Autor Thema: Einwände  (Gelesen 9416 mal)

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Re: Einwände
« Antwort #15 am: 01. Jul 15, 23:22 »
Als Stella am nächsten Morgen auf dem Hof auftauchte, fand sie Vanion nicht vor. Der steckte auf einer Weide und begutachtete ein totes Kalb, das irgendein Tier gerissen hatte. Mit einem Schulterzucken nahm er den Kadaver auf, irgendetwas würde sich gewiss noch verwerten lassen. Als er in die Gegend des Hofes kam, stutzte er - schon von weitem sah er ein Pferd, aufgezäumt und leicht bepackt. Besuch? Er schritt schneller aus. Das Kalb gab er Tom, der Kleine machte sich schon gut und würde auch damit zurecht kommen. Dann wusch er sich rasch ein wenig und machte sich auf den Weg in die Küche, wo seine Mutter oder seine Schwester den Besuch gewiss untergebracht hatten.

Als er den Raum betrat, trat ein Lächeln auf sein Gesicht. "Stella! Wie schön, dich zu sehen!" Er machte einige Schritte auf sie zu, dann hielt er inne - er hatte keine Ahnung, weshalb sie hier war, und auch nicht, was sie von ihm hielt. So einfach war es offensichtlich gar nicht, in ein altes Leben zurück zu kehren.
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Offline Sandra

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Re: Einwände
« Antwort #16 am: 02. Jul 15, 08:56 »
Stella war nett von der Familie von Vanion begrüßt worden und hatte sich ihnen vorgestellt. In der Küche hatte man ihr frische Milch angeboten, die sie gerne angenommen hatte. Inzwischen hatte sie also mitbekommen, dass Vanion tatsächlich wieder hier war und auf dem Hof arbeitete.

Als er herein kam und lächelnd auf sie zu schritt wollte sie sich gerade erheben, um ihn zu begrüßen, hielt dann aber plötzlich inne.
Sie konnte sich denken, dass er unsicher war, wie sie darauf reagieren würde, ihn hier zu treffen, also stand sie auf, lächelte zurück und machte die verbliebenen Schritte auf ihn zu, um ihn zu umarmen.
Da sie keine Ahnung hatte, warum er nun hier war, wollte sie sich das lieber von ihm erzählen lassen.
"Hallo Vanion, ich freue mich auch, dich zu sehen. Aber... Was machst du hier? Ich dachte schon, ich hätte mich verhört, als ich ein bisschen Tratsch in der Schenke aufgeschnappt habe. Beim Namen Bachlauf bin ich hellhörig geworden und wollte mich persönlich überzeugen."
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Offline Vanion

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Re: Einwände
« Antwort #17 am: 02. Jul 15, 11:58 »
Kurzerhand setzte sich Vanion hin. Lieber kurz und schmerzlos.
"Ja. Ich hab Lorainne verlassen und auf meinen Stand verzichtet." Ich hab den Schwanz eingekniffen und bin davon gerannt.
"Ich konnte mich nicht überwinden, meinen eigenen Onkel zu töten. Noch weniger wollte ich mich auf Savarics Seite schlagen und gegen Lorainne arbeiten. Fort zu gehen schien mir der einzige Ausweg zu sein."

Gespannt sah er Stella an. Er schätzte sie als eine rationale Person ein, die mit ritterlichen Ehrbegriffen nicht allzuviel anfangen konnte. Würde sie ihn verurteilen? Nervös kaute er an einem Fingernagel. Gewiss würde sie, die soviel für Lorainne riskiert hatte, seine Handlung als Verrat an La Follye ansehen. Yorik war einfach gewesen. Der war naiv genug, über die Realität hinweg zu sehen. Yorik hatte gar nicht daran gedacht, dass Vanion für Lorainne eine Stütze gewesen war und auch ein zentraler Teil des Plans, Savaric zu besiegen.

Plötzlich wünschte der ehemalige Knappe sich, bessere Gewänder zu tragen als die grobe Tunika und die Leinenhose. Ihm war es fast peinlich, dass unter seinen Fingernägeln Dreck von der Feldarbeit hing; und auch der stoppelige, unregelmäßige Dreitagebart und der Schmutz an der Hose fielen ihm nun plötzlich auf. Ironischerweise stand Stella gesellschaftlich nun weit über ihm - sie war eine anerkannte Schülerin der Akademie zu Ayd'Owl, Vanion war nur ein Bauer.
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Offline Sandra

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Re: Einwände
« Antwort #18 am: 02. Jul 15, 13:10 »
So wenige Worte über so viel Herzblut?...

Stella sah Vanion aufmerksam an und musterte ihn, seinen Gesichtsausdruck und versuchte eine Regung zu erkennen.

Sie ließ sich Zeit mit der Antwort und ging mit ihren Gedanken noch einmal die Ereignisse mit Lorainne und Vanion nach. Besonders die letzten, das Schützenturnier im Winter und Westmynd. Ja, Vanion hatte das mit seinem Onkel erwähnt und dass er hoffte, das Schwert nicht führen zu müssen. Und auch Stella war bei dem Gedanken nicht wohl, was tatsächlich auf La Follye passieren würde. Doch er hatte auch immer betont, dass dies nötig sei und auch explizit bei der Frage nach der Hilfe, das Gesicht des Widerstandes zu sein zugestimmt. Und jetzt sollte er sich das alles von heute auf morgen anders überlegt haben? Wo sie sich auf Westmynd doch noch so eng verbunden waren? Und jetzt brachte er kaum zwei Sätze dazu raus?

"Naja, das Thema stand doch schon länger im Raum und du hast schon immer gehofft, dass du nicht derjenige sein musst, der das Schwert führt und darüber schien man sich doch einig, oder? Aber was ist mit den ganzen anderen Plänen? Im Foret hast du noch zugestimmt, das Gesicht des Widestandes in La Follye zu sein, Lorainnes Hand - die, die sie dort nicht selbst führen kann. Du, ein Roquefort, der das Volk hinter sich schart. Was ist mit diesem Plan und Lorainnes Vorhaben?"
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Offline Vanion

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Re: Einwände
« Antwort #19 am: 02. Jul 15, 13:31 »
Vanion schüttelte den Kopf. "Das Gesicht des Widerstandes konnte nur jemand sein, der den Menschen Hoffnung gibt, ein Vorbild! Kein Mörder, niemand, der den eigenen Onkel erschlagen möchte. Die Menschen dort oben brauchen jemanden, zu dem sie aufschauen können, sie brauchen jemanden, der ihnen voran schreiten kann. Natürlich war ich prädestiniert dazu, diese Rolle zu spielen."

Stellas Worte trafen Vanion, und eine wirkliche Erwiderung auf ihre nüchternen Feststellungen hatte er nicht. All die Versprechungen und Pläne waren hinfällig, aufgegeben und verraten worden, weil er sich dafür entschieden hatte, nicht mehr gegen seinen Onkel vorgehen zu wollen.

"Dieser Plan ist hinfällig geworden. Er wurde es in dem Moment, als ich zweifelte, ob das, was ich tat, überhaupt richtig war. Als Knappe und als Ritter muss man loyal sein, La Loyalité ist eine Tugend meines.. des Standes. Man soll treu zu seinem Eid stehen, treu zu seiner Familie, fidèle aux dieux et de l'Impératrice. Wäre ich bei Lorainne geblieben, hätte ich meine Ideale beschmutzt und Blut an meinen Händen gehabt - das Blut meiner Familie. Nun, da ich ihre Dienste verlassen habe, sind meine Ideale genauso beschmutzt - aber es klebt kein Blut an meinen Händen. Was immer nun passiert, ob Lorainne Savaric besiegt oder bei dem Versuch stirbt - es ist nicht in meinen Händen. Es ist nicht meine Verantwortung, und es ist auch nicht meine Schuld."

Er ließ die Schultern hängen. Seine Worte klangen selbst für ihn hohl. Egal, aus welchen Motiven er gehandelt hatte, feige war es doch gewesen. Er wusste genau, aus zahlreichen Geschichten, dass der tragische Held sich dann eben versündigte. Der Bruder, der den Bruder erschlug, war oft ein Thema in caldrischer Literatur gewesen. Und er wusste nur allzu gut, dass Savaric zwar sein blutsverwandter Onkel war, Vanion ihn aber nie kennengelernt hatte. Sein Onkel hatte ihm nach dem Leben getrachtet und tat es vermutlich noch immer. Aber nur weil Savaric so ist, muss ich nicht auch so sein!
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Re: Einwände
« Antwort #20 am: 02. Jul 15, 21:02 »
"Tja, das scheint wohl allgemein das Problem bei Rittern und Knappen zu sein - alle Eide zu halten erscheint mir bei euch manchmal unmöglich. Es gibt so viel Raum für Konflikte zwischen all euren Tugenden und Schwüren... Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich da keine Details mitbekomme. Aber wo wir schon bei Versprechen sind - ich dachte in Westmynd hattest du bei Silas' Tod noch etwas in der Richtung versprochen? Entschuldige die vielleicht etwas plumpe Frage, aber ich war nicht dabei..."
Sie strich sich eine Haarsträhne zurück hinters Ohr und sah Vanion direkt an.

"Ich kann verstehen, dass man keine Unschuldigen töten will, aber was für dich den großen Unterschied macht, ob es Familie ist oder nicht verstehe ich nicht... Zumindest, wenn es niemand ist, der einem nahe steht. Mir würde es viel schwerer fallen, aus irgendwelchen Gründen Waffen gegen meine Freunde zu richten als irgendeinen Onkel, den ich nicht mal kenne und der solche Dinge tut. Und seit wann wolltest du Savaric töten? Wenn es sich vermeiden lässt bin ich auch immer noch dafür, dass man ihn nicht tötet."
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Offline Vanion

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Re: Einwände
« Antwort #21 am: 02. Jul 15, 23:49 »
Wie sollte er Stella darlegen, weshalb er sich so entschieden hatte? Indem du einfach erzählst, wie du gefühlt hast, und immer noch fühlst. Wenn sie es nicht versteht, nun.. dann hast du wohl einen Freund weniger.

"Ich habe geschworen, dass Silas' Tod nicht umsonst war. Dass ich sein Opfer niemals vergessen werde, und versuchen werde, ein so guter Mann zu sein, wie ich nur kann, um ihn zu würdigen." Ein langes, bedrücktes Schweigen folgte diesen Worten. Vanion wusste nur zu gut, dass er Silas' Opfer nicht ehrte, indem er hier Felder beackerte und Vieh hin und her trieb. Aber welche Möglichkeiten hatte er nun noch? Doch Stella hatte noch einen weiteren Satz gesagt, und der war gewohntes Terrain. Er hatte sich so oft erklärt, gegenüber Ysander in Westmynd zuletzt. Die Worte kamen fast von selbst von seinen Lippen:

"Der Anspruch auf Roquefort, auf das Lehen, das momentan in Savarics Händen ist, kommt durch meine Geburt. Mein Stand kommt durch meine Geburt. Meine Rechte und meine Pflichten kommen durch meine Geburt. Alles, was einen caldrischen Ritter ausmacht, wird ihm in die Wiege gelegt. Als die Baronin von Goldbach mich kennenlernte, würdigte sie mich keines Blickes. Ich war ein tangaranischer Bauer, Schmutz an Lorainnes Rocksaum, aber als sie erfuhr, dass ich ein Roquefort war, da sprach sie mit mir. Ließ mir Kleider anfertigen, versorgte mich in ihrem Haus. Verstehst du? Jedes Recht und jedes Privileg meines Standes hab ich nur durch meine Geburt inne gehabt. Und wenn meine Geburt mir solche Rechte gibt, dann muss ich auch die Pflichten ernst nehmen. Dann sind die Verwandten des Mannes, der mich gezeugt hat, auch die meinen. Mit allen Rechten, die es mit sich bringt - und mit allen Pflichten. Savaric zu töten, im Grunde selbst nur gegen ihn zu arbeiten, wäre ein Verrat an meinem Blut. Es sei denn, er wäre verurteilt, gerichtet für das, was er getan hat. Doch am Ende ging es nicht mehr darum, Beweise für seine Schuld zu finden, oh nein. So richtig tat es das nie. Wie auch, wenn jemand über ein Jahr gefangen gehalten und gefoltert, seine Seele zersplittert und sein Körper zerschlagen wird? Genau das ist Lorainne geschehen durch Savarics Hand und durch seine Helfer."

Ein verbitterter Ausdruck trat auf Vanions Gesicht.
"Lorainne - sie war nicht irgendjemand für mich, nein. Sie war mein Vorbild, eine leuchtende Fackel der Ritterlichkeit! Doch je besser ich sie kennenlernte, je mehr Zeit ich mit ihr verbrachte - seit ihrer Entführung kannte sie kein Maß mehr. Sie tötete Alain, Silas' Bruder - er wollte fortlaufen im Forêt d'Artroux, er wollte niemandem folgen, der einen Roquefort als Knappen genommen hatte. In Reichsfeld folterte sie Gefangene. Savarics Tochter, Leah, ist seit Jahren in ihrer Hand. Ich weiß nicht, ob sie immer noch so denkt, doch sie sprach davon, die Tochter gegen den Vater einzusetzen. Kannst du dir das vorstellen? Und auf dem Fest der Grenzen, oben in Salmar, als dieser Kerl sie vergiftet hatte - sie verzieh ihm, weil sie Informationen brauchte. Und doch war Lorainne wie eine Mutter und eine Tochter für mich.   Ich bin ihr gefolgt, hab keine ihrer Entscheidungen in Frage gestellt. Aber grade in den letzten Monaten sagte ich nur allzu oft: 'Es steht mir nicht zu, etwas in Frage zu stellen.' Ich versteckte mich hinter meinem Dasein als Knappe. In Salmar hat sie versucht, in den Ritualkreis einzudringen. Wer weiß, was das Anders..."

Anders. Mit Macht drängte Vanion seine Sorgen um sie beiseite. Sie hatte ein Talent, sich in Gefahr zu bringen, doch genauso hatte sie ein Talent, da wieder heraus zu kommen!

"Ich geriet ins Zweifeln. Ob es richtig war, Savaric zu töten, ob es richtig war, jedes Mittel dafür einzusetzen. Die Ideale, die mich überhaupt auf diesen Weg gebracht hatten, die waren allesamt beschmutzt. Mit Ehre und Gerechtigkeit hatte es nichts mehr zu tun. Nur noch mit Rache. Und so hab ich mich entschieden, nicht mehr weiter zu gehen. Ich konnte nur Lorainne in den Rücken fallen und für Savaric kämpfen - oder aber meinen Onkel umbringen, mein eigen Fleisch und Blut, dem ich zu Treue verpflichtet bin. Lorainne nicht zu verraten, gebot mir die Ehre, und Savaric zu schonen, die Geburt. Also was tun? Allein eine Lösung ist geblieben: dass ich gehe."

In diesen lapidaren letzten Worten lag eine Bitterkeit, die Bände sprach.
« Letzte Änderung: 03. Jul 15, 00:02 von Vanion »
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Offline Sandra

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Re: Einwände
« Antwort #22 am: 04. Jul 15, 22:07 »
Stella war sichtlich schockiert von Vanions Vorwürfen gegen Lorainne, die gleich so zahlreich waren.
Sie schluckte schwer und atmete tief ein.

"Weißt du Vanion, wenn es so ist wie du sagst... Kann ich dich verstehen... Und kann es gleichzeitig nicht. Blut macht dich vielleicht zu einem Ritter - aber es ändert nichts daran, wer du in deinem Innersten bist. Alles was den Adel an einem Ritter interessiert mag dir deine Geburt geben - nicht das, was du daraus machst. Die Tugenden bekommst du nicht durch deine Geburt. Und du hast es auch ohne die Bekanntheit deiner Herkunft weit gebracht - als Sohn eines Bauern.
Ich kann verstehen, dass du nicht weiterhin damit argumentieren konntest, dass es dir nicht zusteht, etwas dazu zu sagen. Und ich kann verstehen, dass du Skrupel hast, ihn zu töten. Aber als ich dich in Westmynd habe verzweifelt um sie weinen sehen - wie kann dir da egal sein, was sie tut? Du sagst, es sei nicht deine Verantwortung oder deine Schuld. Nein, für die Taten wird sie selbst verantwortlich sein und ich weiß selbst noch nicht, was der richtige Umgang mit Savaric wäre. Was die Sache mit dem Herz dafür bedeutet. Darüber zermartere ich mir selbst schon seit einiger Zeit den Kopf. Was wäre, wenn Lorainne der Blutdurst übermannt - ob es richtig oder falsch wäre, sich in den Weg zu stellen.

Aber ich finde als eine der Personen, die ihr am nächsten stand hättest du nicht einfach gehen sollen. Du solltest derjenige sein, der ihr sagt, dass sie zu weit geht. Und ich finde, das ist deine Verantwortung.

Du sagst immer, es stand dir nicht zu, etwas zu sagen. Ja, so wie ich Schülerin bin und auf das höre, was Gorix sagt so folgst du dem, was Lorainne sagt. Das ist erst mal auch unsere Aufgabe, immerhin lernen wir von ihnen. Aber gleichzeitig habt ihr eine enge Verbindung zueinander, etwas wie Meister und Schüler unter Magiern würde ich sagen, und das ist etwas besonderes. Man verbringt sehr viel Zeit miteinander, viele private, gar intime Momente und man lernt den anderen sehr gut kennen."

Sie war zwar noch nicht Gorix' Schülerin, aber das war ihre Vorstellung einer solchen Beziehung wenn sie so an ihr Umfeld dachte und was sie so über Ritter und ihre Knappen gehört hatte. 

"Und in dieser Position passen sie üblicherweise auf uns auf und stellen sich schützend vor uns. Aber es gibt Momente, da müssen auch wir auf sie aufpassen. Und ich habe den Eindruck, das solltest du bei Lorainne gerade tun.

Ich kann mir vorstellen, dass das nicht einfach ist und dass es schwierig ist, dass sie dir zuhört. Aber ich finde, du solltest es immer wieder versuchen und zur Not müsstest du derjenige sein, der sie davon abhält ihn zu töten. Derjenige sein, der sie auch sonst an ihren Schwur erinnert, wenn du den Eindruck hast, dass sie vom Weg abkommt nach allem, was sie durchgemacht hat. Sie daran erinnert, dass sie besser ist als er und sich deshalb nicht zu solchem Handeln hinreißen lässt. Zumindest, wenn die Situation eine Festnahme zulassen sollte. Ich glaube, sie braucht dich jetzt mehr denn je."
« Letzte Änderung: 05. Jul 15, 09:09 von Sandra »
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Re: Einwände
« Antwort #23 am: 06. Jul 15, 00:17 »
Stellas letzte Worte trafen Vanion tief. Es tat ihm in der Seele weh, jedes einzelne Wort brannte wie ein glühendes Eisen in seinen Eingeweiden. Ohne es zu wissen, hatte die Magierin sehr genau getroffen.

"Aber so war es doch!", stieß er hervor, plötzlich laut. "Genau so war es! Ich lernte, sie lehrte, und doch hab ich sie genauso beschützt wie sie mich! Auf dem verfluchten Schützenturnier meines Onkels, wo wir alle fast gestorben wären, da rannte sie wie wild los, um Silas zu schützen. Sie brüllte mir, selbst verwundet und blutbespritzt, zu, Silas in Sicherheit zu bringen, und wider alle meine Instinkte hab ich Silas gepackt und fortgezerrt. Ich sah sie fallen, weiter vorn, und wurde selbst niedergestreckt! Ich wusste genau, für mich und für Silas und für viele andere würde sie alles geben. Sie HAT alles gegeben! So wie jeder von uns für sie! Ich dachte, ich würde dieser Frau folgen, und wenn es meinen Tod bedeutete. Wenn es Folter bedeutete. Ich dachte, ich würde jeden Preis für sie zahlen."

Aber weil du einen Verbrecher, einen Folterknecht, Mörder und Szivarspaktierer nicht töten willst, hast du sie verraten. Es klang hohl, so unendlich hohl und leer. Stellas Worte nagten an ihm wie Ratten an einer Leiche. Als ob sie ihn vor Gericht stellen würde. Niemals tut sie das! Sie hat nichts gegen ihn in der Hand, und wenn er freigesprochen würde.. nein! Vanion war felsenfest davon überzeugt, dass Lorainne nicht das geringste Risiko eingehen würde, dass sein Onkel mit heiler Haut davon kam.

"Ich bin fortgelaufen. Nennen wir's beim Namen. Ich hab den Schwanz zwischen die Beine geklemmt und bin gerannt."
Er spie diese Sätze aus mit einer Bitterkeit, wie Stella sie noch nie gehört hatte.
"Ich musste mich entscheiden und hab diese Entscheidung lange und immer wieder herausgezögert. Selbst wenn es eine falsche Entscheidung war und ich zurück wollen würde - ich hab jedes Recht auf einen Platz in Lorainnes Reihen verwirkt. Ich hab Eide geschworen und gebrochen. Silas hat sein Leben für mich gegeben, und ich spucke durch mein Verhalten auf dieses Opfer. Und doch kann ich nicht anders handeln, als ich es getan habe!"

Er versuchte, es zurück zu halten. Er wollte nicht weinen, wollte nicht schwach und selbstmitleidig erscheinen. Doch in ihm steckten nach wie vor die Ideale, die er stets versucht hatte, hoch zu halten. Sein Ehrgefühl verbot ihm, hier ein friedliches Leben zu führen. Seine Loyalität ließ ihn hoffen und beten, dass Lorainne und den ihren kein Leid geschehen würde. Doch vor allem warf er sich selbst vor, feige gehandelt zu haben. Immer wieder rief er sich ins Bewusstsein, dass es richtig gewesen war, zu gehen! Wie konnte er Ritter sein, wenn er seinen Onkel tötete? Alles, alles hatte er aufgegeben, um das Leben eines Mannes zu schonen, den er nie kennengelernt hatte. Eine einzelne Träne rann über seine Wange. Mit einer abrupten Bewegung wischte er sie weg.

"Es gibt keinen Weg zurück. In dem Moment, als ich mich entschied, zu gehen, war es vorbei. Der einzige Weg, der für mich nach Caldrien führt, ist der an die Seite Savarics. Nur so würde ich meinen Platz als Roquefort einnehmen. Und auf dieses Vermächtnis spucke ich, dreifach."
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Re: Einwände
« Antwort #24 am: 13. Jul 15, 13:04 »
"Dass du diese Wahl überhaupt in den Mund nimmst... " Ihre Stimme klang resignierend, traurig und dennoch nahm sie ihn in den Arm. Er schien so hin und her gerissen mit seinen Gefühlen, nicht glücklich über seine Entscheidung aber dennoch davon überzeugt.
"Aber wenn es tatsächlich Beweise irgendwo für deine Abstammung gäbe - warum hättest du dann nur Ansprüche an Savarics Seite? Mal angenommen, Lorainne hat Erfolg und dieser Mann wird wirklich vor Gericht gestellt.
Es klingt allerdings eh so, als könnte man dich nicht umstimmen - dafür bin ich allerdings auch gar nicht hier. Das müsste eh von dir kommen. Ich kann nur Fragen stellen und dich ggf. zum Nachdenken bringen. Und mir deine Sicht erzählen lassen. Dennoch denke ich, dass du besser mit ihr geredet hättest statt einfach nur wortlos zu verschwinden."
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Re: Einwände
« Antwort #25 am: 13. Jul 15, 22:20 »
"Was auch immer. Die Entscheidung ist gefallen."

Unwirsch wandte Vanion sich ab.

"Mit den Konsequenzen müssen wir alle leben, nicht nur ich. Auch Lorainne. Du entschuldigst mich gewiss, ein Hof pflegt sich nicht von alleine."
Er verließ den Raum, ohne auch nur einen Blick zurück zu werfen. Stellas Bemühungen waren nur zu verständlich, aber ein totes Pferd konnte man nicht reiten.
Und Stellas Worte enthielten einen versteckten Vorwurf. Einen Vorwurf, den er auch sich selbst machte, doch hatte er genug zu tun und konnte solche Gedanken nicht brauchen.

Er hoffte nur, dass sie bei seiner Rückkehr nicht mehr anwesend wäre.
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Re: Einwände
« Antwort #26 am: 14. Jul 15, 01:33 »
Damit sie einfach so stehen zu lassen hatte Vanion Stella mehr getroffen als ihm vielleicht klar war und Wut brandete in ihr auf über sein verächtliches Verhalten ihr gegenüber.

Die ganze Zeit hatte sie ihm zugehört, ihn nicht für sein Verhalten vorverurteilt und war daran interessiert gewesen zu verstehen.
Dass er sich wohl entschieden hatte und sie das erkannt und seine Gründe hingenommen hatte war jetzt keine drei Sätze her.
Ein "lass uns bitte nicht mehr davon sprechen" oder jede vergleichbare Aussage wäre für sie also vollkommen akzeptabel gewesen. Aber nicht sie einfach so dumm hier stehen zu lassen wie bestellt und nicht abgeholt.

Unbewusst ballte sie die Hand zu einer Faust und die Knöchel traten weiß hervor, ihr Blick verfinsterte sich augenblicklich als Vanion Anstalten machte, den Raum zu verlassen und jede Freundlichkeit, jedes Lächeln war restlos aus ihrem Gesicht und ihren Augen verschwunden und sie spürte ein leichtes Kribbeln auf der Haut.

Mit großen Schritten setzte sie ihm nach und hatte ihn schnell eingeholt. Mit einer Hand griff sie nach seinem Arm, packte ihn, drehte ihn zu sich und sah ihm mit eisigem Blick in die Augen, den Vanion von Stella so vermutlich noch nie gesehen hatte. "Wenn du meinst, dass das hier ab jetzt alles ist, was dich interessiert. Aber du hältst es nicht mal für nötig, mich anständig zu verabschieden? Deine Manieren hast du dann wohl gleich mit in Caldrien gelassen?!"
Mit diesen Worten ließ sie seinen Arm wieder los und funkelte ihn weiter an.
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Re: Einwände
« Antwort #27 am: 14. Jul 15, 08:44 »
Als sie ihn an der Schulter packte, war sein erster Reflex gewesen, zuzuschlagen. Dann meldete sich sein Verstand wieder zu Wort und ließ ihn inne halten.

"Ich hab einfach genug Abschiede in der letzten Zeit gehabt. Yorik war auch hier, weißt du? Meine Tage mit euch allen sind vorbei. Ich hab immer gedacht, dass ich dazu bestimmt bin, ein Ritter zu werden, und das hat sich schlichtweg als falsch heraus gestellt. Die Götter haben mich geprüft, so wie sie Lorainne und Yorik und Anders und auch dich geprüft haben, und ich hab diese Prüfung nicht bestanden. Die Götter sind gnädig, mir eine wundervolle Familie gelassen zu haben. Da siehst du, wie wichtig Blutsbande sind."


Resigniert schüttelte er den Kopf.

"Lass uns ein paar Schritte gehen. Hier drinnen fällt mir grade die Decke auf den Kopf."

Zögerlich zwar, und immer noch sichtlich wütend, folgte Stella ihm nach draußen. Ohne viel zu reden schlug Vanion eine Richtung ein, die sie weiter weg von Fanada bringen würde. Ein Weg, der durch ein Wäldchen führte, in dem Vanion in seiner Kindheit oft Stöcke aufgehoben hatte und damit auf Büsche und Bäume eingedroschen hatte.

Irgendwann wurde die Stille unterbrochen.
"Du hast Recht, ich hätte dich nicht so behandeln sollen. Das hast du nicht verdient. Ich möchte einfach nicht an die Zeit erinnert werden, die zwar schrecklich und traurig war, aber auch voller Freude, Lachen und Frohsinn! An Lorainnes Seite hab ich das Leben so intensiv gespürt wie nirgends sonst. Ich war jemand, kein niemand. Nun bin ich wieder ein niemand. Zwar hab ich die ein oder andere Geschichte zu erzählen, aber es ist nicht die eines strahlenden Heldens.

Also. Ich bin gegangen, fortgelaufen. Ich hab mich von niemandem verabschiedet, und dabei möchte ich es auch belassen. Ich habe eine einzige Rechnung nicht beglichen. Silas gab sein Leben für mich und ich schwor, dass er das nicht umsonst getan hat. Hier bleibe ich nur solange, bis der Hof in guten Händen ist. Zwei meiner Schwestern heiraten, und sie und ihre Männer können bei der Arbeit wirklich helfen. Meine Tochter wächst und wächst, noch zwei, drei Jahre und sie kann in der Küche helfen. Lange wird es mich hier also nicht halten. Vielleicht verlasse ich Engonien und bereise die Welt. Es gibt überall Gelegenheiten, Gutes zu tun, für Schwache einzustehen und Silas' Andenken zu ehren."
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Re: Einwände
« Antwort #28 am: 14. Jul 15, 14:35 »
Stumm war Stella Vanion hinaus gefolgt und neben ihm her gegangen und langsam legte sich auch ihre Wut wieder. Auch ihr tat es gut, wieder draußen zu sein, während sie bewusst atmete und ihm zuhörte.
Die Sonnenstrahlen fielen durch das Blätterdach des Waldes und malten Bilder aus Sonne und Schatten auf den Waldboden vor ihnen.

Zumindest wusste ich doch, dass es dich vermutlich nicht dauerhaft hier halten wird, was auch immer du danach vor hast..

Als er geendet hatte nickte sie bloß.

"Ich finde Erinnerungen wichtig. Sie helfen dabei, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, auch wenn wir die Richtung ändern und bewahren vor Fehlern genauso wie schöne Erinnerungen uns Mut und Kraft geben können.

Und was Abschiede angeht... Ich verstehe dein Problem nicht damit, sich alles Gute für die Zukunft zu wünschen und dass sich vielleicht die Wege noch einmal kreuzen werden. Genauso wie ich gerne immer mal wieder bei dir vorbei schaue, wenn ich in der Stadt bin, falls du das willst. Falls du aber unter alle Bekanntschaften und dein früheres Leben einen Strich ziehen willst, steige ich gleich am Hof einfach aufs Pferd und bin weg."
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Re: Einwände
« Antwort #29 am: 14. Jul 15, 17:52 »
"Ich möchte keinen von euch missen. Aber ich kann Lorainne wohl kaum wieder unter die Augen treten, und ich glaube, auch andere sind enttäuscht von mir. Eine Entscheidung zu treffen heißt nicht, dass sie einem gefällt. Im Gegenteil."

In ihrem Blick schien eine Art Bestätigung zu liegen, als er sie genauer ansah. Hatte sie geahnt, dass er auf lange Sicht nicht vorhatte, auf dem Hof, der nun ihm gehörte, zu bleiben? Ein saurer Bäcker backt stets saures Brot, so etwas hatte auch Yorik gesagt. So oder so, Stella hatte Vanion mit der Nase auf einen Gedanken gestoßen, den er bisher nicht wirklich bedacht hatte: Roquefort und das Rittertum waren ihm verwehrt, diese Tür hatte er selbst zu geschlagen. Doch seine Freunde mochten seine Entscheidung vielleicht verstehen.

Im Grunde verurteilte Vanion sich hart dafür, Lorainne und auch Anders im Stich gelassen zu haben. Er hatte schlicht ein schlechtes Gewissen, obwohl er sich immer und immer wieder sagte, dass es die richtige, die einzig richtige Entscheidung gewesen war. Er war geflohen, und zwar dorthin, wo er stets Sicherheit hatte und wo niemand ihn hinterfragte: zu seiner Familie. Hier hatte er ein Ziel, einen Lebenssinn.
Vanion fürchtete den Zorn eines Damian, und noch mehr den eines Gorix', wenn dieser erfahren würde, wie leichtfertig Vanion Silas' Opfer beschmutzt hatte. Zwar hatte er vor, das Opfer des Mannes aus La Follye zu ehren, so gut er konnte, doch war Vanion sehr genau klar, dass Silas' sich kaum für ihn persönlich oder für irgendwelche obskuren Heldentaten in der Zukunft geopfert hatte - sondern für La Follye.

Ich wäre wahrhaftig für sie gestorben. Doch für sie töten, das konnte ich nicht.

"Ich möchte keinen Strich unter mein früheres Leben ziehen. Ich habe so vielen von euch so Vieles zu verdanken. Wir haben gemeinsam so viel erreicht in den letzten Jahren, nicht nur im Kleinen, auch im Großen! Darunter kann ich keinen Schlussstrich ziehen, selbst wenn ich wollte. Ich bin kein dämlicher Barde, der Freibeuter werden möchte, nein. Ich hab einfach Angst davor, dass ihr alle mich nun als Feigling anseht. Als jemanden, der seine Eide bricht."
« Letzte Änderung: 14. Jul 15, 17:57 von Vanion »
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