Voranenburg war eine lebendige Stadt von einigen tausend Einwohnern, mit großen Märkten und zahlreichen Gasthäusern für Händler und Reisende. In diesen Tagen aber platzte auch diese Stadt aus allen Nähten und die Gasthäuser waren voll vom Gefolge der Adeligen, welche in der Burg Voranenburg untergebracht waren. Vor den Toren der Stadt und entlang der Straßen waren viele Zelte aufgebaut, nahe der Tore die Zelte von Händlern und weiter weg davon fahrendes Volk. Die gräfliche Garde hatte alle Hände voll damit zu tun, Ordnung zu halten. Nichtsdestotrotz war die Stimmung fröhlich. Die letzte Hochzeit in Voranenburg war die der Grafentochter Irmgard gewesen, eine politische Ehe mit einem Offizier des Lupus Umbra, der letztlich vom Grafen selber getötet wurde. Irmgard war inzwischen eine Ritterin Tiors, die Enkel des Grafen noch einige Jahre entfernt davon, selber zu heiraten.
Die Lichttaler Gesandtschaft wurde am Tor von Gardisten empfangen und ihr Weibel, eine Frau, die die Wappen der geladenen Gäste kannte, schickte sie mit zwei Gardisten sofort zur Burg weiter. Auf dem Weg durch die Gassen der Stadt sah man die Vorbereitungen der Bevölkerung, bis hin zu geschäftstüchtigen Händlern, die mit Sonnen und Kirschblüten bestickte Schärpen verkauften. An mehreren Häusern wurden bemalte Stäbe angebracht, die in die Straße ragten. Auf Nachfrage eines Gefolgsmannes von Klara erklärte einer der Gardisten, dass am Festtag an diesen Stäben Banner und Stoffbahnen angebracht würden.
Das Ziel der Gesellschaft, die Burg des Grafen von Voranenburg lag auf einem Hügel inmitten der Stadt. Der Kern der Burg, bestehend aus grauen Granit und Feldsteinen, stand schon seit fast 400 Jahren. Die Herren der Burg hatten über die Jahre hinweg den ursprünglichen Bergfried erweitert und verstärkt und heute war die alte Burg ein trutziges Mal der Macht des alten Voranenburger Geschlechts.
Lange aber hatte das Gemäuer nur Frieden gekannt, der Kampf mit den Lupus Umbra vor ein paar Jahren war eine seltene Ausnahme gewesen. Nichtsdestotrotz wurde die Burg auch in diesen Tagen von den Gardisten des Grafen bewacht, die mit Piken, schweren Gambeson und Eisenhüten durchaus formidabel aussahen.
Die begleitenden Gardisten sprachen kurz mit dem Hauptmann der Torwache. Die Gesellschaft wurde schnell auf den Hof gelassen und ein Page eilte zu ihnen. Während Stallknechte sich um die Pferde kümmerten, führte der Page die Gräfin und ihre Gesandtschaft in eine kleine Zimmerflucht im Wohnanbau. Dort erhielten sie die Möglichkeit, von der Reisekleidung in Hofkleidung zu wechseln und sich vorzubereiten.
Nachdem die Gesandtschaft präsentabel war, wurden sie vom selben Pagen wieder zum Bergfried geführt. Ein Herold kündigte sie an und die Gesandtschaft betrat die große Halle. An der Balustrade hingen die Banner Voranenburgs, eine goldene Waage auf grünem Grund und an den Wänden standen Tische und Bänke für Bankette bereit. Am Ende der Halle stand auf einer kleinen Plattform ein verzierter Stuhl, ebenfalls verziert mit dem Wappen Voranenburgs. Auf dem Stuhl saß ein älterer Herr von vielleicht 60 Jahren, neben ihm auf einem kleineren Stuhl eine ungefähr gleichalte Frau. Rechts von ihm stand ein grauhaariger Mann, gekleidet mit den Farben Voranenburgs, mit denselben Zügen wie Graf Heinrich. Links von dem Grafenpaar stand Damian. Als Gräfin Klara die Mitte des Raumes durchschritten hatte, standen Heinrich und Katharina auf. Sie warteten, bis sich Klara auf Konversationsentfernung genähert hatte und dann ergriff der Graf das Wort. „Hochverehrte Gräfin! Ich freue mich, euch als geehrten Gast bei mir begrüßen zu dürfen. Mein jüngster Sohn hat viel Gutes über euch erzählt.“