Die Gebiete in Caldrien > Das Caldrische Imperium

Ein Kender auf Burg Goldbach (Sommer 268 n.J.)

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Lilac:
Amelíe sah Anders mit großen Augen an.
Sie dachte immer, dass die Chevaliers, Knappen und Boten die besten Reiter waren. Oh, und Madame natürlich.
Stundenlang hätte das Mädchen zuschauen können, wie die Leute mit ihren Rössern trainierten und zu prunkvollen Ausritten aufbrachen. Sie kannte so ziemlich jedes Reittier in den Stallungen mit Namen und wusste, bei welchen es in Ordnung war, einen Apfelkitsch zu füttern und bei welchen sie sich in Acht nehmen sollte.
Da waren einige Schlachtrösser und Zelter, denen sie nicht zu Nahe kommen durfte und natürlich Hexe, das Pferd von der Gardistin Julienne. Andererseits gab es natürlich auch den braven Jacques.

"Meine Mamá mag es nicht, wenn ich reite. Sie sagt, dass das Zeitverschwendung für ein Mädchen meiner Herkunft ist. Aber ich mache es trotzdem gerne!"
Bei dem letzten Satz grinste sie und zeigte einen Mund voller großer, neuer Zähne, die noch nicht recht zu dem kleinen Kindergesicht passen wollten.

Anders:
Ameliés letzte Aussage stimmte die Kenderin sichtlich nachdenklich. Was sollte sie ihr dazu sagen? Normalerweise hätte sie sie gelobt und ermutigt weiter so zu machen, aber jetzt hatte Amelié die Herkunft mit ins Spiel gebracht und darüber dachte Anders normalerweise nicht nach wenn sie Kinder dazu überredet Grenzen auszutesten. Herkunft... "Ich weiß nicht. Vielleicht hat deine Mama recht wenn sie sagt das du das Reiten später nicht brauchen wirst wenn du groß bist... Aber weißt du...", nachdenklich wiegte sie den Kopf ehe sie schließlich eine Entscheidung traf. "Es gab einmal ein kleines Mädchen. Das war ein bisschen älter als du aber es war dir gar nicht so unähnlich. Es war neugierig und fröhlich und hatte viele Freunde, denn es wohnte mit ganze vielen anderen in einem großen Hort. Der Hort war zwar keine Burg wie die hier, aber dennoch genau so groß wenn nicht sogar größer. Sie hatte eine Mutter und einen Vater und sehr viele Onkel, Tanten und sogar Großeltern. Außerdem hatte sie 6 Geschwister und war dabei weder die älteste noch die jüngste. Es gab bestimmte Dinge die die Erwachsenen wollten das das Mädchen lernte. Dazu gehörte z. B. Schnell laufen, sich gut verstecken oder verkleiden können und sich sehr viel gut merken können. Natürlich noch viel mehr, von dem die Erwachsenen dachten, dass das Mädchen es bestimmt brauchen würde wenn es groß war." Anders rutschte etwas und machte Amelié neben sich auf der Bank Platz." Aber eines Tages kam der Tag als das Mädchen feststellte, das ihre ganze große Familie unter einem schrecklichen Unrecht litt. Sie hatten sich daran gewöhnt und ihr alle bei gebracht um mit diesem Unrecht zu leben, aber nichts davon war geeignet um dieses Unrecht zu besiegen. Also musste das Mädchen eines Tages eine schwere Entscheidung treffen. Sollte es bei seiner Familie bleiben und weiter unter diesem Problem leben ohne es bessern zu können oder sollte sie ganz alleine fort gehen um vielleicht etwas neues zu lernen das helfen könnte?
Weißt du, ich bin sicher deine Mama meint es nicht böse wenn sie sagt, dass es Zeitverschwendung für dich ist reiten zu lernen, aber vielleicht wirst du es irgendwann einmal brauchen um ein Problem zu lösen oder dir selbst zu helfen.
Nimm zum Beispiel einmal mich. Ich bin ganz anders als du. Ich kann auch ganz andere Dinge, aber das sind alles Fertigkeiten die ich über lange Zeit gelernt habe. Für mich ist das überlebenswichtig weil nicht alle immer freundlich zu mir waren. Wenn ich an einen fremden Ort komme muss ich möglichst schnell lernen was ich können und wissen muss damit man freundlich zu mir ist. Andererseits musste ich auch lernen was ich tun kann wenn man trotzdem nicht nett zu mir ist. Ich glaube nicht das irgendwann eine Zeit kommt wo du so viel Wissen musst wie ich. Du hast hier ein großes Zuhause und Leute die dich beschützen und auf dich aufpassen. Deshalb brauchst du eigentlich nicht so viel Wissen wie ich könnten andere sagen. " Anders schaute Amelié an um zu sehen ob das Mädchen ihr noch folgen konnte." Aber ich sehe das anders. Ich denke es ist immer gut wenn man etwas mehr weiß und kann als man eigentlich braucht. So kann man auch wenn mal keiner da ist den man fragen kann einen Weg finden. Ich denke es ist gut wenn du etwas hast, dass die Spaß macht und wenn du Fragen stellst."
Nachdenklich tippte sie an ihr Kinn." Irgendwann wird es schwieriger werden, weil je älter du wirst um so mehr werden andere wollen das du etwas bestimmtes bist. Aber wenn du aufgeweckt und klug an die Sache rann gehst wirst du auch dann einen Weg finden Fragen zu stellen ohne das dir irgendwer böse sein kann."

Lilac:
Das Mädchen blickte die Kenderin ernst an. Sie hatte gut zugehört, aber teilweise waren die Erklärungen von Anders ein bisschen zu abstrakt gewesen.

Es ratterte in dem kleinen, goldbehaarten Kopf und schließlich sagte Amelíe:
"Ich glaube, es ist gut, viel zu lernen. Ich übe Lesen und Schreiben und Rechnen. Und auch, wenn meine Mamá oft sagt, dass das ein unnötiger Luxus ist, weiß ich, dass sie eigentlich stolz auf mich ist. Sie hat mir eine Tasche geschenkt, wo alle Sachen, die ich zum Lernen brauche, drin sind, weißt du?!"

Das Kind seufzte.

"Ich würde so gerne öfters reiten, aber Nesrine hat nicht so viel Zeit. Sie muss ganz viel aufpassen auf der Mauer und rumreiten und gucken, dass alles friedlich bleibt..."

Anders:
Anders lächelte breit. Hoffentlich würde Amelie so neugierig bleiben. Naja Die würde es wahrscheinlich erfahren. Wieder kam ihr dieser merkwürdige Gedanke und sie fragte sich wie Amelié wohl aussehen würde wenn sie erwachsen war. Sie versuchte sich es vorzustellen, sie noch so wie sie jetzt war und alle anderen älter. Vielleicht mit weißen Haaren... Die Kenderin erschauderte. Diese Vorstellung gruselt sie mehr als alles andere.
Zum Glück holte Amelié sie schnell wieder aus ihren Gedanken. "Wenn du möchtest können wir morgen mit den anderen Kindern mal schauen ob Springer Lust hat. Wir werden bestimmt Zeit finden und er freut sich immer wenn er Besuch bekommt.", schlug sie schließlich vor. "Dann kannst du mir zeigen wie gut du schon reiten kannst."

Lilac:
Amelíes Augen strahlten.
"Jaaaaaa!", rief das Mädchen begeistert und fiel der Kenderin um den Hals.


In diesem Moment kam Fleur um die Ecke. Sie sah, dass ihre Tochter durch irgendetwas, das Anders getan oder gesagt haben musste, glücklich war und schenkte der Kenderin ein dankbares Lächeln.
"Bon jour, ihr zwei! Ma petite Amelíe, es ist Zeit für's Bätt! Magst du Andärs gutö Nacht sagön und disch dann schlafön legön?!?", trug die Wäschemagd ihrer Tochter in breitestem Akzent auf.

Amelíes Gesichtszüge entgleisten. Sie schob die Unterlippe vor und verschränkte ihre Ärmchen.
"Aber ich WILL noch nicht schlafen!"

"Ma chére, morgön wird bestimmt wiedär ein langär Tag für disch. Wie sollst du allös schaffön, wenn du nischt ausgeschlafön bist?"
Fleur legte den Kopf schief und zog eine Augenbraue hoch. Doch in ihrem Blick glänzte die Liebe für das Kind.

Amelíe machte den Mund auf, um etwas zu erwiedern, doch dann besann sie sich anders. Sie blickte etwas schalkhaft zu der Kenderin und ein Strahlen überzog ihr Gesicht. Schließlich stand sie lachend auf und hopste zu ihrer Mutter. "Na gut, wenn ich jetzt schlafen gehe, kommt morgen viel schneller! Bon nuit, Mamá!"

Sie umarmte die überraschte Fleur eilig und war schon auf dem Weg zur Türe, als ihr noch einfiel: "Hab dich lieb Mamá, gute Nahaacht! Oh, und gute Nacht Anders!"

Und schwubs, war sie verschwunden.

Fleur blickte ihr skeptisch hinter her. Dann wandte sie sich mit eben jenem Ausdruck zu der Kenderin um.
"Will isch wissön, was ihr zwei ausge'eckt 'abt?"

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