Flamen Damian:
Schon früh am morgen, lange vor dem ersten Sonnenstrahl und nach einer viel zu kurzen Nacht, stand Damian bereits auf. Er liess sich von seinem vor Kälte zitternden Novizen helfen und kleidete sich wieder einmal in seinen schweren und klammen Gambeson und darüber nur die nötigsten Insignien seines Amtes. Dann liess er sich Schild und Schwert geben, nahm sein Buch und die wichtigsten Utensilien und bestieg das Pferd, das ihn zum Tempel in Barebury bringen sollte. Während er losritt, sah er, wie sich überall im Lager die Männer und Frauen regten, die ersten Trossleute schon Frühstück bereiteten und so mancher Knappe dem Zeug seines Herrn den letzten Schliff gab. Er liess seinen Blick kurz auf dem Firngarder und Yorker Wappen verweilen und gab dann seinem Pferd die Sporen.
Kurz vor Sonnenaufgang erreichte er den Alamartempel. Seinen Schild ließ er am Pferd und betrat dann den Tempel. Die Novizen am Eingang hatten bereits erkannt, dass er ein Flamen war und liessen ihn, auch mit der Waffe, ungehindert passieren. Als er den Tempel betrat, begann gerade die Morgenzeremonie. Damian blieb hinten stehen und liess sich von Alamars Gnade, vor der Schlacht in diesem, einem der grössten, Tempel Alamars beten zu können, erfüllen. Die um ihn herum aufragenden Säulen aus weissem Marmor, die goldenen Verzierungen, die in kunstvollen Verzierungen Szenen aus dem Leben der Heiligen Alamars, Kaiser Jeldriks und Herrman von Ahrnburgs zeigten, all das war mehr als genug, um das Herz Damians zu erfreuen. Auf dem uralten Opferstein, dunkel von dem Blut vieler mächtiger Stiere und der jahrhundertealten Verehrung des Sonnengottes thronte das Abbild Alamars, ein mächtiger behauener Klotz mit einer Sonne an Stelle eines Gesichtes und einem apotropäischen Phallus, noch aus der Zeit vor dem Brüderkrieg. Nach dieser langen Zeit unter der Herrschaft des Lupus Umbra war das Opfer eher mager und kaum geneigt, Alamars Herz zu erfreuen.
Nach dem Ende der Zeremonie wollte der alte, halbblinde Flamen, der die Zeremonie geleitet hatte, bereits die Anwesenden entlassen, als Damian sich aufrichtete. Stolz und aufrecht erhob er die Stimme, die, schlachtfelderprobt und viel geübt, durch den grossen Tempel hallte.
"Brüder, Schwestern! Flamines, Flaminae! Ich bin zu euch gekommen, nicht nur um in diesem ruhmreichen und ehrwürdigen Tempel zu beten. Sondern auch, um euch zu dem Banner des Pilgerzugs zu rufen! Im Namen der Götter, im Namen Alamars, auf seine Weisung hin, wurde diese Fahrt begonnen. Auf Weisung der Götter wird die Königin uns zum Sieg über Konar führen. Ich folge ihr. Ich rufe euch auf, ihr ebenfalls zu folgen. Der Zug marschiert bereits auf den Ahrnwall zu, um dort den Segen der Priester zu empfangen. Ich hoffe, ich sehe viele von euch ebenfalls dort, um den Pilgern, die auch im Namen Alamars kämpfen, den Segen unseres Gottes zu spenden."
Das Gemurmel ignorierend, dass sich einer Explosion gleich im Tempelraum ausbreitet, verneigte sich Damian tief vor dem Idol Alamars und verliess gemächlichen Schrittes den Tempel. Am Pferd angekommen, kniete er nieder und sprach seine Gebete zu Alamar, auf dass er ihn behüte in der kommenden Schlacht. Während der Gebete hörte er hinter sich Tumult, der erst lauter und dann leiser wurde und schliesslich ihn Schritten mündete, die eine wachsende Menschenmenge in seinem Rücken andeuten. Vollkommen ungerührt setzte Damian seine Gebete fort und erst danach richtete er sich langsam auf und drehte sich um. Hinter ihm hatten sich viele junge und auch einige ältere Menschen versammelt, viele davon Novizen und auch einige Flamines und Flaminae. Im Tempeleingang, abseits der Menge, standen die alten Tempelvorsteher, und Damian fühlte Mitgefühl und Verständnis für die Zurückhaltung dieser alten, teils gebrechlichen Männer und Frauen in sich aufsteigen.
Das hinderte ihn aber nicht, sich zu der Menge zu wenden: "Ich danke euch. Ich danke Alamar. Wir werden in seinem Namen streiten und in seinem Namen siegen. Die goldene Flut des Herrn der Sonne wird in seinem Namen und im Namen Bareburys den schwarzblauen Schmutz in die Ahrn spülen! FÜR ALAMAR!" Knüppel, Streitkolben und sogar die eine oder andere Lanze wurden bei der tosenden Antwort der drei Dutzend Tempelangehörigen in die Höhe gereckt und Damian umrundend marschierte die Schar den Berg hinunter. Auf dem Weg durch das Dorf selber schlossen sich ihnen die wenigen übrigen Männer und Frauen an, die noch nicht vollends desillusioniert waren, so dass letztendlich zwei Dutzend Alamargeweihte, Novizen wie Flamines, und drei Dutzend Laien Damian folgten.
Viele der Laien stellte Damian zum Schutze des Trosses, vor allem des Lazaretts ab. Er hatte keine Zeit, für ihre Ausrüstung zu sorgen und wollte nicht mehr als unbedingt Leute in die Schlacht schicken, die dem Lupus Umbra so hoffnungslos unterlegen waren. Den Novizen schärfte er ein, dass sie darauf achten sollen, sich unter die Ahrnburger und Jeldriken zu mischen und diese mit Gebeten und Wundern so gut es geht zu unterstützen. Den Flamines und Flaminae teilte er den Schlachtplan mit und ließ sie selber entscheiden, wo sie sich aufstellen sollen. Dann marschierte er mit ihnen vor die erste Reihe. Zusammen mit den vielen anderen Priestern stellten sie sich vor den Reihen des Pilgerzugs auf und drehten dem Wall den Rücken zu. Nach einem kurzen Blickkontakt zwischen den Priestern fingen sie, von den Göttern geleitet nahezu gleichzeitig, mit den Gebeten an. Nach kurzer Zeit bereits waren ihre vereinten Stimmen lauter als die Geräusche in der Umgebung und vom nahen Wall hörte Damian Tumult. Unbeirrt segnete er die Menge und auch der Pfeil, der von hinten genau zwischen seine Beine schlug, brachte ihn nicht aus der Ruhe. Der Abschluss der Segnung war ein gewaltiges Crescendo und hinter dem Wall rissen die Wolken kurz auf und die Sonnenstrahlen tauchten die Priester in einen hellen Schein. Mit einem lauten Brüllen aus tausend Kehlen begann die Schlacht: "FÜR DIE GÖTTER!"
Während der Schlacht hatte Damian keine Zeit, all die strategischen Feinheiten zu beobachten. Er kämpfte singend und betend, als ob er unaufhaltsam wäre. Wieder und wieder tauchte er an Stellen auf, wo er sah, dass die Moral sank und trieb mit seinem Vorbild die Truppen wieder nach vorne. So stand er bei den Askariern, als die Tiorsanhänger in übermächtiger Wut auf die Bogenschützen zustürmten und fing mit seinem Schild und seinem Schwert die anbrandende Welle von Konars Infanterie ab. Während er selber Wunden erlitt und seine Panzerung zusehends in Stücke geschlagen wurde, schienen seine Isignien aber zu leuchten und Alamars Segen für jeden sichtbar zu zeigen. Seite an Seite mit den Askariern kämpfte er und so manches Leben wurde an diesem Tag gegenseitig gerettet. Kurz bevor die Askarier endgültig den Lupus Umbra zurückschlugen, standen Damian und Kasimir, zwei sehr ungleiche Männer, Seite an Seite. Und wie ein Zeichen der Götter schlug erst Kasimir einen Hieb beiseite, der auf Damians Kopf gezielt hatte und ihm ein unrühmliches Ende bereitet hätte und dann warf Damian sich mit dem Schild voran vor eine Axt, die drohte, Kasimirs Eingeweide herauszureissen.
Letztlich aber ging auch dieser Kampf zu Ende und die Truppen der Pilgerfahrt rückten immer weiter vor. Auch als der Lupus Umbra schon wieder im Begriff schien, das Blatt zu wenden, wankte Damian nicht im Glauben und er versuchte, die Moral der um ihn stehenden Männer und Frauen mit Worten und Gebeten zu stärken, was ihm auch gelang, zumindest lang genug, um den rettenden Ansturm der Ahrnburger und Jeldriken mitzuerleben.
Die Schlacht war geschlagen und gewonnen. In wenigen Tagen würde die Königin in Ahrnburg eintreffen. Damian wusste, nach diesem Sieg war die Moral hoch, aber wie würden sie die vielen Leute, die zu ihnen stossen würden, ausrüsten? Waffen könnten sie von ihren Gegnern nehmen, aber Panzerungen und Schilde? Probleme, die nur Händler zu lösen wussten. Nachdem er sich den gröbsten Dreck abgewaschen hatte und die kaputten Teile der Rüstung abgelegt hatte, machte er sich auf nach Ahrnburg, wo die übrigen Anführer der Pilgerfahrt zu finden sein würden. Man hatte vieles zu besprechen.