Kassos streifte zwischen den Kämpfern umher und beobachtete sie sehr genau. Es waren viele diesmal. Mit Glück entging er einem Hieb und schüttelte leicht den Kopf und damit seine Gedanken bei Seite. Es waren einige dabei, die er kannte. Soldaten des Lupus Umbra, die die so genannten Werwolfs Truppen verlassen und mit ihm nach Brega gekommen waren. Auch Arius viel ihm zwischen den Kriegern auf. Er hielt sich trotz seiner Verletzungen tapfer und unwillkürlich, fuhr seine Linke über die Finger seiner Rechten und dann über seinen Kiefer. Er war froh darüber, ihn nicht getötet zu haben. Er hätte, wenn Arius ihn gezwungen hätte, aber dieser hatte verstanden und sich dem Stärkeren gebeugt. Der Priester beobachtete wie einer nach dem Anderen zu Boden ging und als nur noch einer schwankend auf dem Platz stand, hieß er die Welpen den Platz zu verlassen.
"Ich bin stolz auf so viel Tapferkeit und Kraft.", begann Kassos zu sprechen, "Jeder von euch, wird in Tiors Hallen sitzen und den Geschichten aller Helden, aller Zeiten lauschen! Jetzt werden die Übrigen ihre Kämpfe bestreiten und der Sieger, durch Tiors Gnade geheilt und mit neuer Kraft erfüllt, wird gegen mich bestehen müssen."
Die Männer und Frauen stellten sich auf und das Hauen und Stechen begann. Bald war der Sand rot von Blut. Hier und dort klafften Wunden und brachen Knochen, doch das war nicht ungewöhnlich bei den Übungskämpfen im Tempel. Die Älteren und vor allem die Veteranen lieferten sich verbissene Kämpfe. Für Tior, für ihre Ehre und den Respekt. Es dauerte eine geraume Weile, bis nur noch einer Stand. Elias, einer der wenigen Überlebenden, aus der Schlacht um Brega. Er hatte Kassos oft gefordert, mit Worten und mit dem Schwert, nun war er einer seiner Vertrauten. Die Priester nickten einander zu und ein Grinsen flog über ihre Gesichter. Elias war ein Heißsporn und ebenso ein Berserker wie Kassos. Während Kassos sich auf den Kampf vorbereitete und seinen Speer kreisen ließ, wurde sein Gegner geheilt. Drei Priester standen um ihn herrum und beteten inbrünstig zu Tior, Er möge seine Wunden heilen und ihm Kraft geben, damit der Kampf ausgeglichen war.
Als die Männer, sich gegenüber stehend, auf dem Platz ihre Kampfhaltung einnahmen, schien die Luft zu knistern.
"Auf einen guten Kampf, zu Ehren Tiors!", sagte Kassos fast feierlich. "Zu Ehren Tiors!", erwiederte sein Freund und Gegner. Sie verbeugten sich vor einander und begannen sich mit Blicken zu fixieren. Elias führte einen Schild und ein kurzes Schwert. Kassos seinen langen, parierlosen Speer. Jeder versuchte den anderen zu durchschauen und eine Schwäche im Stand, oder der Deckung zu finden. Elias schien zuerst etwas auf zufallen, denn er schnellte vor und stach nach Kassos´ Arm. Als dieser zurück wich, setzte Elias unbarmherzig nach und stieß mit dem Schild zu. Er erwischte den Nordcaldrier am Kinn und brachte ihn dazu, noch einen Schritt nach hinten zu taumeln. Doch Kassos erholte sich schneller als sein Gegenüber erwartet hätte und machte aus dem Schritt zurück, eine Kreisbewegung. Er ließ den Speer herumwirbeln und dieser krachte auf Elias´ Schild, was ihn wieder etwas auf Abstand brachte. Kassos fand ein Lücke in der Deckung seines Gegners und Täuschte einen Schlag von Oben an. Sein Waffenbruder viel darauf herrein und hob den Schild, was ihm einen schmerzhaften Tritt in den Magen einbrachte. Elias torkelte zurück, atmete tief ein und fing sich schnell wieder. Zu schnell. Kaum versah Kassos sich, da stürmte sein Gegner wieder vor und wollte ihn mit dem Schild rammen. Als Elias schon fast heran war, fiel ihm etwas ein; Simon hatte es ihm beigebracht. Das Manöver war riskant, nahm seinem Gegner aber, im Falle des Erfolgs, seinen größten Vorteil. Statt auszuweichen, stürzte Kassos sich in den Hieb. Er hielt den Speer wagerecht vor sich und rammte ihn gegen den Schild. Das nahm dem Aufprall etwas an Wucht, gerade genug, um den Speer mit der Spitze hinter den Schild zu drehen und den wertvollen Schutz aus der Hand des Mannes zu hebeln. Dies kostete Elias nicht nur den Schild, sondern brachte ihm auch noch die erste Wunde ein. Einen Schnitt am Arm, kurz unter dem Gelenk.
Er nickte Kassos anerkennend zu, bevor er erneut vorstieß. Es war offensichtlich: Er wollte Kassos zeigen, dass ihn der Verlust seines Schildes nicht weniger tapfer Kämpfen ließ! Kassos führte einen Gegenschlag, indem er den Speer tief fasste und ihn weit schwang. Nun war es Elias, der in den Schlag hinein lief. Er legte die flache Seite seines Schwertes an sine Seite, schützte so seine Rippen und nahm den Schlag hin. Er umfasste den Schaft und wollte ihn Kassos entreißen. Ein kurzes Gerangel um die Waffen begann. Die beiden Männer mobilisierten mit einem lauten Schrei, all ihre körperlichen Kräfte und rissen mit Gewalt an der Waffe des Gegners. Beide Waffen flogen davon. Kassos, der nach dem Streit den schlechteren Stand hatte, fing einen herten Fausthieb mit seinem Gesicht ab und ging mit blutiger Nase einen Schritt zurück. Waffenlos und getroffen, spührte der Priester das bekannte Gefühl der Bestie in sich aufsteigen. Elias schien es nicht anders zu ergehen. In den Augen der beiden Männer funkelte es irre und sie begannen zu schreien und sich zu krümmen. Immer weiter stachelten sie sich selbst auf, bis zu einem Punkt, an dem die Energie ihres Zorns und das Feuer ihres Glaubens sich in ihren Fäusten ballte. Sowohl Elias´ , als auch Kassos´ Fäuste schienen zu brennen, als sie begannen auf sich ein zu schlagen. Nun ging alles ziemlich schnell. Sie gingen in atemberaubendem Tempo auf einander los, staub wurde aufgewirbelt und nur noch schreie waren zu hören. Dann herrschte Stille.
Als der Staub des Kampfes sich legte, zeigte sich langsam die Silhouette des Siegers. Immer deutlicher wurden die Umrisse des Ersten des Weges. Kassos.
Er stand schwer atment über seinem Gegner und beruhigte sich nur langsam wieder. Der Priester sah aus, als hätte er einen Drachen bekämpft. Brandwunden, Prellungen, eine ausgerenkte Schulter und eine gebrochene Nase, waren zu erkennen. Doch er war nicht umsonst der Oberste Priester und es war Zeit gewesen, dies einmal mehr zu beweisen. Nicht zu letzt sich selbst.
Langsam atmete er ruhiger und erkannte wieder wo er war. "Unser Blut und Ehre, für Tior!", donnerte er und sein Schlachtruf hallte aus allen Mündern zurück. "Dies war ein guter Kampf, denn auch wenn uns Freunschaft verbindet, haben wir uns nichts geschenkt. Jeder von uns, hätte Schonung als Beleidigung empfunden und wir hätten den Respekt vor einander verloren. Ihr könnt euren Gegner hassen und verfluchen, aber respektiert ihn! Sonst wird euer Hochmut euch das Leben vor der Zeit kosten!"
Er sah sich um und blickte in die Gesichter der Anhänger Tiors, dann reichte er seinem Gegner und jetzt wieder Freund, die Hand und half ihm auf die Beine. Sie verneigten sich vor einander und umfassten ihre Handgelenke zum Kriegergruß. Ein Grinsen blitzte in Kassos Gesicht auf und wieder donnerte seine Stimme ber den Platz. "Und jetzt bringt die Fässer raus, ich brauche was gegen die Schmerzen!"
Der gern gehörte Befehl, wurde unter lautem Jubel befolgt und Kassos nahm den Jungen Novizen, der zuerst gefallen war zur Seite. "Du wirst zu den Quartieren der Askarier und der Valkensteiner gehen und ihnen meine Einladung überbringen. Sag Sasha, ich brauche Askars Atem als Heilung für meinen Körper und das Rudel als stärkung für meinen Geist. Und Maugrim soll etwas feines aus Falkenstein bringen, dann garantiere ich ihm, dass er morgen nicht mehr weiß wie er heißt. Jetzt geh und das ganze im Laufschritt, das wird deine Ausdauer verbessern!"
Kassos war zufrieden und das steigerte sich, als ihm ein großer Krug gebracht wurde.
"Und könnte bitte irgendwer meinen Arm wieder richten!?", brüllte er nach einem tiefen Schluck.