Der Rottmeister fand Nesrine recht bald beim Falkner und dessen Schutzbefohlenen. Auch Julienne war da. Die drei diskutierten gerade den Einsatz der Bell bei verschiedenen Greifvögeln und Eulen. Bei ihnen lag einer der vielen Jagdhunde, der - im Gegensatz zu den Menschen - den Rottmeister sofort bemerkte und kurz Laut gab.
Drei Köpfe wandten sich zeitgleich um und nach kurzer Verwirrung malte sich helle Freude auf Nesrines Gesicht.
"Papá!"
Der Rottmeister trat zur Seite und Nesrines Vater kam seiner Tochter entgegen.
Lächelnd fielen sie einander in die Arme. Dann machten sie einen Schritt zurück und musterten den jeweils anderen. Nesrine bemerkte ein paar neue Lachfalten im Gesicht ihres Vaters. Dessen Ausdruck war von Stolz geprägt, als er an seiner Tochter Hut das Goldbach'sche Ahornblatt entdeckte.
"Da bist du also! Und wie isch se'ö, 'at man disch 'ier tatsäschlisch aufgenommön!"
"Oui, Papá. Isch wurdö in die Gardö aufgenommön."
Ihr Blick fiel auf den langen, in Stoff gewickelten Gegenstand, den der ältere Mann vor der Umarmung rasch zur Seite gestellt hatte.
"Was machst du 'ier, Papá? Und was ist DAS?", wollte sie wissen.
Renoir schüttelte amüsiert den Kopf.
"Meinö Tochtär! Neugierisch wie e' und je!"
Nesrine grinste, ließ aber nicht locker.
"Und, was ist es jetzt?"
Der Mann jedoch ignorierte sie plötzlich, als er Julienne gewahrte, die sich im Hintergrund gehalten hatte.
"Julienne, pardon! Isch vergessö meine Manierön!"
Er reichte zunächst der Gardistin die Hand ("Es ist schön zu se'ön, dass es dir bessär ge't!"), dann stellte er sich dem Falkner vor.
"Bonjour, isch bin Renoir, der Vater dieses großgewachsenen Etwas.", meinte er augenzwinkernd mit einem Kopfnicken zu Nesrine.
Der ohnehin wortkarge Falkner brummelte seinen eigenen Namen, nahm die dargebotene Hand, nickte und zog sich dann zu seinen Vögeln zurück.
Dies nutzte Nesrine zu einem weiteren hibbeligen Vorstoß.
"Komm schon Papá! Was 'ast du da?"
Schließlich, nachdem er sich noch eine Weile mit Julienne unterhalten hatte (die das Spiel trotz der vernichtenden Blicke Nesrines mitspielte), brachte er genug Gnade auf und wandte sich dem seltsamen Gegenstand zu. Renoir nahm ihn zur Hand und hielt ihn Nesrine hin.
"'ier, du Nervensäge. Där ist für disch!"
Mit großen Augen und flinken Fingern packte Nesrine einen hölzernen Stab aus, der ihr die Sprache verschlug. Es war ein Bogen!
Ein erstickter Quietscher entrang sich Nesrines Kehle, während sie ihrem Vater um den Hals fiel.
Der blickte über ihre Schulter zu Julienne und zwinkerte. Die Gardistin grinste zurück, während Nesrine einen ganzen Schwall Dankesworte los wurde.
Plötzlich lugte ein kleiner, blonder Kopf um die Ecke.
Fleurs Tochter Amelíe war von Nesrines Stimme angelockt worden.
Rasch begriff das Mädchen die Lage.
"Oh! Du hast ja einen Bogen! Der ist ja größer als ich!"
Plötzlich leuchteten die Augen der Kleinen auf.
"Das muss ich dem Weibel erzählen!", rief's und rannte auch schon los.
Sie flitzte zur Schreibstube und klopfte aufgeregt gegen die Türe.
Nesrine, Julienne, Renoir und der Rottmeister kamen lächelnd und kopfschüttelnd in gemessenerem Tempo hinterher.