Unterdessen befand sich Fleur unten im Obstgarten, wo sie das gute Wetter nutzte und eine große Ladung Weißzeug nach dem Waschen zum Trocknen aufhing. Ein weiterer Wäschekorb mit bunter Wäsche, offenbar Wappenröcke und Pferdedecken, wartete unter einem der Apfelbäume.
Heute sah Fleur ein wenig mißmutig aus. Sie hatte die Wäscheleinen, welche quer zum Zugang zum Obstgarten hingen, als allererstes mit den größten Laken behängt und sich so ein wenig vom Rest der Gesellschaft abgeschottet.
Als wenn sie, nur weil sie ein Kind unter dem Herzen trug, zur Invalidin geworden wäre!, gingen ihr die Gedanken durch den Kopf.
Sie war böse mit Aaron, dem Kastellan, der ihr eine Standpauke gehalten hatte, weil sie, seiner Meinung nach, zuviel arbeitete.
Als wenn es niemandem sonst je passieren würde, dass man mal beim Warten auf die Herrschaften einschlief! Und überhaupt, sie konnte ja wohl schlecht ständig jemanden bitten, ihr die vollen Wäschekörbe zu tragen! Und dass sie abends müde war und dicke Beine hatte, würde auch nicht dadurch besser werden, dass sie ihren Aufgaben nicht mehr nachkam!
Und dann diese Meckerei, dass sie mit offenen Schuhbändern gelaufen war... es musste halt schnell gehen! Und es dauerte nun mal im Moment viiiel länger, bis sie die Schuhe gebunden hatte - da war sie eben nur hineingeschlüpft. Es war ja nicht so, als würden die Schuhe nicht auch so gut sitzen! Und überhaupt, was hatte ihn ihr Schuhwerk zu interessieren?! Und dieses ständige "steig nicht auf die Leiter", "tu dies nicht", "das unterlässt du jetzt in deinem Zustand besser"... natürlich war vieles nicht mehr so einfach mit dem dicken Bauch. Und sie fühlte sich ja auch manchmal wirklich nicht so belastbar. Aber das würde sie ihm jetzt erst recht nicht mehr unter die Nase reiben...
Sie griff gedankenversunken in den Korb, bekam das Laken nicht richtig zu fassen und es glitt ihr aus den Händen. Sie bückte sich ächzend erneut und verfluchte den Stoff mit leiser, verzweifelter Stimme, während ihr Tränen der Wut und der Erschöpfung in die Augen stiegen.
Nachts schlief sie nicht mehr durch - alle paar Stunden musste sie aufstehen, um sich zu erleichtern. Auch konnte sie kaum mehr eine bequeme Position auf ihrem Strohsack finden, sodass auch das bisschen Schlaf, das sie überhaupt noch bekam, nicht wirklich erfrischend war. In letzter Zeit war sie oft eine der ersten, die auf den Beinen waren, da sie die Zeit, in der sie ohnehin nicht schlafen konnte, lieber mit etwas nützlichem verbrachte. So hatte sie viele Kräuter gesammelt, der Köchin Schüsselweise Beeren aus der näheren Umgebung gebracht - alles leichte Aufgaben, die man früh morgens ohne großen Aufwand erledigen konnte... Doch über Tag, wenn es an ihre eigentlichen Aufgaben ging...
Sie war einfach nicht gut darin, um Hilfe zu bitten. Und gerade, wenn es ihr nicht gut ging, und sie sich eigentlich nichts sehnlicher wünschte, als an des Kastellans Schulter zu lehnen, um sich mal ein paar wenige Augenblicke auszuruhen, schimpfte dieser auch noch mit ihr...
Kurz hält sie sich den Rücken und hängt dann weitere Wäschestücke auf - die Energie ihres Mißmutes nutzend...