Der Städtebund von Tangara > Brega
Brega, 6. Tag des 10. Mondes, 263 n.J.
Anders:
Auch Anders kicherte los als Wassilij ihr ihre Frage beantwortet. Also doch kein Kleid, sah wohl wirklich nur so aus. Wäre auch etwas komisch gewesen wenn ein Mann freiwillig ein Kleid angezogen hätte. Gut jeder war anders, sie war schließlich das beste Beispiel dafür aber trotzdem.
Natürlich war es auch in gewisser Sicht schade so konnte sie nicht mit ihm darüber scherzen aber gut. Er schien wirklich sehr nett zu sein.
Irgendwie mochte sie ihn auf Anhieb.
Als er allerdings auf die zweite Frage zu sprechen kann hörte sie auf zu Kichern und stellte sich ein Stück gerader hin um ihm in die Augen sehen zu können. Das mit Augenhöhe konnte sie natürlich vergessen, aber sie wollte immerhin das man sie ernst nahm.
"Ich hab dich ab und zu beobachtet wenn ich dich gesehen habe und ich finde deine Fähigkeit unauffällig zu bleiben echt beeindruckt. Ich hab auch gelernt mich zu verstecken oder in Menschenmengen unterzutauchen, aber so gut wie du bin ich noch lange nicht und ich wollte fragen ob du mir da vielleicht da was bei bringen kannst. Vielleicht auch im Schleichen oder ähnlichem."
Sie blickte ihn nochmals an und fuhr dann fort. "Das ist wichtig für mich, da ich nicht kämpfen kann. Ich lerne zwar hier und da durch beobachten etwas dazu, aber wirklich wehren kann ich mich nicht und von daher muss ich schnell laufen können und zur Not auch verschwinden können. Und du bist in meinen Augen ein Meister der bewussten Unauffälligkeit."
Wassilij:
Wassilij runzelte die Stirn. Bin ich das noch? Fragte er sich selbst. Er kratzte sich am Kinn. Eine düstere Erinnerung schlich sich in seine Gedanken, sein Blick verfinsterte sich. Doch scließlich schüttelte er gedankenvoll den Kopf und verscheuchte die Erinnerung an ein gewisses Jahr.
"Anders, um die Wahrheit zu sagen, Ich weiß es nicht. Das habe ich schon lange gekonnt und mir wurde beigebracht, mich darin zu verbessern. Ich weiß nicht, ob ich das jemanden lehren kann. Und zur Zeit habe ich andere Dinge zu regeln. Vielleicht in ein paar Monden. Ich habe mich auch noch nicht entschieden, wenigstens für eine Weile Kassos Angebot anzunehmen und an seiner Kriegerakademie zu unterrichten. Doch vorher muss ich noch ein paar Dinge in die Wege leiten und hinter mich bringen. Deswegen, breche ich in wenigen Tagen auf und reise nach Fanada."
Mit einem Blick zu Vanion fügte er hinzu: "Oder ich kehre für eine Weile nach Tailon Orikos zurück!"
Anders:
An seinem Gesicht konnte die Kenderin ablesen, dass sie wohl einen empfindlichen Nerv getroffen hatte. Was ihm dabei wohl durch den Kopf ging.
Als er ihr dann seine Antwort gab nickte sie.
"Ist gut. Versteh ich. Dann frage ich in ein paar Monden nochmal nach wenn ich darf. Hab ja nicht vor sobald abzudanken."
Sie grinste und spielte an einem der Zöpfchen in ihrem Haar herum.
Jedes stand für einen Guten Grund am Leben zu beleiben. Jedes für einen Teil aus ihrer Vergangenheit.
"Trotzdem danke das du mich angehört hast. Nicht jeder nimmt sich die Zeit dafür." Sie lächelte den großen Mann herzlich an. Dann drehte sie sich wieder zu Vanion um und strahlte ihn ebenfalls an.
"Und was machst du heute noch so?", wollte sie wissen.
Vanion:
"Ich bin mir sehr sicher, dass ich Wassilij auffordern werde, bei mir zu bleiben, anstatt Kassos' Angebot anzunehmen. Ich bin mir genauso sicher, dass es eine dumme Idee ist, nach Tailon Orikos zurückzukehren. Dazu ist die Zeit noch nicht reif, schätze ich."
Vanion schüttelte den Kopf. "Lass alten Wunden Zeit, zu heilen! Ich würde eher sagen, wir beide lassen uns eine Zeitlang bezahlen für das, was wir recht gut können. Du noch besser als ich." Der Knappe ging davon aus, dass Wassilij seinen Aufzug gesehen hatte, und auch die Männer, die in der Ecke saßen. "Zwei Abenteurer, die für Geld ihre Arme hinhalten. Die sonst keine Verpflichtungen haben." Für einen Kender war da wohl kaum Platz, dachte Vanion - und stellte mit Erstaunen fest, dass er Anders vermissen würde. Nochmal sah er sich um, ob ihnen keiner lauschte - und senkte die Stimme.
"Genug Heimlichkeit für jetzt. Aber das muss unter uns bleiben. Ich will irgendeinen Beweis finden, der Roquefort mit Lorainnes.. Tod in Verbindung bringt. Wir wurden doch als Söldner angeheuert, richtig? Genau wie der Trupp, der uns überfallen sollte. Irgendwo sitzt irgendjemand, der Geld von Roquefort bekommt. Diesen jemand möchte ich finden. Also werde ich wohl, da meine Rittermutter tot ist, wieder, sagen wir, freischaffend arbeiten, und das rein zufällig in Caldrien tun. Ich könnte jemanden gebrauchen, der mir den Rücken deckt. Jemanden, der an Kassos' Kriegerschule überflüssig ist, jemand, der gut und schnell reisen kann - und der weiß, wen man fragen kann, um an die richtigen Stellen zu gelangen. Jemanden, der Stillschweigen bewahren kann, und jemandem, dem ich voll und ganz vertraue." Auch wenn Gorix und Balerian mich deswegen für dumm halten. "Jemanden wie dich, Wassilij."
Als er sah, dass Wassilij überlegte, wandte er sich Anders zu. "Jemanden, der unterwegs Löffel stiehlt und Gegenständen zuhört, ist da nur im Weg." Die harten Worte taten ihm fast Leid. "Aber jemand, der spitze und gute Ohren hat, kann auf andere Art helfen. Wenn dieser jemand nicht grade auf Kleider und Hosen schaut, sondern die wichtigen Details erfassen kann. Und wenn dieser jemand" - und daran wird es wohl scheitern.. - "an der richtigen Stelle den Mund halten kann." Gewisse Völker litten unter gewissen Klischees - und auch wenn Vanion die junge Kenderin anders kennengelernt hatte, so war er doch noch lange nicht so vertrauensselig wie früher. Er vertraute ihr, gewiss, und bis zu einem gewissen Grade auch ihre Verschwiegenheit - aber sie ließ sich so auf einfach ablenken. Schielte sie nicht grade schon wieder auf den Holzanhänger mit dem Namen seiner Tochter, der an einem dünnen Lederband an seinem Hals hinabbaumelte?
Wassilij:
Wassilij dachte gut nach, während er Vanion und Anders zuhörte und sich Tee bestellte.
Was sollte er tun? Früher war alles so einfach. Seine Meister hatten ihm Aufträge gegeben, ansonsten konnte er tun, was er wollte. Dann löste er sein Versprechen ein und schützte Jelena. Doch dieses Versprechen konnte er nicht mehr einhalten. In seinem Innersten war ein Loch. Gefühle von früher, waren nur noch Erinnerungen. Was war richtig und was war falsch? Seine Prinzipien hatten ihn früher bestimmt. Doch jetzt? Er erinnerte sich, ja, aber das war alles eine Erinnerung. Galoria und Freunde aus der Vergangenheit hatten begonnen ihm zu helfen. Ja, einen Teil seines alten Selbst hatte er zurück gewonnen. Zumindest glaubte er das.
Er schloss die Augen und trank einen Schluck heißen Tee. Ruhe, das war der Schlüssel. Er atmete kurz tief ein und aus.
Kassos Angebot hatte er annehmen wollen um Fehler zu vermeiden. Kassos wäre im Stande gewesen ihn im Notfall von Dummheiten fern zu halten. Doch wollte er wirklich unterrichten? Seine Künste weiterreichen? Eigentlich war es das nicht. Und dann könnte er nicht gut unterrichten. Und was dann? Nein, später könnte er vielleicht darauf zurück kommen. Also müsste er Kassos bescheid geben und das würde er in jedem Fall tun. Kassos würde verstehen, dass er Vanion helfen wolle. Das wusste Wassilij.
Erneut nahm er mit einem tiefen Atemzug einen Schluck Tee.
Tailon Orikos. er war so weit, das wusste er. Aber wollte er das wirklich? Hatte er durch seine Tat nicht die Aufgabe beendet? Andererseits seine Fähigkeiten könnten nützlich sein. Doch was wusste er schon darüber? Nichts, also musste er das alles erst lernen, lernen hieß Wissen finden und einen Lehrmeister. Das würde Zeit kosten. Möglicherweise würde er wieder für ein paar Jahre verschwinden und wieder seine Freunde zurücklassen müssen, was er wiederum nicht wollte. Und wo würde er anfangen? Wen fragen? Bei den falschen Ohren, würde er das Geheimnis lüften und alles wäre vergebens. Wassilij wurde sich darüber im klaren, dass er Hilfe von anderen Hochrangigen Klerikern brauchen würde. Nun davon kannte er genug. Auch hochrangige Magier. Doch seit seiner Rückkehr, hatten sich ihre Einstellungen ihm gegenüber scheinbar geändert. Das spielte keine Rolle. Sein Geheimnis, würden sie immer noch für sich behalten.
Ein weiterer Schluck, ein weiteres mal atmen.
Vanion. Wassilij hatte das Gefühl, ihm etwas zu schulden. Ebenso Simon und Lorainne. Es würde gut tun. Er könnte Freundschaften pflegen. Seinen Körper wieder in Form bringen und wieder zu seinen alten Leistungen zurück finden. Ja, diesen Weg musste er nun einschlagen.
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