Ihr vier kommt jetzt mit mir.
Der Magier wollte ihr wahrscheinlich sagen, dass ihre Prüfung schon vorbei war, dass sie durchgefallen hatte und dass sie diese nicht jetzt wiederholen durfte, aber die eisigen Flammen in ihren grauen Augen, die neben der verbrannten Haut ihres Gesichtes grausam und gnadlos brannten, zwangen ihn wortlos aufzustehen und zusammen mit den drei anderen Prüfungskomiteemitgliedern der Elfe hinterherzugehen.
Sie brachte die vier zu dem Kreis, wo der wütende Dämon immer noch stand - sie war unbeschreiblich erleichtert zu sehen, dass des Wesen immer noch drin war, sie zeigte das aber nicht und behielt ihren eisigen Blick.
"Was soll das sein?..."
"Meine Klausurnachholung. Dieses Mal habe ich mich abgesichert, dass das Viech nicht rauskommt."
"Scolaria, Ihr scheint nicht verstanden zu haben, dass die Prüfung zu Ende ist. Ihr habt beim ersten Versuch versagt, einen zweiten wird nicht abgelegt. Wenn Ihr mich entschuldigt, ich würde mich zurü..."
Drakonia schaute ihn wieder in die Augen und sagte mit emotionsloser Miene:
"Ihr bleibt hier und benotet das Ritual. Und Ihr scheint nicht gehört zu haben, als ich euch in den letzten zwei Tagen mehrmals gesagt habe, dass ich Dämonenjägerin bin, keine Hermetikerin. Bei mir ist die Jagd erst dann am Ende, wenn die Beute besiegt ist. Manchmal zieht sich die Jagd jahrelang in die Zeit. Aber keine Sorge, das hier dauert nicht länger als zehn Minuten."
Mehr Zeit hatte sie nicht, aber das sagte sie nicht. Der Druide kam nähen und schaute sich den Kreis durch den astralen Blick.
"Ach ja... Wenn jemand versucht, die Schutzkreise runterzunehmen, ist er für seine Verletzungen selbst schuld."
Dann fing sie an, den Exorzismus noch mal zu ritualisieren. Sie konnte fühlen, dass ihre Kraft in den letzten Monaten ziemlich gewachsen war. Früher hätte sie so was nicht machen können, jetzt hatte sie aber genug Kraft für den Exorzismus und vielleicht noch ein paar kleine Zauber. Sie ging davon aus, dass etwas tatsächlich schiefgehen würde, hatte aber dafür ihre Waffen bei sich und hatte ihr Schwert mit dem geweihtem Wasser vom Paladin gegossen.
Ihre Zauberweise war, im Gegenstaz zu ihren Jagdmethoden, sehr präzis, da sie mit Eis arbeitete. Das hieß aber längst nicht, dass sie keine Emotionen reinließ. Die Eisfläche war zerbrochen und der ganze Ozean von Grausamkeit, Gnadlosigkeit, Gleichgültigkeit, Wut, Zorn, Hass floß in den Zauber. Sie hatte gelernt, wie sie ihre Emotionen trotzdem noch benutzen konnte, ohne dass diese störten, sonder Hilfe leisteten. Sie hatte sie noch nicht völlig unter Kontrolle, aber auf dem Weg dahin war sie schon. Und dieses Mal sollte es der richtige Weg sein.
Der Leid vom Dämon war auch für die Prüfer viel zu gruselig um beizusehen. Sie blieben trotzdem. Der Körper vom Dämon, geschwächt vom Dreieck im Ritual, schmolz in furchtbaren Schmerzen wie Wachs und das einzige, was auf dem Boden blieb, war Asche. Wenige Sekunden danach war die Zeit vorbei und die Magie im Kreis brach zusammen. Drakonia nahm mit ihren Handshuhen die Kristalle vom Boden und drückte sie in die Hand von Arkatosh - der einzige von den vier Prüfern, der Handshuhe trug.
"Ihr habt gemeint ich sei stur - so ist es. Sonst wäre ich längst nicht mehr am Leben. Aber ich kämpfe solange, bis die Götter auf mich zusehen und sagen "Hab es nach deinem Kopf!"."