Die Dunkelheit schärfte langsam ihre Sinne. Sie nahm jedes, noch so kleine Geräusch wahr, roch jede Veränderung in der Luft.
So auch jetzt.
Sie hörte eine männliche Stimme, die ihr vage bekannt vorkam. Flehen, Gebete, einen Schrei.
„Qui est là?“
Doch ihre Frage blieb unbeantwortet. Dann landete etwas mit einem dumpfen Geräusch neben ihr.
Verschiedene Gerüche stiegen ihr in die Nase. Erbrochenes, Angstschweiß und etwas anderes, Vertrautes.
Lorainne schloss die Augen, obwohl es in der Dunkelheit keinen Unterschied machte, ob ihre augen geschlossen oder geöffnet waren.
Doch es half ihr, sich zu konzentrieren.
Jemand WAR in ihrer Nähe. Wahrscheinlich ebenfalls gefangen.
Während des Krieges, wenn ihr die Wirklichkeit zu brutal erschien, wenn sie Heimweh hatte oder schlicht Angst und sie von Alpträumen geplagt wurde, hatte sie oft die Augen geschlossen und war in ihre eigene Welt eingetaucht.
Manchmal reichte ein kurzer Moment und die Erinnerung an Zuhause, manchmal, wenn sie Angst hatte, sich nicht mehr erinnern zu können, stellte sie sich jedes einzelne Gesicht, das sie kannte vor, murmelte die dazugehörigen Namen und hörte die Personen fast schon Sprechen.
Sie begann mit den Menschen, die ihr am nächsten standen.
Simon, Vanion, Damian, Gorix, Maugrim, Kassos....
Jedes Gesicht tauchte vor ihr auf und es war fast so, als wären sie alle wieder vereint, so wie damals, beim Pilgerzug, als sie gemeinsam lagerten, aßen, kämpften und feierten.
Es hatte etwas tröstliches, doch die Stimme in der Dunkelheit schien zu niemanden zu gehören.
Wer war da bei ihr?