Der nächste Morgen war klar und kalt. Die Sonne erhob sich im Osten und es versprach, ein schöner Tag zu werden.
Julienne hatte bis am späten Abend Dienst geschoben und war danach totmüde ins Bett gefallen. Doch der Schlaf hatte wenig Erholung gebracht und so war sie erneut sehr früh wach.
Sie holte sich die Erlaubnis, sich mit Hexe außerhalb der Burg aufzuhalten, machte die Stute fertig und ritt morgenmuffelig durch das Tor.
Kaum war sie draußen, holte sie jedoch das gute Wetter, die klare, kalte Luft und das wundervolle Gefühl auf einem guten Pferd zu sitzen ein und nach ein paar tiefen Atemzügen stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.
Das war IHR Morgen!
Sie blickte prüfend auf den Boden und sah Raureif und hier und da eine zugefrorene Pfütze. Also erstmal langsames Tempo, beschloss sie.
Hexe war unruhig, sie hatte zu lange im Stall gestanden. Das Pferd ruckte mit dem Kopf und drängte vorwärts, doch Julienne machte sich schwer und ließ sie zunächst nur im flotten Schritt gehen.
Sie ritten durch Dorf Goldbach, bogen dann auf einen Feldweg ab, der von den Bauern genutzt wurde, um auf die Äcker zu kommen und von vielen Füßen und Hufen gut ausgetreten war.
Hier ließ Julienne der Stute endlich ihren Willen. Das Pferd quietschte, stieg leicht und rannte los. Die Reiterin stellte sich in die Steigbügel, lehnte sich nach vorne und ließ das Tier laufen.
Julienne bemerkte die Tränen nicht, die ihr über das Gesicht liefen.
Einige Zeit später standen Ross und Reiter auf einer Anhöhe, die einen wunderbaren Blick auf das umliegende Land erlaubte.
Ganz Gardistin sah Julienne sich aufmerksam um. Doch außer Fasanen, Hasen, Füchsen und gelegentlich einem Reh auf den Wiesen, sah sie nichts von Belang. Keine Truppen, die sich im Schutz der Waldränder anpirschten. Keine ominösen Gestalten. Keine Bedrohung.
Erneut atmete sie tief ein und aus.
Hexe schnaubte ungeduldig, stand jedoch ansonsten still.
Julienne ließ sich nach vorne auf die Mähne des Pferdes sinken. Sie umklammerte dessen Hals und erneut flossen die Tränen.
Ohne Worte, nur in Gedanken, nahm sie vorläufig Abschied. Wer wusste, was am Ende der Woche sein würde...
Gut drei Stunden, nachdem sie aufgebrochen war, kehrte Julienne zurück zur Burg. Reiterin und Pferd schienen ruhig und ausgeglichen, soweit man das von Hexe sagen konnte. (Sie versuchte nur einmal recht halbherzig, den wachhabenden Gardisten am Tor zu beißen. Der Mann war ziemlich neu und hatte den Fehler begangen, die Stute streicheln zu wollen...)
Julienne kümmerte sich um Hexe und gab dann Bericht, dass "da draußen" nichts ungewöhnliches zu sehen gewesen war.