"VERDAMMT!" brüllte es in einer Kammer, unweit der eigentlichen Küche. "Das blöde Ding muss doch irgendwo sein..."
Seit sie von den Yorks zurück waren, vermisste Emilija ihr kleines Notizbuch. Sie hatte sich den Valkensteinern solange angeschlossen, bis Jelena Zeit für sie hätte. Als sie Jelena zuletzt in Brega endlich wieder traf, wirkte sie seltsam verschlossen - selbst dafür, dass sie Emilija kaum kannte. So blieb ihr nichts anderes übrig als abzuwarten, bis ihre neue Meisterin für sie Nerven hatte. 2 Jahre waren seit Andrejs Unfall vergangen - auf ein paar Monate kam es nun wirklich nicht an. Außerdem gab es ja noch Emilijas geliebtes Selbststudium. Wenn sie doch nur dieses verfluchte Buch fand!
Seufzend ließ sie sich auf ihre Pritsche nieder. Ihre Kammer war jetzt nicht die Reinkarnation der Gemütlichkeit, aber angesichts dessen, dass sie in unmittelbarer Reichweite zur Küche lag, ließ sich darüber schnell hinweg sehen.
Sie brauchte eh nicht viel. Ein Bett, einen Schreibtisch, ein Fenster zum lüften... Und vielleicht noch einen Schrank fürs Gerümpel, dass nicht offen herum stehen sollte.
Aus einer Tasche am Boden lugte ein Lederriemen hervor. Sie beugte sich vor, und zog ihn heraus. Ein Stich fuhr ihr durchs Herz, als sie daran dachte, was einst an dem Riemen hing. Als hätte es nicht gereicht, dass diese Vagabunden fast ihre ganze Ausrüstung zertrampelt und ihre zwei über alles geliebten Stuten geraubt hatten. Dass sie in dem Gefecht das Medaillon verloren hatte, würde sie sich selbst nur schwer verzeihen. Wie soll ich es nur Andrej je erklären? Es hat noch nichtmal mir gehört...
Mit einem Schwung kippte ihre Stimmung nun endgültig.
Sie hatte Jelena gefunden - ja. Aber war es das alles wert? Engonien. Das klang immer so groß und toll und fortschrittlich. Aber es war so fremd. So unpersönlich. Niemand, den sie kannte. Niemand, bei dem sie das Gefühl hatte, vertrauen zu können. Würde sie Jelena vertrauen können? Würde Jelena ihr vertrauen? Was ist, wenn Jelena doch nicht ihre Ausbildung übernimmt? Wo soll sie dann hin? Zurück nach hause?
Die Valkensteiner hatten ihr Geleit und nun Obdach gewährt. Und doch fühlte sie sich hier nicht willkommen. Obrigkeiten und Militär - Hier schien es notwendig. Aber verstehen tat sie es dennoch nicht so ganz. Sie beobachtete die Appelle im Hof, die Befehle. Auch wenn sie es niemals laut aussprechen würde, es amüsierte sie, wie Robert oder Ser Gerhardt Befehle brüllten und die Rekruten wie die Ameisen loswuselten. Sie würden von den Mauern hüpfen, würde es wer befehlen. Niemand würde sie zu solch blindem Gehorsam bringen.
Emilija rollte sich auf ihrer Pritsche ein, das Band immer noch in der Hand. Es war schwer, sich nach außen nichts anmerken zu lassen. Aber das Heimweh wurde immer größer. Sie würde so gern mit jemandem darüber sprechen, aber Jelena riet ihr, den Valkensteinern nichts über ihre Herkunft zu erzählen, solange sie es nicht selbst erkannten. Warum sollte sie sowas sagen, wenn es nicht einen Sinn hätte? Wenn sie nur wüsste, warum. Es gab nichts schlimmeres, als Dinge, die sie nicht verstand.