Der Städtebund von Tangara > Brega
Tiors Tempel
Vanion:
Dareios konzentrierte sich. Er blieb an einer Kreuzung von zwei Gassen stehen. Der Himmel war bewölkt, leichte Tropfen fielen auf die Schultern der beiden Männer. Dareios holte tief Luft und wandte sich Albert zu.
"Ob nun der eine Weg Tiors der gute ist, oder der andere, wird sich erweisen. Doch habe ich mich entschieden.
Ich will Tior dienen. Ich will mein Noviziat in Eurem Tempel beginnen und Eurem Weg folgen, denn dies ist der Weg,
den ich für den richtigen halte. Im Tod kann jeder Mann Tior dienen und auf seine Ketten einhacken, doch auch im Leben
will ich Tior dienen. Also bitte ich Euch: Nehmt mich in die Priesterschaft Tiors auf! Ich werde auf Eurer Seite, auf Tiors Seite stehen,
und dem Neuen Weg folgen - meine Treue, Hingabe und Liebe gilt Tior allein. Ich bin jung, und doch spüre ich Tiors Ruf! Und ich weiß, dass Tior zumindest noch nicht meinen Tod verlangt - sonst hätte er mich bei der Belagerung Bregas zu sich geholt!"
Der Mann verstummte. Er wartete voll Unsicherheit auf Alberts Antwort, die sein Leben verändern konnte - oder die ihn in den grauen Alltag seines Daseins in Brega zurückstoßen konnte. Wie um die Stimmung zu unterstreichen, prasselten nun die Regentropfen in Massen herab, Dareios bemerkte, dass seine Stiefel in dem schnell weicher werdenden Matsch der Straße zu versinken drohten. Er dachte an seinen Vater und seine Mutter, an seinen getöteten Onkel, und auch an seine zahlreichen Geschwister - er wollte sie nicht verlassen, doch war der Wunsch, sich in Tiors Dienst zu stellen, einfach übermächtig geworden.
Dominic:
Albert hörte aufmerksam zu als Dareios sprach, sah ihn unverwand und voller Neugier an. Als sein Gegenüber zu sprechen aufhörte, starrte der Priester ihm regelrecht in die Augen. Als Albert sprach, war seine Miene aber eine nicht zu deutende Maske.
"Also gut, jetzt weiß ich was du willst! Aber was bist du bereit zu leisten Dareios? Bevor ich dir eine Antwort gebe, will ich einige Dinge über dich wissen. Zuerst: Kannst du lesen und schreiben? Wie geübt bist du in den verschiedenen Waffengängen? Wie lange kannst du laufen, kämpfen und wach bleiben, ohne zu rasten? Und was hälst du von der Idee, das Tior über die Welt kommt und alles schwache vernichtet? Und bevor du antwortest, wäge deine Antwort gut ab und überlege, wer den du kennst, den du liebst stark ist."
Als Albert aufgehört hatte zu sprechen, drehte er sich rum und ging weiter. Einige Häuserecken weiter bog er in eine Gasse und bewegte sich auf des Stadttor zu. Dareios wollte schon antworten, als Albert ihm mit einer Geste bedeutete zu schweigen. Als sie das Stadttor passiert hatten, setzte sich der Priester mit dem Rücken an die Stadtmauer.
"Also gut, sprich!", versetzte Albert plötzlich und blickte in den wolkenverhangenen Himmel.
Vanion:
Dareios blieb stehen und sah Albert unverwandt an.
"Was ich bereit bin zu leisten? Ich werde tun, was immer Tior von mir verlangt - doch werde ich genau abwägen, wie ich es tue. Ich kann lesen und auch schreiben, selbst Zahlen sind mir geläufig." Ein Grinsen stahl sich auf Dareios' Lippen. "Geübt - nun, ich habe die Schlacht um Brega überlebt, auch wenn ich aufgrund einer Verwundung nicht bis zum Ende mitgekämpft habe. Doch bin ich keinesfalls wehrlos. Grade am Schwert behaupte ich, zumindest meinen Mann stehen zu können. Die Schlacht um Brega hat mich viele schlaflose Nächte gekostet und nicht nur mich, sondern alle Beteiligten an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht, doch bin ich nicht daran zerbrochen. Messt mich daran!"
Dareios machte eine Pause. Alberts letzte Frage hatte ihm zu denken gegeben.
Zögerlich fing er an zu sprechen.
"Nun...Tior wird über die Welt kommen dereinst, ja. Doch glaube ich, dass sich allerlei Wesen nicht als schwach erweisen werden, und dass Tior, ganz so wie Eure Männer in der Schlacht, nicht wahllos und sinnlos schlachten wird. Vielmehr sieht Tior trotz seiner Ketten die Taten seiner Diener und wird sie daran beurteilen. Denn selbst der ärmste und ungebildetste Bauer wird, wenn sein Hof und seine Familie bedroht ist, seine Mistgabel greifen und den Angreifer vernichten und so im gerechten Namen Tiors handeln.
Ich kann Euch nicht sagen, wer von denen, die ich liebe, schwach oder stark ist - Tior wird das beurteilen."
Dominic:
Langsam senkte sich Alamars Auge und bald würden die Tore der Stadt geschlossen werden. Albert erhob sich und ein breites Grinsen verzog Alberts Gesicht. "Lass uns hinein gehen, bevor wir die Nacht außerhalb der Stadt verbringen müssen." Der Priester ging in Richtung des Tores. "Geh zu deiner Familie, speise gut und von mir aus, nimm dein Weib ein letztes mal für lange Zeit. Dann komm zum Tempel, gestärkt, aber friss dich nicht voll. Komm zum Platz in der Mitte des Tempels und stelle dich einem meiner Krieger im Kampf. Sollte er dir nicht das Genick brechen, werde ich dich in den Tempel aufnehmen und du wirst Novize werden." Albert versetzte ihm einen schlag auf die Schulter der Dareios ins Schwanken brachte. "Lauf Junge!" Und als der angehende Novize in die Stadt lief, schlenderte auch Albert Richtung Tempel. "Morgen wirst du wissen was du willst und ich werde dich lehren was es zu wissen gibt."
Vanion:
Dareios schritt rasch durch die immer dunkler werdenden Straßen Bregas. Er musste unwillkürlich Grinsen, als er an Alberts Worte dachte. Sein Weib aufsuchen... er hatte keines. "Was soll's?", dachte sich der junge Mann und bog in eine Nebenstraße ein, wo ein hölzernes Schild über einer Tür anzeigte, dass dort für Geld Liebe zu kaufen war.
Zwei Stunden später kam er wieder heraus, um einiges ärmer, aber durchaus zufrieden. Er eilte nun zu dem Haus seiner Eltern. Die Tür knarzte, als er sie öffnete und direkt in die Küche ging. Dort nahm er sich einen Laib Brot und schnitt sich ein deftiges Stück ab. Er sah sich um und sah noch die Reste eines gebratenen Huhns auf dem Küchentisch - auch da griff er zu. Er füllte noch einen Becher mit halbwegs gutem Wein und nahm sich Zeit, um in Ruhe zu essen. Dareios wusste, dass einiges an Entbehrungen auf ihn zu kam, doch ebenso wusste seine Familie seit langem um seine Wünsche. Abschiedsworte waren unnötig, er hatte bereits vor seinem Gang zum Tempel alles gesagt, was zu sagen war. Schließlich stand Dareios auf und suchte sein Zimmer auf.
Er hatte nicht viel, doch das, was er besaß, war ordentlich gepflegt worden. Er zog Wams und Beinkleid aus und streifte sich rasch den wattierten Gambeson über. Er sah an sich herunter und betrachtete nachdenklich die zahlreichen Nähte, die den Gambeson zierten, seit er ihn unter der Milizrüstung in der Schlacht getragen hatte. Sein Kettenhemd war hoffnungslos zerstört, er hatte es für ein paar Kupferstücke dem Schmied überlassen. Er gürtete sich mit seinem Langschwert und steckte sich ein langes Messer in den Gürtel, dann setzte er sich eine Bundhaube und seinen guten Helm auf, auf dem mehr schlecht als recht gemalt ein stilisierter Wolfskopf zu erkennen war. Dareios glaubte nicht so recht daran, doch war sein Helm bis auf einige Kratzer und ein paar leichten Beulen in der Schlacht unversehrt geblieben - ob das an dem Zeichen Tiors gelegen hatte? Doch nein, wahrscheinlich hatte er einfach nur Glück gehabt. Der Junge richtete sich auf und straffte die Schultern, dann verließ er sein Elternhaus und schritt mit gemessenen Schritten durch die nun mit wenigen Fackeln beleuchtete Stadt in Richtung des Tempels.
Als Dareios den Tempel erreichte, war er nicht wirklich verwundert, auf zwei Tempelwachen mit Feuerbränden zu treffen, die ihn wortlos durchwinkten. Nach einem kurzen Durchgang erreichte er den Innenhof des Tempels. Dieser war rechteckig geformt und an allen Seiten von Säulengängen umgeben, unter denen Dareios in regelmäßigen Abständen verschiedene Türen sehen konnte.
In der Mitte des Innenhofes stand Albert, neben ihm ein bis auf einen Lendenschurz nackten Mann. Ein Hüne von einem Mann, dessen Haut zahlreiche Narben von zahlreichen Kämpfen aufwies. Doch trug er keine Waffe in der Hand. Dareios trat endgültig in den Hof und stellte sich vor die beiden.
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