Der Städtebund von Tangara > Hier und dort in Tangara

Die Stunde der Wahrheit - Sommer 263 n.J.

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Charisturcear:
Da auch Ysander bereits vermerkt worden war, blieb ihm nicht viel mehr als abzuwarten und den Saal pünktlich zu betreten. Das man Vanion zuvor noch von ihnen trennte gefiehl ihm zwar nicht sonderlich, war aber wohl zu erwarten gewesen. Blieb nur noch zu hoffen, dass alle Beteiligten einen kühlen Kopf behielten und es nicht noch irgendetwas gab, von dem das Gericht erfahren hatte, was ihnen entfallen war und sie in Bedrängnis bringen konnte. Zwar kannte sich Ysander grundlegend mit Recht und Gesetz aus, dass er es aber mit einem waschechten Advokaten aufzunehmen in der Lage sein würde, wenn er auf Unvorbereitetes traf, wagte er zu bezweifeln.

Johannes:
Rechtzeitig zum Beginn des Prozesses traf noch ein weiterer Beteiligter ein. Ein älterer Mann, bei dem es sich anscheinend um den Händler handelte, der als Felix Leumundszeuge auftreten sollte.
Der Man trug edle Kleidung, aber nicht zu edel, teuren Schmuck, aber nicht zu teuren und hatte den Ausdruck eines wichtigen, aber wiederum nicht zu wichtigen, Mannes im Gesicht. An den Farben seiner Kleidung konnte ein Kundiger zudem seine Unterstützung des Hauses Monteleone ablesen. Der schon bekannte Diener drei Schritte hinter ihm vervollständigte den Eindruck. Alles in allem befolgte der Mann die inoffiziellen Verhaltensvorschriften für einen mittelmäßig erfolgreichen Händler auf den Punkt genau.
Nachdem er die Formalitäten mit dem Gerichtsschreiber erledigt hatte, begrüßte er Felix kurz, zog sich dann aber zurück um auf den Beginn des Prozesses zu warten.

gerhardt:
In einer Ecke des Raumes hielt sich eine Person auf die leicht übersehen werden konnte, ein Mann mittleren alters mit kurzgeschorenen blonden Haaren und schlichter pragmatischer dunkler Kleidung und einer Dokumententasche.
Er machte keinerlei anstalten mit einer der anwesenden Personen kontakt aufzunehmen oder auf irgendeine Weise auf sich aufmerksam zu machen.
Nachdem der ältere Mann aus dem Hause Monteleone fertig war beeilte sich der blonde die Formalitäten bei dem Gerichtsschreiber zu erledigen und gab als Namen Jülas Finnen an, wohnhaft Port Valkenstein, Reichsfeld.

Engonien NSC:
Der Saal war groß genug um 50-60 Menschen fassen zu können und zeigte in angemessener Art und Weise den Prunk und Reichtum Ulds. An der rückwärtigen Wand war ein farbenprächtiges Mosaik aus bemalten Fayencekacheln angebracht worden welches das Wappen der Stadt Uld umgeben von den Wappen der alteingesessenen Familien zeigte.
Wer Muße hatte zu zählen fand 15 Wappen unmittelbar um das Stadtwappen herum und weitere 45 Wappen in einem äußeren Ring drumherum.
Die restlichen Wände waren weiß verputzt und mit Wandteppichen verziert die bedeutende Szenen der engonischen, aber insbesondere der Ulder Geschichte zeigten. Am prominentesten schien ein Teppich mit einer üppigen Maskenballszene auf der man mehrere Männer in Wappenröcken des Lupus Umbra blutüberströmt auf dem Boden liegen sah.
Ein überaus exquisites Stück Handwerkskunst.
Vor der Wand mit dem Mosaik war eine Richterbank errichtet worden mit einem einzelnen, thronähnlichen Stuhl. Der Tisch davor war leer bis auf ein relativ schmuckloses Breitschwert mit kurzem Griff. Am linken Ende der Bank war offensichtlich der Arbeitsplatz des Schreibers mit mehreren Stapeln Papier und allerlei Schreibgerät. Der Schreiber selbst war ein junger Mann in der schmucklosen Kutte der Gerichtsdiener der die vor ihm stehenden Bittsteller etwas kurzsichtig anblinzelte. Seine rechte Hand wies die charakteristischen Tintenflecke auf und er fuhr sich damit immer wieder durch die Haare bis sie in alle Richtungen von seinem Kopf abstanden.
Neben dem Schreiber waren noch einige weitere Gerichtsdiener und Büttel im Raum unterwegs. Die Gerichtsdiener trugen schmucklose schwarze Kutten über ihrer normalen Kleidung, die Büttel Wappenröcke in den Ulder Farben, bewaffnet mit kurzen Schlagstöcken von denen sie auch ihren Namen bekommen hatten.
Außer der Gruppe um Vanion schienen noch weitere Verfahren in die Prozessordnung aufgenommen worden zu sein, denn nach und nach trafen weitere kleine Gruppen von unterschiedlichen Menschen ein. Die Delinquenten wurden von ihnen getrennt und zu einer hinter einer hüfthohen hölzernen Absperrung stehenden Bank gebracht.  Der restliche Saal war bis auf die sprichwörtliche Anklagebank unmittelbar vor dem Richterplatz leer, so dass die Wartenden sich in mehreren kleinen Gruppen im Saal verteilten.

Der alte Gerichtsrufer hatte Stellung auf einem kleinen Podest in einer der Ecken des Saales bezogen und man hörte mehrfach ein verhaltenes *hem hem* bevor er tief Luft holte und seine Stimme ertönen ließ:
"DIE EHRENWERTE RICHTERIN DER STADT ULD, IHRE RICHTERLICHE GNADEN DIE FRAU MARIA ELISABETTA FALCONE ERÖFFNET DEN GERICHTSTAG WELCHER SICH DA BEFASSEN WIRD MIT DEN UNTATEN UND DEN DELINQUENTEN DIE DA NICHT GEBOREN SIND IN ULD. HEUTE, AM 20. TAG DES 7. MONATS IM JAHRE 263 NACH JELDRIK, WIRD RECHT GESPROCHEN WERDEN IM NAMEN DER WOHLWOLLENDEN SECHS, ZUR IHRER EHRE UND DER EHRE DER STADT ULD!"
Eine im Mosaik verborgene Türe öffnete sich und die Richterin trat in den Saal. Sie hatte eine Robe aus schwarzem Samt übergeworfen und trug eine schwere Amtskette die seltsam einfach und schmucklos erschien. Sie ging gemessenen Schrittes zu ihrem Platz und nahm dort das Schwert in die Hand. Während sie sprech ließ sie ihren Blick durch den Saal und über die Delinquenten schweifen. Ihre Stimme war klar und gut verständlich ohne überbordend zu wirken:
"Ich, Maria Elisabeta Falcone, Angehörige des Hauses Falcone und in dieser Eigenschaft die siebte Richterin der Stadt Uld werde heute im Namen der Sechs Götter Recht sprechen und die Dinge entscheiden die vor dieses Gericht gebracht wurden. Dies ist das Zeichen meiner richterlichen Gewalt und meiner Pflicht im Namen Alamars, Tiors, Lavinias, Nadurias, Aines und Szivars Recht zu sprechen. So jemand hier ist um dagegen Einspruch zu erheben spreche er jetzt."
Die Richterin hielt das Breitschwert in beiden Händen und wartete eine angemessene Zeit bevor sie es wieder ablegte. Offensichtlich war niemand bereit ihr etwas unerstellen zu wollen.
Sie nahm Platz und wandte sich mit einem Nicken an den Schreiber. Dieser stand auf und rief mit unsicherer und etwas quietschender Stimme den ersten Delinquenten auf. Es handelte sich offenbar um einen jungen Mann dem man Heiratsschwindel unterstellte.
Was auch immer man von Frau Falcone halten mochte, sie war eloquent und effizient. Sie stellte kluge Fragen und schien mit dem Schreiber ein eingespieltes Team zu bilden. Der Fall wurde zügig aber genau von allen Seiten beleuchtet, die Zeugen und der Angeklagte gehört und nach einer kurzen Bedenkzeit ein strenges Urteil gefällt.

Vanion:
Der Knappe hatte Geschichten über die 'Blutnacht' gehört. Er hätte jedoch keinen Wandteppich erwartet, der ein so prunkvolles und doch stilles und warnendes Zeugnis der Geschehnisse war. Ironischerweise erinnerten die Familienwappen zwar nicht von den Motiven, aber zumindest von der Anordnung und Aufhängung an manche Caldrier, die ebenfalls ihre Wappen, wenn auch meist die ihrer Ritter und Fürsten, in Friedenszeiten an die Wände ihrer Hallen hingen. Na, hast du dich wieder zu wichtig genommen? neckte eine leise Stimme Vanion in Gedanken. Tatsächlich war der junge Mann davon ausgegangen, dass allein für ihn ein Prozess anberaumt gewesen wäre. So konnte man sich täuschen. Ich stehe hier neben Heiratsschwindlern, Betrügern, vielleicht Dieben und Mördern, vielleicht Schlimmerem. Vanion ließ seinen Blick die Reihe seiner Nachbarn abwandern. Kein gutes Gefühl. Wie sah man in so einem Falle aus? Was für einen Eindruck machte er grade? Die Blicke seiner Freunde lasteten schwer auf Vanion, in so manchem Blick konnte er Mitleid erkennen. Er fühlte sich wie am Pranger, und alleine in dieser Reihe zu sitzen gab Vanion ein schlechtes Gewissen und das Gefühl, schuldig zu sein. Hart riss er sich zusammen. Du hast nichts getan, vergiss das nicht! Lass dich von all der Pracht nicht beeindrucken. Selbst die 'richterliche Gnaden', die hier doch die Gerechtigkeit ist, hat sich von den Valkensteinern bestechen lassen! Der Knappe wusste nur nicht, ob diese Bestechlichkeit sich zu seinen Gunsten oder Ungunsten ausdrücken würde. Wie objektiv würde eine Falcone urteilen, wenn sie einen Caldrier vor sich hatte? Wie objektiv würde irgendein Tangarer urteilen?

Vanion war in Tangara, genauer gesagt, in Norodar geboren. Diesem Umstand verdankte er überhaupt die Anklage. Natürlich hätte er sich dem Prozess entziehen können, aber zu was hätte das geführt? Ein caldrischer Ritter, schlimmer noch, eine Chevalière, entzog ihren Knappen der tangarischen Gerichtsbarkeit. Was hätte sich der Geldadel Fanadas die Hände gerieben, was hätte der Adel Caldriens aufgeschrien. Vanion war sich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Lieber ein Freispruch als Tangarer, als einen Restmakel in Tangara durch ein mildes Urteil in Caldrien. Ysanders Worte klangen ihm in den Ohren. Er durfte sich nicht in regionale Dispute hereinziehen lassen. Der Tangarer Vanion Bachlauf stand hier vor Gericht, nicht der Knappe Vanion.

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