Autor Thema: Nebel  (Gelesen 3213 mal)

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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Nebel
« am: 05. Nov 10, 20:14 »
Verdammte Scheiße, ich bin einfach nicht für Belagerungen gemacht...

Die Tiorspriesterin stand auf einem Hügel unweit der ersten Linien und besah sich das hin- und herwogende Spiel zwischen Angreifern und Verteidigern. Sie zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen und wandte sich angewidert ab. Es konnte Wochen und Monate dauern, bis ein Durchbruch erfolgen würde. Sie erreichte ihr Zelt und ließ sich stumpf in einen Stuhl fallen. Ihre Laune war schon zu Beginn nicht wirklich gut gewesen und seit dem Axthieb in den linken Arm geradezu katastrophal.
Ich wollte schon immer einen Alamar - Priester vor mir knien sehen!

Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Re: Nebel
« Antwort #1 am: 06. Nov 10, 20:16 »
Nebel zog auf und bedeckte die Niederungen der Belagerungsgräben, dämpfte die Geräusche und brachte ein Gefühl der Unwirklichkeit mit sich.
Die Priesterin hatte sich ihrer Rüstung entledigt und stand nun in dem kleinen Hein, der sich hinter dem Lager der Tiorspriester erstreckte.
Sie war rastlos.
Die Zwiesprache mit Tior fand sich im Rausch des Kampfes und in der Prüfung der eigenen Stärke, aber in letzter Zeit auch in der Stille der Nacht. Auch wenn sie nach außen unnahbar erschien, so war sie keineswegs die eiskalte Frau, als die sie im Allgemeinen wahrgenommen wurde.
Und sie war nicht dumm.
Tior hatte sich in den vergangenen Jahren verändert. Alles war in der Schwebe, der Pfad, den sie seit fast zwei Jahrzehnten unbeirrbar beschritt, von einem Tag auf den anderen unsicher geworden.
Sie hatte den Tag des Wolfes in Fanada als Prüfung gesehen. Der Sieg über Barad Konars Hunde war offensichtlich ein Fingerzeig, dass nichts mehr so war wie früher.
Sie war immer noch davon überzeugt, dass der Firngarder nicht wusste was er tat und sein Ansatz zu unausgegoren war.
Aber die Tatsache, dass sie selbst immer noch atmete und von einem Sieg zum anderen schritt, verwirrte sie.
Kassandra kräuselte angewidert die Lippe:

Noch mehr Introspektion und ich kann mich in eine von Damians Predigten setzen...
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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Re: Nebel
« Antwort #2 am: 07. Nov 10, 16:33 »
Der Nebel verdichtete sich und brachte Stimmen und Geräusche, die aus einer anderen Welt zu stammen schienen.
Die Anspannung fiel von der Priesterin ab und sie sank auf die Knie.
Stumm hielt sie Zwiesprache mit ihrem Gott und verlor sich in ihrer Meditation.
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Offline Dominic

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Re: Nebel
« Antwort #3 am: 14. Nov 10, 23:53 »
Das heilige Feuer brannte heiß und es war still im Altarraum des Tempels. Draußen waren die Leute geschäftig und brachen ihre Arbeit ab, als Alamars Auge langsam hinter der Stadtmauer Bregas unter ging. Albert starrte in die Flammen und sprach leise, aber deutlich zu seinem Gott. Mit jedem Schritt auf das Feuer zu sprach er lauter und als er eine Armeslänge vor der großen ummauerten Schale stand, donnerte seine Stimme durch die weitläufige Halle. Durch die Öffnung in der von Säulen getragenen Decke, fiel das Licht des Mondes auf Alberts nackten Körper, als er vor dem Feuer auf die Knie sank. Der Priester kniete vor einem Abbild Tiors, das in die Umrandung des Feuers eingelassen war. Es zeigte einen Wolfskopf mit weit aufgerissenem Maul, die langen Fänge bestanden aus Obsidian und waren sauber eingearbeitet. Immernoch laut betend, legte der Priester die Herzhand auf einen der Fänge, sodass die Spitze auf der Handfläche ruhte. Dann drückte er zu. Der Reißzahn aus Obsidian bohrte sich durch Alberts Haut, Fleisch und trat auf der anderen Seite wieder herraus. Jeder Muskel war zum zerreißen gespannt und sein Körper glänzte schweißnass im Mondlicht.
Durch eine Rinne im Stein, lief das Blut ins Feuer, wo es zischend verdampfte.  

Albert fand sich in der Dunkelheit wieder. Kein Ton drang an sein Ohr, kein Licht in seine Augen. Dann plötzlich, sah er etwas. Eine kauernde Gestalt, nein, eine Frau die im Gebet auf die Knie gesunken war.
"Kassandra", sprach Albert, "Kassandra höre mich, denn mein Blut mißt die Zeit, die mir bleibt meine Bitte vor zutragen."
« Letzte Änderung: 15. Nov 10, 00:05 von Dominic »
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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Re: Nebel
« Antwort #4 am: 15. Nov 10, 11:03 »
Er hörte immer noch nichts, aber er spürte die Überraschung, bekam den Eindruck einer hochgezogenen Augenbraue und einer gekräuselten Lippe.
Die Frau hob den Kopf und zwei gelbe Wolfsaugen fixierten ihn, fingen seinen Blick und bohrten sich in den Grund seiner Seele.
"Firngarder!"
Etwas wie Amüsiertheit schwang in ihrer Stimme, aber sie übertünchte nur den darunter liegenden Stahl.
"Nur du bist wagemutig genug so zu mir zu kommen... oder dumm? Wenn ich dereinst im Grab liege, wirst du mich da auch aufsuchen?"
Die Wolfsaugen verengten sich, der Blick brannte sich in seine Gedanken, wühlte sich ruchlos durch seine Erinnerungen.
"Bist du gekommen um zu sterben, Firngarder?"
Albert spürte, er musste schnell sein, bevor sie den Makel fand, der auf ihm lastete und beschloss es auf ihre eigene Art und Weise zu lösen.
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Offline Dominic

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Re: Nebel
« Antwort #5 am: 15. Nov 10, 21:03 »
Albert fühlte sich plötzlich wie von einem Rudel Wölfe eingekreist. Und in seinem Geist sah er seinen Körper, schwächer werdend, vor dem heiligen Feuer ruhen. Ihm blieb nicht viel Zeit.
"Wenn du einst in deinem Grab ruhst, werden die Grundfesten der Welt brennen und ich werde nicht die Zeit haben dich zu stören, denn was immer dich zu töten vermag, wird Welten bewegen. Ich grüße dich, Kassandra, Hohepriesterin Tiors! Und ich bin nicht hier um zu sterben, vielmehr um neu geboren zu werden." Nie zuvor hatte Albert eine Gefahr gescheut und ob es Wagenmut oder Dummheit war, niemals war er gewichen. Doch hatte er Kassandras Blick nichts entgegen zu setzen und wandte den Blick ab als er weiter sprach. "Ich komme mit einer Bitte zu dir und bin mir wohl bewusst, dass du mir nicht gerade wohl gesonnen bist. Dennoch werde ich meine Bitte niemand anderem vortragen, denn du bist die einzige, abgesehen von Tior, die ich respektiere und mein Blut vergießen lasse." Etwas von seinem Mut wieder findent, blickte er Kassandra jetzt fest an. "Ich bitte dich mir einen neuen Namen zu geben, mich vollends zurück in diese Welt zu führen."
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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Re: Nebel
« Antwort #6 am: 15. Nov 10, 22:14 »
Die einsetzende Stille war ohrenbetäubend.
"Du willst WAS?"
Kassandra wurde nicht laut, im Gegenteil, sie wurde sehr, sehr leise.
"Du hast deine Seele geöffnet, Firngarder, so als ob du dich nicht scheuen würdest mir zu zeigen, was sich auf ihrem Grund befindet. Du hast unseren Gott verraten. Ich sehe die Spuren dieses unheiligen Paktes auf deiner Seele. Wärest du mir begegnet, ich hätte dein Leben beendet, wohl wissend, dass du zu einer Ewigkeit in Szivars Reich verdammt gewesen wärest! Und nun kommst du zu mir und schmeichelst mir, als ob ich auf das törichte Geschwätz eines Eidbreches hören würde... Tior hat dir seine Strafe bereits auferlegt und der Tod scheint es nicht zu sein."
Kassandra lachte leise und es war ein Geräusch, bei dem Albert ein Schauer überfuhr.
"Das Blut verrinnt und damit deine Zeit. Du hast mich zum Werkzeug deiner Buße erkoren. So soll es sein! Sei bereit den Preis zu entrichten..."
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Offline Dominic

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Re: Nebel
« Antwort #7 am: 15. Nov 10, 22:39 »
Albert setzte zu einer Antwort an, doch verwarf diese wieder und blickte Kassandra fest an. Er nickte zum Zeichen das er verstanden hatte und sein Mund formte lautlos die Worte. "So sei es!" Er blickte auf seinen Körper und erkannte das er bereits zu lange gewartet hatte, jetzt war nicht die Zeit sich zu rechtfertigen. Er würde es ihr erklären können, wenn sie ihn am Leben ließ.

Schmerz überkam ihn, als er in seinen Körper zurück kehrte und schwindel ließ ihn zur Seite sinken. Er nahm die bereit gelegten Leinenverbände und versorgte seine Hand, dann lächelte er. Sie hatte ihn erhört und sie würde ihn zurück bringen, oder seinem Leben ein Ende setzen. So, oder so, es würde ein Ende haben.
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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Re: Nebel
« Antwort #8 am: 16. Nov 10, 00:25 »
Blinzelnd blickte Kassandra in den Nebel vor sich.
Langsam reckte sie den Hals von Seite zu Seite und lockerte den vom langen Knien verspannten Körper.

Eins muss man dem Bauern lassen... mit ihm wird es nie langweilig...

Sie erhob sich und kehrte in ihr Lager zurück, wo sie von den Kriegern bereits erwartet wurde. Mehr als einer sah betreten zu Boden, als er das seltsame Lächeln in ihrem Gesicht sah. Keiner von ihnen war ein Feigling, aber man musste sich bei Blitz und Donner nicht auch noch mitten aufs Feld stellen.

"Ich werde euch für einige Zeit verlassen. Ich übertrage Jevgeni Krummbein die Führung über unsere Krieger bis ich zurück kehre."
Keiner der Männer stellte dies in Frage. Krummbein war ein vernarbter Priester, dessen Dienst an Tior bereits seit Jahrzehnten andauerte, zwei davon an Kassandras Seite.

"Tiors Segen über euch, Krieger. Vergesst niemals, wir sind Blut! Kampf! und Ehre!"
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