"Vermutlich wird Madame mich als Leibmagd für sich dabei haben wollen. Sie schätzt es, in solchen Situationen mit ihrem Gefolge zu prunken. Außerdem glaube ich, dass sie sich darüber freut, Amelie dabei zu haben."
Fleur errötete vor Scham ein wenig, sich vor Élodie in so gutem Licht zu präsentieren.
Das Wort 'Reise' jedoch sorgte für eine verblüffende Veränderung: das Gesicht der Wäschemagd zeigte plötzlich Missmut.
"Reisen sind etwas fürchterliches! Jetzt im Winter ist es entweder klirrend kalt und man erfriert förmlich. Oder es ist nass und kalt und matschig! Man bekommt die Säume nie bis zur Weiterreise am nächsten morgen trocken und sauber! Madame reitet gerne - da mag sie Frost ohne Schnee bekanntlich lieber - bei dem Wetter kann man nach Herzenslust kleine Jagden abhalten, während der Tross gemächlich über die Wege holpert. Mir graut's immer davor, dass sie eines Tages auf vereistem Untergrund stürzt! Aber wehe, es ist nass! Da verlieren die Pferde andauernd Hufeisen im Schlamm und der Wagen bleibt auch ständig stecken! Und im Sommer ist es nicht besser! Es ist staubig und heiß und ab und an holt Madame sich einen Sonnenstich - dann geht die Reise erst mal gar nicht weiter, bis sie sich erholt hat! Wer könnte auch von ihr verlangen, dass sie sich von Übelkeit und Kopfschmerz geplagt, in den holpernden Wagen legt oder gar auf's Pferd schwingt, he?!?"
Man konnte Fleur ansehen - sie verabscheute Reisen. Ihre offizielle Sorge galt natürlich der Wäsche - die ihr bei Reisen verständlicherweise besonders viel Arbeit abverlangte. Aber auch die durch Überfürsorge hervorgerufene Gejammer über Verhalten der Baronin war für den sensiblen Zuhörer zu verstehen.
Die Wäschemagd gestikulierte wild mit Nadel und Zwirn umher, während sie die Dinge aufzählte, die auf einer Reise zu beachten sind:
"Folgendes ist wichtig: Madame müssen warm, ausgeschlafen und satt sein. Sie darf sich nicht um ihre Habe sorgen. Ihr müssen neben Wechselkleidung auch immer kleine Naschereien zugänglich sein. Ohne einen entsprechenden Vorrat an Ahorn-Sirup verlässt keine Delegation Goldbach. Madame freut sich darüber, wenn man selbst die Reiseküche damit aufwertet und natürlich ist es immer ein cadeau de bienvenue - ein Gastgeschenk. Es muss ihr ein Pferd zur Verfügung stehen, und mit diesem immer jemand, der sie begleitet, wenn sie beschließt einen kleinen Ausritt zu machen. Wenn Madame sich waschen will, muss der Wagen abgehangen und vom weiblichen Gefolge bewacht werden und Wasser, Seife und Tücher müssen bereitstehen. Abends nimmt sie häufig ein Fußbad. Dann muss das Lager im Wagen gerichtet werden. Madame wünscht es warm und kuschelig. Vermutlich werden wir aber ohnehin immer in Gasthäusern unterkommen, was an der Pflicht, für sie und ihr Lager zu sorgen aber keinen Abbruch tut und ein Teil der Reise wird wohl auch mit dem Schiff zurück gelegt..."
Plötzlich schreckt Fleur auf:
"Oh, zut alors! Es muss noch jemand auf den Markt und Mittel gegen die Seekrankheit erstehen!"