Die Gebiete in Caldrien > Das Caldrische Imperium

Ein Kender auf Burg Goldbach (Sommer 268 n.J.)

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Anders:
Das Leben auf Burg Goldbach gestaltete sich vollkommen anders, als alles was die junge Kenderin bisher auf ihren Reisen so erlebt hatte. Natürlich war ihr klar gewesen, dass es nicht so sein konnte wie in ihrem Wald und bestimmt nochmal anders als auf dem Rittergut La Follye, aber wie genau das ganze auf einer Burg ablief hatte sie nicht gewusst. Irgendwie bestimmt.

Sie hatte ein wenig Zeit gebraucht um sich anzupassen, Menschen und Abläufe zu beobachten und sich einige Gepflogenheiten einzuprägen. Aber mittlerweile hatte sie für sich einen Platz in diesem großen Bienenkorb gefunden mit dem sie die Burg gerne verglich.
Morgens wurde sie meistens von den Kindern geweckt. Judith schlief mit zwei anderen Kindern in ihrem Alter und einer Kinderfrau in einem Raum und auch Anders hatte dort ein Bett bekommen. Es wurde mit allen zusammen gefrühstückt, es sei denn die Kinder waren spät drann oder nicht so gut drauf und dann zerstreute sich alles in die vier Himmelsrichtungen. Die Kinder gingen nach dem Frühstück meistens zur Baronin und diese schien wie ausgewechselt wenn sie sich mit ihnen umgab. Es war dieser Wechsel der sich irgendwann einstellte dem Anders erstmal regelrecht scheu begegnete.
Sie hatte nicht gewusst das die Baronin so sein konnte.
Sie hatte noch nicht einmal darüber nachgedacht.
Allerdings dauerte es nicht lange und verfiel wieder in ihre offene, ehrliche und herzliche Art.
Allgemein hatte sie vieles überrascht.
Das Essen, die Leute  und die Umgebung.
Sie arbeiteten hart tagsüber und abends saßen alle in der Halle. Es wurde gelacht, gesungen, Geschichten erzählt. Das schien überall so zu sein. Wenn die Sonne unterging versammelte sich alles um das Feuer und saß auch noch dort wenn die Kinder längst im Bett waren. Bei einem dieser abendlichen Gespräche überhörte Anders wie viel im Moment zu tun war was sie promt dazu veranlasste am nächsten Tag ihre Hilfe anzubieten.
Sie lernte schnell, war geschickt im Fallen stellen und jagen und würde sonst überall anpacken wo Hilfe zu brauchen war.
Natürlich stand man ihr anfangs skeptisch gegenüber, aber das war immer so. Daran war sie mittlerweile gewöhnt. Aber schon nach kurzer Zeit merkte sie wie die Leute ihr gegenüber aufgeschlossener wurden. Anscheinend merkte man, dass sie sich Mühe gab und war zufrieden.
Abends lud man sie häufiger in die Runden ein und fragte sie nach einer ihrer zahllosen Geschichten oder Lieder die sie gerne zum Besten gab.
 
Mit Judith verbrachte sie so viel Zeit wie ihr möglich. Es dauert ein wenig bis das kleine Mädchen sich mit ihr anfreundete aber irgendwann hatten sie und die anderen zwei sich an sie gewöhnt. Geduldig beantwortete sie alle Fragen die die Kinder ihr stellten und brachte sie immer wieder mit lustigen Geschichten zum Kichern. Natürlich erzählte sie auch von Lorainne. Sie erfand kleine Spiele, flocht Kränze aus Blumen, Zweigen und Bändern und wenn sie einmal draußen unterwegs waren fing sie Grashüpfer oder holte vorsichtig Schmetterlinge aus der Luft um sie den Kindern zu zeigen ehe sie die Tiere wieder frei ließ. Sie versuchte sich sogar am Basteln einer Puppe und holte sich Abends Ratschläge dafür von den Mägden.

Trotz allem wartete sie. Auf eine Nachricht oder einen Brief und natürlich auf Lorainne. Ihre Gedanken kreisten oft um La Follye und die Dinge die dort geschahen, um die Menschen die dort lebten und um Fulk.
Und so verging die Zeit.

Lilac:
Eines der Kinder war die Tochter der Wäschemagd Fleur - die kleine Amelíe.
Amelíe war inzwischen 7 und sah ihrem 8. Geburtstag entgegen. Das hieß auch, dass sie nicht nur Zeit mit den anderen, kleineren Kindern verbrachte, sondern dass sie erste Aufgaben und Verpflichtungen hatte.
Zum einen waren da die Lernstunden, in denen sie Lesen, Schreiben und Rechnen lernte. Zum anderen die täglichen Dinge, die sie zu tun hatte - mal war es das Hüten der Gänse, mal half sie ihrer Mutter mit der Wäsche, an anderen Tagen erledigte sie kleinere Aufgaben und Botengänge für Madame oder andere Mitglieder des Hofes.
Amelíe war ein wissbegieriges Mädchen mit einer raschen Auffassungsgabe und einem erstaunlichen Gedächtnis.
Besonders Abends wuselte sie gerne um Anders herum, hörte ihr zu und kuschelte sich an sie.
Man merkte dem Kind eine gewisse Schwermütigkeit an. Offenbar bedrückte es sie, häufig auf ihre Mutter verzichten zu müssen, die fast stets bei der Baronin anzutreffen war.

Eines Abends saß Amelíe wieder einmal neben Anders und bat um eine Geschichte.
"Duhuu, Anders? Wieso heißt dein tolles Pferd eigentlich Springer?"

Anders:
Ein Lächeln huschte über das Gesicht der Kenderin während sie das Mädchen ansah. Sie mochte Amelié und nahm sich immer gerne Zeit für sie wenn sie ankam und etwas von ihr wollte. Egal ob es sich dabei um eine Geschichte handelte oder eine Flechtfrisur, die Kenderin war gerne dabei.
"Warum Springer Springer heißt?", fragte sie und beugte sich geheimnisvoll vor. "Oh das ist eine einfache Geschichte. Weißt du... vor einigen Jahren konnte ich nicht wirklich reiten. Die meiste Zeit war ich nämlich zu Fuß unterwegs. Viele Jahre bin ich umhergewandert, habe fremde Länder und Menschen getroffen bis ich hier ankam. Und dort bin ich dann ausgerechnet in La Follye gelandet. Nachdem wir Lorainne vor einem Bund böser Hexen gerettet hatten beschloss diese, dass wir ab jetzt schneller unterwegs sein müssten. Das hieß für mich... ich musste Reiten lernen. Aber dafür brauchte ich natürlich erstmal ein Pferd. Wir waren also auf der Suche nach einem Pferd und dabei kamen wir irgendwann in dieses kleine Dorf. Damals hab ich reiten auf einem anderen Pferd geübt, weil Springer war gar nicht mein erstes Pferd. Naja. Da ist dann dieser Bauer und der möchte einen jungen Hengst verkaufen weil der zu verspielt für die Landarbeit ist. Er ist am herumtänzeln, versucht Äpfel zu steheln wenn keiner guckt und lässt sich schlecht einfangen wenn er einmal ausgebüchst ist. Irgendwie mochte ich das und wir haben ihn uns angeguckt. Springer war damals auf einer kleinen Koppel und irgend etwas schien ihn furchtbar gefruet zu haben denn er machte Luftsprünge. Wie ein Kanninchen hüpfte er über die Wiese und wieherte. Lorainne hat ihn dann für ein paar dieser Münzen gekauft und ihn mir geschenkt weil ich ihn sofort ins Herz geschlossen hab. Er war ein kleiner Wildfang, aber wir haben uns schnell aneinander gewöhnt. Und weil er immer noch fröhlich ist und weil er das erste Mal das ich ihn gesehen hab so gehopst ist, hab ich ihn Springer genannt. So kam das."
Anders kicherte bei dem Gedanken an die Erinnerung. Springer war mit der Zeit ein bisschen ruhiger geworden, aber auch heute hatte er immer noch seine verrückten fünf Minuten und dafür liebte sie ihn.

Lilac:
Amelíe strahlte über das ganze Gesicht.
"Das ist eine schöne Geschichte!"
Stolz fügte sie hinzu: "Ich kann auch schon ein bisschen reiten! Nesrine lässt mich manchmal auf Jacques reiten. Der ist ein ganz Lieber! Und ich kann schon da lang reiten, wo Nesrine sagt, dass ich hinsoll. Und Kreise. Die heißen Volten."

Anders:
"Das ist ja toll.", lobte die Kenderin und wuschelte dem kleinen Mädchen durch die Haare. "Wenn du weiter schön übst wirst du bestimmt eine großartige Reiterin wenn du groß bist. Wusstest du das es Menschen gibt die allerlei Kunststücke auf dem Pferderücken machen können? Die können sogar im stehen reiten und sogar dabei einen Bogen abschießen. Oder sie reiten ohne Sattel und können dabei Dinge vom Boden aufheben. Man hat den Eindruck sie sind mit dem Pferd verwachsen und nichts kann sie abschüttel."
Sie grinste das kleine Mädchen an. " Das sind ganz wilde Leute, aber auch sehr lustig."

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