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Der Tag des Wolfes - Jelena

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Luthor Kaaen:
Die Schere fiel laut scheppernd in die Messingschale zu den anderen Bestecken und Instrumenten, die in der schlierig roten Suppe, was einmal Essigwasser gewesen war, ihr Dasein fristeten. Er wandte sich zu den beiden bleichen Novizen um und gab ihnen mit einem Nicken zu verstehen, dass er die letzten Handgriffe der Behandlung übernommen und vollendet hatte. Ein letzter Druck seiner Finger an den Hals der besinnungslosen Frau um ihren Blutstrom zu kontrollieren, dann wandte er sich vom Tisch ab und fuhr sich durch Gesicht und seine Haare, welche nun in alle Richtungen abstand und ihn müde und verwirrt aussehen ließ, doch daran störte er sich nun nicht mehr. Warum auch? Überall auf dem mit Sand und Kräutern ausgestreuten Boden lagen Menschen in ihrem Blut, auf Leinentüchern, Lagern und lehnten an Wänden und Säulen. Die Luft war erfüllt von einer stickigen Glocke, roch nach Leid und Tod und wurde von leisem Gestöhne, Geflüster oder Schmerzenschreien durchdrungen. Er drehte sich einmal um die eigenen Achse um eine Situation zu finden, bei der er nützlich sein könnte. Dies war nicht das erste Lazarett in dem er arbeitete, und so langsam gelang es ihm, Ruhe zu bewahren und sich darauf zu konzentrieren, effizient da einzugreifen wo es am meisten Sinn machte.
Bei seinem Rundblick fiel ihm auf, dass Jelena nicht mehr am Tisch stand, und zusammen mit ihrem fahlen, müden Gesicht und den tiefen Schatten ihrer Augen machte sich ein Gefühl der Besorgniss in ihm breit. Seine Meisterin war immer darum bemüht, auf andere Willensstark zu wirken, und ihr Anblick hatte ihn erschreckt, als sie sich vorhin umgedreht hatte.
Vorhin? Letzte Stunde? Er hatte kein Zeitgefühl mehr. Routiniert ging er beim Vorbeigehen die Bestände der Verbände und Tücher durch und suchte nach ihr, ohne sie jedoch zu erblicken. Er runzelte die Stirn und ging kurz am großen Portal nach draußen vorbei. Von daher wehte ein beißend kalter Wind, der Rauch und Blutgeruch mit sich brachte. Als er sich wieder auf den Rückweg in die Tempelmitte machte, stolperte er über einen Mann. Ehe ihm eine Entschuldigung über die Lippen kommen konnte, rutschte er fast auf dem schlickigen Sand aus, der tiefrot gefäbrt war. Luthor ging vor dem Krieger in die Hocke und hob den Kopf des Axtträgers an. Gebrochene, vernebelte Pupillen starrten durch ihn hindurch ins Leere.
Wo am Anfang noch Entsetzen in Luthor aufloderte, wenn er Tote sah, durchfuhr es ihn nun nur noch kalt. Der Feldscher schloss dem Mann die Augen, entledigte ihm seiner Rüstung und Waffen die woanders eher gebraucht wurden und wuchtete den Leichnam nach einer kurzen Ehrerweisung auf seine Schultern. Die riesige, wieder aufgeplatze Naht blutete nicht mehr... Er machte sich auf den Weg in die Hallen. Als er die Tür mit dem Stiefel auftrat, merkte er schon dass der Magus, der für das Eindämmen von Krankheit und Fäulniss zuständig war, nicht an seinem Platz war. Aber wer war das schon in dieser Situation. Er würde ihn nachher suchen müssen. Unter der Last der Leiche ging er mehrere Schritte bis er einen freien Platz fand und den Mann ablegen konnte. Er machte einen Schritt zurück und warf einen letzten Blick auf ihn. Dabei fiel ihm auf dass der Verstorbene in seinem Alter, wenn nicht sogar jünger gewesen war als er, das war in dem weißen, eingefallenen Gesicht nicht zu erkennen. Die Erkenntniss lähmte ihn und er konnte den Blick nicht von ihm abwenden.

Jelena:
Der Tritt gegen die Tür weckte Jelena aus einem unruhigen Dösen, das von schlaglichtartigen Bildern immer wieder unterbrochen worden war.
Sie rieb sich die Augen und sah sich um, in der Hoffnung, dass derjenige sich nicht allzu genau umsehen würde und sie die Chance auf noch etwas Zeit alleine bekam.

Sie sah Luthor den Leichnahm ablegen. Ihr Lehrling warf noch einen Blick auf den Mann im Wappenrock der Reichsgarde und ein verirrter Lichtstrahl zeigte Jelena das schiere Entsetzen auf seinem Gesicht, das ihn momentan lähmte.
Jelena überlegte nicht, sie zog sich an der Wand hoch und machte die paar Schritte auf Luthor zu. Sie wusste nicht, was der Auslöser war, ob er den Mann geknnt hatte, ob er geglaubt hatte, dass er ihn gerettet hatte...
Es war unwichtig.
Sie schloß ihren Lehrling in die Arme und hielt ihn einfach nur fest.

Luthor Kaaen:
Obwohl er seine Meisterin vorher nicht bemerkt hatte, erschrak er nicht als sie die Arme um ihn schloss und gestattete sich, das Gewicht etwas gegen sie zu verlagern. Als er allerdings etwas sagen wollte und den Kopf zu ihr drehte, fiel ihm wieder auf, wie fertig sie aussah. Wieder legte er seine Stirn in Falten, legte seine Hände auf ihre Schultern und besah sie sich noch einmal genauer.
"Verzeiht mir, aber ihr seht wirklich nicht gut aus" meinte er ernst.
Die Sorge um ihre Gesundheit überschattete die Gedanken über Tod und Leben und einem verstorbenen Burschen.

Jelena:
"Mir geht es auch nicht gut." meinte Jelena lakonisch.
"Aber es ist nichts, was eine Nacht voll Schlaf und Anicas Essen nicht wieder in Ordnung bringen würde."
Sie deutete auf den Toten:
"Kanntest du ihn?"

Luthor Kaaen:
Bestätigte Jelenas Antwort mit einem Nicken und legte den Kopf schräg um ihr prüfend in die Augen zu schauen.
Er lächelte bei ihrer Erwähnung von Essen und Schlaf bestätigend, befürchtete aber, dass es bis dahin noch etwas dauern würde.

Er sah kurz auf den Toten.
"Ne. Also, das heißt, nur Sehen. Unten am Markt glaube ich."

Dann trafen sich ihre Blicke "Ihr seid nicht einfach nur erschöpft, habe ich Recht?"

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