OT-Info:
Diese Texte dienen nur zur Beschreibung der Situation von Samstagnacht auf dem "Schwarzen Mond 6". Wenn ihr Forenspiel betreiben wollt, dann gebt uns kurz Bescheid und wir öffnen einen extra Thread dafür.
Mit nur mühsam unterdrücktem Zähnefletschen blickte Sasha dem letzten Besucher hinterher, als dieser durch den Zelteingang in die Nacht verschwand. Die vergangene Stunde über hatten gefühlt hundert Menschen den ohnmächtigen Baron von Feuerklinge sehen wollen, einige aus Sorge, der ein oder andere vermutlich eher um unauffällig sicherzustellen, dass seine Fesseln fest saßen und er tief genug schlief. Bei dem Gedanken entfuhr Sasha nun doch ein leises Knurren.
Havald, der noch neben ihr stand, legte eine Hand auf ihre Schulter, woraufhin die Wolfselfe verstummte.
„Ich bleibe vor dem Zelt und passe auf, dass euch niemand stört.“
Dankbar nickte sie dem Bronnaq-Priester zu, sie hatte wirklich genug von Leuten, die dumme Fragen stellten.
Havald nahm die Hand erst von der Schulter der Wolfselfe, als er sich sicher war, dass sie sich unter Kontrolle hatte, dann nickte er noch einmal in die Runde und verließ das Zelt, Ysander schloss die Zelthaut sorgsam hinter ihm.
Ein leises Scharren lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück auf die wenigen Anderen, die noch im Zelt verblieben waren. Svenja, die die ganze Zeit an Gorix Seite geblieben war und kaum mit jemandem ein Wort gewechselt hatte. Mira, die nie von ihrer Seite gewichen war und ihrer Herrin stumm Hilfe und Trost spendete. Destus, der fast genau so schweigend und unauffällig über das Leben von Svenja und Gorix wachte. Lyra und Ysander, die die unangenehme Aufgabe übernommen hatten, die meisten Besucher abzuwimmeln und jene, die man nicht abweisen konnte, so gut beschäftigt zu halten, dass sie Gorix - oder Svenja - nicht zu nahe treten konnten.
Vanion, der immer dann einsprang, wenn die Höflichkeit der beiden nicht mehr ausreichte und er mit Nachdruck für Ruhe sorgen oder sogar Besucher aus dem Zelt werfen musste.
Und Gorix. Der Baron von Feuerklinge lag weich gebettet im hinteren Teil des Zeltes und schlief. Man hätte den Anblick als friedlich und entspannt beschreiben können, wären da nicht die ordentlich festgezurrten Fesseln an Händen und Füßen gewesen.
Fesseln, die eigentlich nicht dafür da waren, um zu verhindern, dass der Magier jemanden angreifen konnte....sondern hauptsächlich um ihn vor sich selbst zu schützen.
Warum verdammt nochmal hatte er das getan und sich auf diesen Wahnsinn eingelassen? Eigentlich eine rhetorische Frage, war der Wolfselfe der Grund doch absolut klar.
Er hatte die anderen retten wollen. Er hatte die Baronie, für die er die Verantwortung übernommen hatte, retten wollen. Er wollte seine Seele opfern für seine Freunde, seine Familie, und für die, die unter seinem Schutz standen.
Er wollte die letzte Aufgabe dieser Maschine erfüllen, um jeden Preis.
Sie konnte nicht wütend sein, nicht auf ihn. Aber sie war es auf diese ganze verzwickte Situation, auf die Menschen, die sie bedrängt hatten, auf diesen ganzen verdammten Ort, in dessen unheilvoller Geschichte heute ein neues Kapitel geschrieben worden war.
Sasha konnte sogar verstehen, warum Gorix versucht hatte, sich umzubringen, als er aus der Globule zurückgekehrt war. Fast war es ihm gelungen, nur der gemeinsame Einsatz seiner Freunde hatten sein Vorhaben vereiteln können.
Mit einem Pakt mit Szivar, der seine Seele verdunkelte, hatte er nicht leben wollen. Aber ihn deswegen sterben lassen? Ohne alles versucht zu haben, ihn zu retten?
Nein..... das war weder ihr Stil noch der des Hauses Feuerklinge.
„Wir sollten anfangen.“
Die erstaunlich feste Stimme von Svenja riss Sasha aus ihren Gedanken. Sie wandte sich der Nedra-Priesterin zu, die sich neben den schlafenden Gorix gekniet und ihm eine Hand auf den Brustkorb gelegt hatte.
Die Wolfselfe atmete noch einmal tief durch und ging dann zu ihr hinüber, um sich auf der anderen Seite des Barons nieder zu lassen.
Die Baronin hatte Recht, sie mussten es hinter sich bringen und herausfinden, wie stark der Einfluss war, den Szivar auf Gorix hatte und wie groß die Folgen seiner Entscheidung werden konnten.
Sasha verschloss die Angst davor, was sie finden konnten und was das für Konsequenzen hätte, tief in ihrem Inneren und folgte der Ricke ins Gebet.
Jetzt wo die Nedra-Priesterin ein bestimmtes Ziel vor Augen hatte, fiel alle Unsicherheit und alle Verzweiflung von ihr ab. Sie folgte dem Weg, den ihre Göttin ihr wies und zog die Wolfselfe mit sich.
Und der Paladin ließ sich mitziehen.
Einige Zeit später ließ Sasha sich mit einem lauten Schnaufen nach hinten kippen und blieb für einen Augenblick einfach regungslos liegen. Sie hörte Svenjas Stimme, wie sie die Anderen mit kurzen Worten über die Erkenntnisse des gemeinsamen Gebetes unterrichtete und genoss für einen Moment das allgemeine Aufatmen und die für sie körperlich spürbare Erleichterung der kleinen Gruppe, die wie eine Welle durch das Zelt brandete.
Nichts.
Rein gar nichts.
Es existierte kein Pakt. Es existierte keine Verbindung zwischen Gorix und dem dunklen Täuscher.
Und das hatte einen überraschenden Grund.
Du, mein Freund, hast verdammt große Beschützer…
Das beharrliche Scharren von Ysanders Feder auf Papier lies die Wolfselfe aufschauen. Der Priester notierte sich hastig ein paar Dinge, wahrscheinlich damit nachher nichts im allgemeinen Gefühlschaos der Anwesenden unterging.
Dann tippte er sich nachdenklich mit dem Ende des Federkiels gegen das Kinn, während er stirnrunzend seine Notizen betrachtete.
Sasha rappelte sich auf, um ihre durch das längere Gebet steif gewordenen Glieder zu strecken. Als sie sich aufrichtete, fuhr ein scharfer Schmerz durch ihren Rücken und ließ sie kurz inne halten.
Verdammter Dämon….verdammte Unzulänglichkeit.
Sie biss die Zähne zusammen und nahm dankbar Destus Hand an, der wie selbstverständlich neben sie getreten war um ihr auf die Beine zu helfen.
Während die anderen im aufgeregten Gespräch oder in Gedanken versunken waren, hatte der Bruder der Jagd wie immer alles im Blick und bemerkte selbst die kleinsten Unregelmäßigkeiten.
Die Wolfselfe schenkte ihm ein schiefes Grinsen, dass er wortlos erwiederte.
Draußen hörte man wie Havald wiederholt und mittlerweile eindringlicher irgendwelche Besucher abwimmelte. Dem Tonfall nach keiner der näheren Bekannten des Baronspaares.
Auch wenn der Bronnaq-Priester völlig ruhig klang, so wusste Sasha, dass er allzu aufdringliche Neugierige notfalls mit Körpereinsatz davon abhalten würde, ins Zelt zu platzen.
Ysander ergriff das Wort.
“Das sind überraschend gute Neuigkeiten. Und es ist ein Glück für Gorix, dass Askar und Nedra allem Anschein nach einen gewissen Anspruch auf seine Seele haben.”
Sasha nickte schmunzelnd.
“Wenn Askar sich erstmal dazu entschlossen hat, eine Seele unter seine Fittiche zu nehmen, dann lässt er sie nicht mehr so schnell gehen.”
Sie wusste wie das klang… aber es war nun einmal die Wahrheit. Und sie musste es auch nicht groß erklären, ihre Freunde kannten sie und ihren Hang, alle zu beschützen, ob sie wollten oder nicht.
Und irgendwo musste sie das ja her haben.
“Und ich kann mir gut vorstellen, dass Nedra ähnlich ist. Vor allem wenn es sich um einen Mann handelt, der es geschafft hat, ihren Respekt zu erlangen.”
Ysander holte eine Kladde aus seiner Tasche und öffnete sie sorgfältig.
“Er steht in der Gunst der Götter, soviel steht fest.
Nur dieser Schleier, der seinen Geist umgibt, macht mir Sorgen. Wenn Gorix in diesen Gedanken gefangen ist, dass der Pakt ein Erfolg war, dann wird er nicht aufhören, sich umbringen zu wollen.
Und ihr wisst alle, wie er ist, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat…"
Der Elja-Priester schaute in die Runde.
“Ich habe da eine Idee. Aber die wird euch wahrscheinlich nicht sonderlich gefallen.”
Sasha seufzte. Ja, der Feuermagier war einer der größten Dickköpfe, die sie kannte. Sie beobachtete, wie Ysander vorsichtig ein schlichtes Blatt Papier aus der Kladde zog. Es handelte sich scheinbar um die leere herausgerissene Seite aus einem Buch.
Aus einem ganz bestimmten Buch.
Das in der allgegenwärtigen Stille erstaunlich laute Geräusch, als besagtes Buch einige Minuten später zugeschlagen wurde, ließ die Wolfselfe zusammen zucken. Das Geräusch hatte etwas endgültiges.
Ihr Blick suchte den der Trägerin des Buches, die sie mit diesem immer unergründlichen und sanften Lächeln anschaute.
Nur Aine-Wesen konnten gleichzeitig eine so große Hilfe sein und so viel Leid verursachen.
Sasha fühlte sich nicht anders als vorher. Allerdings war das nicht verwunderlich, denn sie hatte schließlich vergessen, welche ihrer Erinnerungen sie in das Buch des Chronisten geschrieben und somit für immer verloren hatte.
Vielleicht würde sie es sie irgendwann einholen, vielleicht auch nicht. Aber das war im Augenblick auch egal, wichtig war nur, dass mit der Hilfe des Chronisten auch Gorix eine Erinnerung verloren hatte.
Und sie konnten nur beten, dass es ihm auch wirklich helfen würde.