"Das bedeutet mir alles."
Vanion schüttelt den Kopf.
"Ich fürchte, ich hab einfach zu lange gebraucht, um manche Dinge zu lernen. Das Rittertum, wie ich es mir vorstelle, existiert nicht. Das, was Lorainne über die letzten Jahre getan hat, vorgelebt hat, war ritterlich! Aber es hatte wenig mit dem Stand, mit der Politik, mit den Loyalitäten zu tun, die damit einhergehen. Simon ist ein ums andere Mal im Zwiespalt zwischen zahlreichen Verpflichtungen gewesen.
Aber ich wollte immer ein Ritter sein, verflucht! Ein Held, ein besungener Held, dessen Geschichte erzählt wird an Lagerfeuern nah und fern! Stattdessen hab ich's zum Eidbrecher und Onkelmörder gebracht."
Nun muss Vanion selbst grinsen, auch wenn es ein perfides Grinsen ist.
"Immerhin hab ich mir einen gewissen Ruf erkämpft, nicht wahr? Es ist im Grunde egal, was andere von einem halten, das weiß ich nun. Der Ritterstand ist nichts anderes als eine Erwartung, die bestimmte Leute an einen haben. Den Idealen, und seien es auch überhöhte Ideale, dieses Standes zu folgen - das kann man auch, ohne Eide zu schwören. Das Richtige tun ist nicht immer leicht, weder das Richtige für einen selbst, noch das allgemeingültige Richtige. Könnte ich den Ritterschwur leisten? Nein. Wem soll ich meine Treue schwören? Wer hat meine Loyalität verdient? Die Königin Loenna von Donnerheim, die damit liebäugelt, Engonien in den nächsten Krieg zu stürzen? Die Herren in Middenfelz, die vor gar nicht langer Zeit noch blau und schwarz trugen und den Namen des falschen Kaisers auf ihren Lippen trugen? Oder doch jemand wie Algonkin, ein Mann, der Engonien zwar in Freundschaft verbunden sein mag, am Ende aber doch kein Engonier ist? Ich liebe meine Heimat! Und ich dachte immer, hier würde ich irgendwann ein Ritter sein, auf einem Pferde reiten, mein Banner in Turneien mit Ehre bedecken und irgendwann eine Dame zur Königin der Schönheit küren!"
Vanions Augen glänzen. Kadegar kann erkennen, dass Vanion mit dem Rittertum immer zwei Dinge verbunden hat: zum Einen das Dasein als Held, als strahlender Krieger, der von allen bewundert wird - und zum Anderen das tapfere Erfüllen der eigenen Pflicht, das Gute zu tun. Doch Vanion weiß nun, dass das Rittertum viel mehr mit schnöder Politik, mit lokalen Herren und kleinlichem Gezänk zu tun hat. Der ehemalige Knappe hat eine verklärte Sicht auf diesen Stand gehabt. Nun ist der Vorhang aus Illusionen und Träumen zerstört.
"Seit dem Ende des Bürgerkrieges bin ich einem Traum hinterhergelaufen. Einer Illusion. Nun, da die Vorhänge gefallen sind, suche ich nach dem, was von dem Mann bleibt, der Ritter werden wollte. Ich kenne meine Fähigkeiten, das wohl! Nur meine Bestimmung muss ich noch finden. Und da ist es an mir, einen Fuß vor den anderen zu setzen, nicht wahr? Nur ich kann den Weg gehen, der vor mir liegt, niemand sonst. Und wenn ich den Weg nicht kenne, dann heißt das noch lange nicht, dass ich nicht einfach stur gradeaus weiter gehen kann!"