Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches > Geschichten und Gespräche

Ein Dorf.

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Vanion:
"Dann sind nur Jeldriks Taten wichtig gewesen. Und nur die haben die Geschichte überdauert."
Vanions Augen glänzten. Der jugendlichte Tatendrang, der ihn vor der Schlacht um Engonia erfüllt hatte, keimte wieder.
"Dann erzählt mir doch eine Geschichte von Jeldriks Taten. Ich will es Euch mit einem Krug Bier und einem schönen Abend vergelten."

Tobi:
"Gerne.

Diese Geschichte begab sich aber zu der Zeit, als das junge Engonien nach dem Brüderkrieg in Trümmern lag und jedes Dorf und jede Stadt nur für sich selber ums Überleben kämpfe. An Zivilisation war nicht zu denken, denn alle waren nur damit beschäftigt sich der Räuberhorden und anderer einfallender Feinde zu erwehren, die sich den Untergang des Caldrischen Imperiums zu Nutze gemacht hatte.
In diese schon schlimme Zeit kam ein riesiger Heerzug von Orken, die in den Süden einfielen in ein Land, dass fast jeden brauchbaren Kämpfer im Brüderkrieg verloren hatte. Dem stellte sich Jeldrik entgegen und zog von Dorf zu Dorf um jeden zu den Waffen zu rufen und es ward erlassen, dass jedes Dorf mindestens einen Kämpfer stellen musste.
So kamen sie eines Tages in ein kleines Dorf in der Baronie Halen wo der Großbauer Torfmann der Dorfvorsteher war. Torfmann hatte zwei junge Burschen, die gerade alt genug waren um in den Krieg zu ziehen und alle anderen im Dorf waren zu jung, oder zu alt, vielleicht bis auf Marthilda, die hagere Tochter vom Tagelöhner des Dorfes. Weil im Imperium immer nur die Männer in den Krieg zogen und alle caldrischen Kämpfer bis auf den Letzten Männer waren, wusste der Dorfvorster schon wer zu den Waffen gerufen werden sollte und weil er seine Söhne nicht in den Krieg ziehen lassen wollte besann er sich einer List.
Er holte sich den Tagelöhner an den Hof und versprach im Abends ihn fest zu nehmen, wenn er seine Tochter für die Armee Jeldriks melden würde. Der Tagelöhner wollte zuerst nicht, aber Wein und gutes zureden taten ihr übriges.
Als nun der Tag gekommen war, da Jeldrik mit seiner Armee von dem Dorf stand um zu sehen welchen Kämpfer dieses Dorf stellen würde, da versteckten sie die beiden Söhne im Wald und schickten Marthilda vor. Ausgehungert, dürr und in den abgetragendsten Kleidern stand sie vor Jeldrik, als man sagte, dass sie der beste Kämpfer sei, den das Dorf aufzubringen hatte.
Die anderen Ritter um Jeldrik hoben an, dass das nicht war sein könne man sich nicht betrügen lasse, eine Frau doch nicht kämpfen könne und überhaupt.
Aber Jeldrik stieg von seinem Ross und ging zu dem Mädchen, blickte sie an und sprach:
"Euer Dorf ist in großer Gefahr. Wenn aus dem Süden die Orken einfallen, dann wird sich keine Stadt und kein Dorf und keine Burg ihrer erwehren können. Die einzige Möglichkeit dieses Dorf zu beschützen ist den Orken entgegenzureiten, sie am Eisenwall zu stellen und ihnen den weiteren Weg zu verwehren. Das werden wir machen und wir brauchen jede Hilfe, die wir bekommen können. Sollten uns nicht genug helfen, dann werden wir scheitern und ihr und wir werden sterben.
Ich werde dich nicht zwingen Mädchen, wenn du nicht mitkommen willst. Deshalb frage ich dich Marthilda willst du uns begleiten, als der beste Kämpfer dieses Dorfes."
Marthilda dachte an all die Menschen im Dorf. Die paar Male, da man ihr, der zerlumpten Tochter des Tagelöhners, etwas Gutes getan hatte konnte man an einer Hand abzählen. Ihre Mutter war tot, ihr Vater ein Säufer, der sie gerade verkauft und dem sicheren Tode überantwortet hatte und so sagte sie mit fester Stimme.
"Nein mein Herr ich möchte nicht in den Krieg ziehen, ich möchte nicht kämpfen und ich möchte nicht sterben. Aber, mein Herr, ich werde mitkommen und helfen so gut ich kann, denn ich kann helfen und daher muss ich helfen die Menschen zu beschützen."
Jeldrik nickte und erwiederte:
"War gesprochen und mutig, vorallem mutig. Knie nieder."
und vor allen Anwesenden, vor dem ganzen Dorf und dem ganzen Heer schlug er das Lumpenmädchen zum Ritter, den ersten weiblichen Ritter, den das Land jemans gesehen hatte und dann wandte er sich zum Dorfvorsteher und sprach:
"Ihr ehrt uns guter Mann. In diesen Zeiten habe ich noch kein so kleines Dorf gesehen, dass einen wahren Ritter stellen konnte. Aber ich fürchte sie trägt noch nicht all ihre Ausrüstung am Leibe. Ein jeder Ritter hat doch ein Pferd, das beste des Dorfes, eben habe ich doch noch diesen schwarzen Rappen gesehen. Kleider taugen auch nicht, sie braucht gute wollene Hosen, die warm sind, so wie eure. Gute Schuhe, einen dicken Wams und Mantel, Brot und Schinken und Rüben und Zwiebeln, als Verpfelgung und einen guten Gürtel."
Dann wandte sich Jeldrik an seine Knappen, von denen er mehr als ein halbes Dutzend hatte, da jeder Adlige um die Ehre buhlte seinen Sohn in die Knappschaft bei Jeldrik zu geben.
"Ein Ritter braucht einen Knappen. Du Arnd von Hanekamp, du wirst der Knappe von Marthilda von Rappenau sein und ihr alle kleidet sie ein. Gesteppter Wams, die Brust von diesem Junker sein Schwert ebenfalls. Hop hop Zack Zack."

Als sie Marthilda gekleidet hatten und sie auf dem besten Pferd des Dorfes saß mit den besten Kleidungsstücken des Dorfes und fast all seinen Vorräten sah sie immer noch wie eine kleine Feldmaus aus, die in Sachen steckte, die ihr viel zu groß waren. Jeldrik dankte erneut dem Dorfvorsteher, der nun ohne Hosen vor der versammelten Ritterschaft stand und zog mit dem Heer weiter.

Was aber in dem Dorf geschehen war, das sprach sich schneller herum, als das Heer reiten konnte und jeder Bursche hob an mitzukommen und auch die beiden Söhne des Dorfvorstehers Torfmann liefen den Rittern hinterher. Auch hätte vorher nie jemand gedacht, was nun passierte, denn nicht nur die jungen Burschen schlossen sich dem Heer an, sondern auch viele Mädchen und junge Frauen. In den Burgen des Adels nahmen die Töchter die Rüstungen und Waffen ihrer Väter und Brüder, die tot im Brüderkrieg geblieben wahren und zogen auch aus und nannten sich Ritter und trugen stolz die Farben ihrer Häuser und Geschlechter in die Schlacht."

Vanion:
Vanion reichte dem Ritter den Krug, den der Wirt auf seinen Wink gebracht hatte, damit der Erzähler seine Kehle befeuchten konnte.
Der Knappe sprach seine Gedanken laut aus und ließ den Ritter auch merken, dass er seine Gedanken mit seinen Worten entwickelte.
"Mancher Zyniker würde das eine Verzweiflungstat nennen, die Frauen mit in die Schlacht zu nehmen. Doch ganz so einfach ist es nicht, oder?"
Vanion sah, wie der Ritter ihn gespannt ansah.
"Es geht nicht darum, dass Jeldrik jedes Schwert brauchte, um gegen die Orken zu bestehen. Vielmehr ging es darum, dass Jeldrik in jedem Menschen die Anlage zu edlen Taten sah, und das nicht im Geburtsblut." Gedankenverloren strich Vanion über die lange, deutlich zu fühlende Narbe an seinem Knie, die er vor Engonia davongetragen hatte.
"Egal, welches Geschlecht jemand hatte, egal, wie und wo er oder sie geboren war, die Seele des Rittertums konnte jeder tragen. Und kann es noch! Tapferkeit liegt versteckt in der unwahrscheinlichsten Seele, und kann bedeuten, etwas zu tun, was man nicht tun will."

"Und Jeldrik hat über die List des Vorstehers hinweg gesehen, oder sie gar nicht erst bemerkt. Das ließe ihn naiv dastehen, so er die List nicht bemerkt hat - oder großmütig bis hin zur Selbstaufgabe. Kann ein Mensch so sein?" Vanion musste grinsen und argumentierte prompt gegen sich selbst.
"Nein, kann er wohl nicht, nicht wahr?. Ein Jeldrike glaubt, Jeldrik sei ein Gott. Leitet Ihr diesen Glauben daraus ab?" Vanion wählte seinen Tonfall mit Bedacht, er wollte klarstellen, dass es sich um eine Nachfrage handelte, nicht um eine kritische Frage, die die Antwort schon im Vorfeld anzweifelte.

Tobi:
"Es war eine Verzweiflungstat EINE SOLCHE Frau mit in die Schlacht zu nehmen. Ja, auf jeden Fall. Aber du hast den Kern schon richtig erkannt.
Nicht in jeder ist zu großen Taten fähig, ABER diejenigen, die zu großen Taten fähig sind kommen von überall her.

Das ist das besondere an Jeldrik. So wie das Mädchen zu Jeldrik steht, so steht Jeldrik zu den Göttern. Der Funke des göttlichen kann in manchen Menschen gefunden werden oder wurde zumindest in einem Menschen gefunden.
Das ist das Zentrum des Jeldrikentums. Die Heiligkeit des Menschen, die Apotheose Jeldriks, der Aufstieg eines Menschen zum göttlichen."

Vanion:
"Ich kenne mich nicht aus mit diesen ganzen religiösen Sachen. Aber würde nicht ein Priester anzweifeln, dass ein Mensch zum Gott aufsteigen kann, würde das nicht die Götter selbst ein wenig herabsetzen? Ich weiß selber nicht ganz, wie ich dazu stehe. Die Verehrung eines Helden kann ich verstehen, ein Heiliger, der angebetet wird, ein Heiliger, den man um Glück in der Schlacht oder auch in der Ehenacht bittet. Aber jemanden nicht unter, sondern neben die Götter zu stellen?"

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