Kassandra lag im Fieber.
Sie hatten sich in den Tempel zurückgezogen, nachdem die Schlacht an der südlichen Bresche gewonnen und dieser Zugang zur Stadt gehalten war. Ein Drittel ihrer Krieger schützten diese Stelle nun und würden Boten schicken, wenn der Lupus Umbra noch einmal so etwas wie einen geordneten Angriff zusammenbekäme.
Kassandra seufzte, sie ging die Taktik nur deswegen noch einmal durch, weil sie sich nicht mit dem naheliegenden Problem beschäftigen wollte.
Tiorspriester waren beschissene Heiler.
Wie befürchtet hatte die Wunde in der Schulter sich bereits geschlossen, als sie den Tempel erreichten und auch wenn sie den Bolzen aus ihrer Hüfte gezogen hatte, so war der Dreck und der Fetzen ihres Gewandes drin geblieben. Es war nur wenige Stunden her, aber sie spürte bereits das Fieber.
Wenn sie daran verrecken sollte, dann war es so, aber sie kam nicht umhin, mit ihrem Gott zu hadern: hatte sie ihm nicht angemessen gedient? Warum kein Tod auf dem Schlachtfeld, wo sie die Erde in seinem Namen mit dem Blut der Feinde getränkt hatte? War es doch falsch gewesen den firngarder Bauern zu akzeptieren?
Sie kannte den Geweihten, der an ihren Wunden hantierte, auch ohne ihn zu sehen.
Sie erkannte jeden von ihnen an ihrer Berührung, so wie ein Wolf sein Rudel am Geruch erkennt. Tiors Macht loderte in ihnen und diese würde sie selbst vom Totenbett erheben, wenn es sein musste.
Doch wer war das?
Kassandra runzelte die Stirn, als sie kühle Hände auf ihrem fiebrigen Körper spürte, die behutsam die Wunde untersuchten. Sie begriff nicht, was sie dort spürte... es war kein Geweihter Tiors, das war offensichtlich, aber... wieso spürte sie seine Hand auf dieser Frau?
Wer auch immer sie war, sie verstand was sie tat. Ihr persönlicher Akolyth umfing ihre Schultern und hielt sie fest, während geschickte Finger den Bolzen herausschnitten und die Wunden versorgten. Der saure Geruch der Wunden verschwand und sie wusste, dass sie Tior weiter dienen würde.
Und sei es auch nur um herauszufinden, wieso Tiors Hand auf der Frau lag und der Firngarder bereit war sein Leben für diese Heilerin zu riskieren.