Die Rolle, welche in Svenjas Händen zu liegen kam, wog schwer, und das Pergament, aus dem sie bestand, war grob, nur mit einem scharfen Messer glatt gewetzt. Das Siegel darauf bestand aus tiefblauem Wachs, in welches eine kunstvoll gearbeitete Fontäne geprägt worden war. Selbige Fontäne war danach mit einem silbrigen Lack bestrichen worden. Den Brief, den Gorix erhielt, war auf die selbe Art gesiegelt worden.
Nachdem er das Siegel erbrochen hatte, zeigte sich eine feine, ausdrucksstarke Handschrift.
"An seine Hochgeboren, Gorix, Baron von Feuerklinge,
Stellvertretender Kanzler der Akademie Ayd Owl zu Fanada,
und seine Gemahlin,
ihre Hocgeboren, Svenja, Baronin von Feuerklinge,
Ricke der göttlichen Herrin Nedra.
von der Hand des Nathaniel Hendrick, Graf von Quellengrund,
Baumeister des Ostens, im Jahre 269 nach Jeldrick
auf seinem Stammsitz Quellengrund in den Ostmarschen.
Edler Baron, Edle Baronin, teure Freunde der Ostmarschen.
In der Stunde der Not meiner zum Schutz befohlenen Untertanen und meiner geliebten Stadt,
in den Tagen des Schreckens, welche vom Angriff auf den Stammsitz des Hauses Quellengrund
geprägt und überschattet waren, strecktet Ihr, ohne die Meinen oder mich zu kennen,
die Hand in Freundschaft und zum Schutze aus, und lindertet das Leid der Hinterbliebenen
und Entwurzelten, ohne dafür Lohn oder Dank zu fordern.
Lichttal ist kein armes Reich, doch sind die Winter hart und die Sommer kurz. Die Ernten füllen in guten
Jahren unsere Speicher und bringen uns durch den Winter. Doch als diese Stadt und vieles in ihr ein Raub
der Flammen wurden, standen uns Hunger und Elend ins Haus. Das Reich brachte auf, was es aufbringen konnte,
und sicherlich hätten wir es auf die eine oder andere Art geschafft, und uns lange nicht davon erholt.
Durch Eure Hilfe und Eure Freigiebigkeit kamen Quellengrund und Hammerthal durch diesen Winter,
ohne Angst vor einem kargen Sommer. Ihr schenktet uns Hoffnung und standet an unserer Seite.
Nun berichtet mir mein erster Ritter, Herr Berengar von Thurstein-Köhlersruh,
von den Drohungen der Inquisition des Alamar, von der Fehde und dem Krieg gegen den Herzog von Hanekamp,
der sich an Land, Leuten und Frieden Eures Lehensherrn vergreift, vom Tod aufrechter Männer und Frauen,
von den Umtrieben finsterer Mächte, und von Eurem Kampf.
Und so sehe ich eine Gelegenheit. Eine Gelegenheit euch einen kleinen Teil dessen zurück zu geben, was Ihr uns
gegeben habt. Eine Hand in Freundschaft, und in dieser Hand vielleicht eine Erleichterung für Euch.
Lehenstreue bedeutet Steuerlast, sie bedeutet Abgaben und sie bedeutet Wehrpflicht. All dies kann durch Güter und Taten
erbracht werden, und wenn Güter und Taten durch Kriegsgefahr gebunden sind, durch klingende Münze.
Wisset, dass in diesem Augenblick Boten auf dem Weg zu Euch sind, an Euren Hof, um Euch auf mein Geheiß die Kriegskasse
zu füllen, und die Steuertruhe für Euren Lehensherrn. So lange dieser Krieg andauert, werden sie den Weg an Eure Schwelle suchen und
Euch meinen Dank in eure Truhen legen.
Mögen die Götter Euer Haus und Euer Geschlecht segnen, und mögen wir alle eure Feinde schon bald auf den Knien sehen.
Nathaniel Hendrick, Graf von Quellengrund."