Die Gebiete in Caldrien > Das Herzogtum Hanekamp
In Hanekamper Grenzgebiet
Vanion:
Das Dorf lag friedlich da in der doch noch recht kühlen Nachmittagssonne. Eine niedrige Holzpalisade umschloss die strohgedeckten Häuser, und im Zentrum, gleich an der Straße gelegen, die mitten durch das Dorf führte, gab es einen kleinen Weiher. Das Wasser glitzerte in der Sonne, und die grünen, platten Blätter einiger Seerosen dümpelten vor sich hin.
Direkt an diesem Weiher stand ein kleiner Gasthof, der Zimmer für zwei, drei Reisende und einen Stall für ihre Pferde bot, und aus dem Obergeschoss dieses Hauses schielte mit gelangweilter Miene und fettigem Schnurrbart ein dicklicher Mann herab auf den kleinen Platz unter seinem Fenster. Dort hatte sich das ganze Dorf versammelt. Man hatte die Flöten und die Trommeln hervorgeholt, und sogar eine Geige, wenn auch eine schiefe, hatte sich gefunden, und die alte Isidora hatte ihre Laute in den Armen (mit der sie angeblich ihren Ehemann erschlagen hatte, aber das waren bestimmt nur Gerüchte).
Eine Hochzeit war immer ein Ereignis, für jede Dorfgemeinschaft, auf der ganzen Welt. Und die von Alberich und Magdalena war sogar ganz besonders, war die gute Magdalena doch die Tochter des angesehen Dorfvorstehers und der Alberich der Sohn des alteingesessenen Schmieds.
"Da kommt sie, da kommt sie!"
Helle Kinderstimmen kündigten die Braut an. Sie trug ein buntes, farbenfrohes Kleid. Der Stoff leuchtete in der Sonne und wurde nur vom überglücklichen Lächeln Magdalenas überstrahlt. "Dafür hat sie ein Vermögen gezahlt!" - "Quatsch, die alte Isidora hat ihr das umsonst genäht, sie hat sie doch so lieb, sagt sie immer!" - "Nein, eine Hexe hat ihr das geschenkt, bevor sie auf dem Scheiterhaufen brannte, und nun ist sie verflucht!" Die letzte Bemerkung erntete einiges an Aufmerksamkeit, und man machte unwillige Handbewegungen. "Schweig still, bevor du so einen Unsinn verbreitest, sonst landest du selber noch auf dem Holz!"
Und einige ängstliche Blicke wanderten in Richtung des hohen Fensters, wo eben noch der Schurrbart zu sehen gewesen war.
Der Mann, zu dem der Schnurrbart gehörte, hatte sich von dem Spektakel längst abgewandt. Mit dem Rücken zu dem Fenster, durch das die Sonne hereinfiel, saß er nun mit gekrümmtem Rücken vor einem dunklen Holztisch, darauf ein dicker, lederner Beutel und einige Pergamente. Umständlich nestelte er an dem Lederband herum, das den Beutel verschlossen hielt, dann griff er hinein. Es klimperte, als er die Münzen auf dem Tisch verteilte. Sorgfältig schichtete er sie auf, und endlich tunkte er die Feder in die Tinte und ließ sie über das Papier huschen.
Waldesruh - 25 Kupfermünzen.
Köhlerheim - 30 Kupfermünzen.
Bergerhau - ...
Alles in allem war er zufrieden mit seiner Ausbeute. Von dem immer wieder aufbrandenden Applaus, Gesang und Gelächter von der Hochzeitszeremonie vor seinem Fenster ließ er sich nicht stören. Der Herzog hätte nicht vermutet, dass das Volk hier so viele Münzen zuviel hat. Eine gewisser Stolz erfüllte ihn. Ein hungerndes Kind? Pah, Ausrede der Eltern, den Zehnt nicht abzuführen. Schlechte Ernte? Ihr Götter, dass Bauern aber auch immer dieselben Ausflüchte anbrachten. Die Kuh beim Kalben verreckt? Nun, er konnte nicht auf jede Unfähigkeit Rücksicht nehmen.
Mit einem selbstzufriedenen Grinsen lehnte der Steuereintreiber sich zurück in seinem Stuhl. Grade wollte er sich ein wenig Tagträumerei über die Gaben gönnen, mit denen der Herzog ihn zweifelsohne bald belohnen würde, da klopfte es laut an seine Türe.
"Herr, verzeiht die Störung, doch das solltet Ihr Euch ansehen!"
Vanion:
"Du bist dir sicher?"
Angst schwang in der Stimme des Mannes mit. Dass Voranenburg und Hanekamp einander befehdeten, das hatte der Steuereintreiber gewusst. Dass dieser vermaledeite Graf es wagen würde, seine Truppen tatsächlich Hanekamper Grenzen verletzen zu lassen, damit hatte er nicht gerechnet. Zumindest nicht so bald.
"Ja, Herr. Sie halten sich keine Tagesreise von hier entfernt auf. Ihr solltet eure Reise unverzüglich abbrechen und euch nach Ahrnburg zurück ziehen."
Unwirsch winkte der Schnurrbart ab. "Ich habe noch nicht genug eingetrieben!" Sein zorniger Blick fiel auf den gut gefüllten Lederbeutel. Davon würde er noch einen brauchen, vielleicht einen zweiten, wenn er wirklich Eindruck schinden wollte. Aber er war nicht dumm. Besser, er brachte nur ein Drittel ein, als gar kein Drittel. Er schluckte seinen Ärger hinunter.
"Der Wirt soll die Pferde bereit machen."
Keine Stunde dauerte es, bis alles gepackt und seine wenigen Männer sich gesammelt hatten. Der Wirt hatte mit der Hochzeitsgesellschaft, die mittlerweile in seinen Speisesaal Einzug gehalten hatte, alle Hände voll zu tun, und so dauerte es eine viel zu lang erscheinende Weile, bis alle Modalitäten geklärt und die Zimmer bezahlt waren. Dem fetten Gasthofbesitzer war die Eile seiner Gäste nicht entgangen, und verlangte schlau ein wenig mehr, als er es sonst tun würde, und tatsächlich drückte der Schnurrbart ihm ohne Diskussion die Münzen in die Hand. Mit einem breiten Grinsen brachte er die Gesellschaft zur Türe, und da sein guter Stallbursche grade in der Küche half, zurrte er kurzerhand selbst das Gepäck des Herrn auf dessen Sattel.
"Also dann, habt noch eine gute Reise!"
Grade wollte der Wirt sich verabschieden, da fiel sein Blick auf den kleinen Hügel im Westen des Dorfes, über den die Straße in Richtung Ahrnburg lief. Dort, gegen die schon tief stehende Sonne schwer zu erkennen, saßen zwei Reiter auf ihren Pferden. "He, nun hilf mir schon, Kerl!" Das Grummeln des Schnurrbarts lenkte ihn ab, und rasch half er dem Hanekamper Eintreiber auf's Pferd, indem er ihm den Steigbügel ruhig hielt. Er hatte sich noch keinen Meter von dem Pferd entfernt, als der Schnurrbart und mit ihm seine vier Begleiter ihre Pferde antrieben und in Richtung der Sonne ritten, gradewegs auf den Hügel zu, auf dem er grade noch die Reiter gesehen hatte. Er blinzelte, da die Sonne ihn blendete, und hob die Hand, um die Augen zu beschirmen, aber da war die Hügelkuppe schon wieder leer.
Svenja:
Svenja ließ ihren Kopf langsam von rechts nach links knacken und grinste dann breit ihrem Ritter zu. Kurz sah sie an sich hinunter, blickte über ihre Ledergewandung und das Wappen ihrer Göttin: "Ricke, nicht Baronin - und Jagd, nicht Krieg, richtig? Ich rieche... Braten! Köstlichster Braten!"
Ohne sich abzusprechen, wendeten die beiden Reiter ihre Pferde in den Schatten hinter der Hügelkuppe und schienen mit ihren Pferden gemeinsam die Ohren zu spitzen. Svenjas zotteliges Pony tänzelte noch etwas unsicher auf der Stelle, aber die Nedrapriesterin konnte sich seiner Loyalität gänzlich sicher sein. Er besaß helles Fell mit einem Silberschimmer im Winter und Goldschimmer im Sommer, hatte dunkle Mähne, Schweif und Beine und war insgesamt von gedrungener Gestalt. Jetzt schien das eine dunkel geränderte Ohr ihrem Atem zu lauschen, während das Andere jede Bewegung hinter der Hügelkuppe wahrzunehmen schien.
Ohne Hast fischte sie sich einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn auf die gespannte Sehne ihres Bogens. Dann ruhten ihre Augen vom Jagdfieber ergriffen auf jeder von Vanions Bewegungen.
Vanion:
Vanions Plan war denkbar einfach. Ihr Trupp war dem des Steuereintreibers zahlenmäßig überlegen. Sie hatten die Überraschung auf ihrer Seite und sie waren besser bewaffnet. Was sollte also schiefgehen? Sie mussten nur noch warten, bis die fünf Reiter aus dem Dorf die Straße, die über den Hügel verlief, empor kamen, sie umzingeln und sie zur Herausgabe des Geldes zwingen. Ein Kampf würde schnell und hart sein, aber die Gardisten waren angewiesen, nicht zu töten.
Der Hanekamper hat auch nicht getötet, auch wenn das nur Gorix' Magie zuzuschreiben ist.
Der konzentrierte Blick des Ritters fiel auf Svenja.
"Wahrlich, Nedra meint es gut mit uns", sagte er. "Halte dich bereit, aber wenn einer flieht, schieß auf's Pferd und nicht auf den Reiter." Der missbilligende Blick, den er darauf erntete, sprach Bände, aber beide wussten, dass grade ein schlechter Moment für ein solches Gespräch war. Vanion hob den Helm vom Sattelknauf und setzte ihn auf seinen Schädel. Keine Sekunde zu früh, denn in diesem Moment erschienen die anderen Reiter auf der Hügelkuppe.
Vanion gab sofort den Befehl zum Angriff. Die Gardisten hatten sich gut positioniert. An drei Seiten trieben sie ihre Pferde den Hügel empor, nahmen die Reiter in die Zange. Ein siegessicheres Lächeln stahl sich auf Vanions Gesicht - und verschwand urplötzlich, als die fünf Reiter in enger Formation ihre Pferde herumrissen, zwei der Gardisten hügelab von den Pferderücken schleuderten und in einem schlanken Bogen wieder zurück auf das Dorf zuhielten.
Mit einem wütenden Ruf gab Vanion seinem Pferd die Sporen, und eine wilde Jagd auf das Dorf zu begann.
Destus Jägersson:
"Ach scheiße" entfuhr es Destus, als er die fünf Reiter wenden sah und diese durch die Gardisten brachen. Er war in einer der kleineren Gardistengruppen mitgeritten, welche seitlich den Hügel hoch geritten waren. Sofort zog er den Bogen hervor und befestigte den Speer an seinem Sattel anschließend legte ein Pfeil auf, nach kurzer Zeit folgte der Schuss.
"Daneben...", fluchte Destus leiste murmelt über sich selber.
Dann begann auch er sein Pferd anzutreiben und hinter Vanion her zu reiten genau auf das Dorf zu.
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