Die Gebiete in Caldrien > Engonia - die einstige Kaiserstadt
Wassilij in Engonia
Lilac:
Der Laden war zum Umdrehen und Rauslaufen! Es stank nach Eingeweiden, altem Fleisch, Kohlgerichten, verdorbenem Gemüse und menschlichen Ausdünstungen.
Lebensmittel verschiedenster Arten lagen zu dicht aneinander - das rohe Fleisch z.B. berührte an mehreren Stellen das Obst - vieles war nicht korrekt verpackt. Fliegen surrten umher und man konnte zu Recht davon ausgehen, dass des Nachts Ratten und anderes Ungeziefer seine Streifzüge durch die Auslage machte.
Passend hierzu waren die zwei Männer - ganz eindeutig Vater und Sohn, die sich beim Eintreten des Fremden ein breites Grinsen auf das Gesicht zauberten, das jedoch die Augen nicht erreichte.
"Dobar dan, brat", grüßte der Ältere in Medvjedstani. Seine Aussprache war undeutlich und roh, als sei er es nicht gewohnt, freundlich in dieser Sprache zu sprechen. In seinen Augen blitzte der schlecht verhehlte Argwohn und eine gute Portion Geldgier.
"Sei gegrüßt.", nickte der Jüngere kurz angebunden, während er offenbar dabei war, im Kopf 'Stanislav's Worte in die Gemeinsprache zu übersetzen.
Wassilij:
Stanislav wechselte mit starkem Akzent in die Gemeinsprache.
"Wie kommt es, dass ich ausgerechnet hier auf Leute meines Volkes stoße? Und dann verkauft ihr noch gutes Essen wie in der Heimat. Sonst bekommt man hier doch nur Schweinefraß."
Lilac:
"Mein Vater, die Götter wachen über ihn, ist hierher gekommen, als ich noch ein kleiner Junge war.", antwortete der Ältere vorsichtig ebenfalls in der Gemeinsprache. Die Tatsache, dass sein Vater dem Volk seiner Ahnen den Rücken gekehrt hatte, weil er dort für seine Ansichten verachtet worden war, sprach er nicht aus. Aber es stand offenkundig im Gesicht des Händlers geschrieben, dass er sich fragte, zu welcher "Sorte" Medvjedstani der Fremde wohl gehörte.
Der Jüngere hingegen grinste 'Stanislav' nun mit einem kalkulierenden Ausdruck breit an.
"Ah, ein Kenner guter Kost! Wir haben frischen Riblji paprikaš da und den guten Grah vom Vortag und dazu einen wunderbaren Pelinkovac, um den Schlund aufzuräumen! Oder soll's lieber was Süßes sein? Wie wäre es mit Međimurska gibanica?"
Er drehte sich zu einer Tür, die offenbar in den hinteren, privaten Bereich des Hauses führte.
"Jabucica! Beweg deinen goldigen Arsch hierhin und bring die Gibanica her, die Großmutter gezaubert hat!", brüllte er, nur um sich sofort wieder mit diesem schleimigen Grinsen 'Stanislav' zuzuwenden.
Wassilij:
"Stanislav" ignorierte das schleimige und fasste es offensichtlich nur als Freundlichkeit auf.
"Ich nehm' das erste. danach ist immer noch Platz für Süßes!"
Stanislav wies mit einem Grinsen auf den jüngeren.
"Mein Freund, Euer Sohn ist ein besserer Geschäftsmann, als ihr es seid! Habt ihr noch mehr solcher Kinder, auf die ihr stolz sein könnt?"
Lilac:
"Gute Wahl!", meinte der Junior zustimmend und nickte bekräftigend, bevor er sich erneut umdrehte, um ins Haus zu brüllen.
Der Senior hatte sich so wenig unter Kontrolle, dass der unwillige Gesichtsausdruck ganz offen zu sehen war.
"Klar, einen ganzen Stall voll Kinder hab ich! Aber er hier, mein Mlad, er ist der Beste! Mein Ältester! Mein ganzer Stolz..."
Offenbar hatte er noch etwas anderes sagen wollen, doch in dem Moment kam ein verheult aussehendes Mädchen - nein, eher eine junge Frau durch die Tür und versetzte dem düsteren Laden schlagartig etwas Sonne.
Die schlanke, durch viel Bewegung anmutige Gestalt mit dem hüftlangen, goldblonden Zopf trug ein infaches, langärmeliges Hemd aus ungefärbtem Leinen, einen grünen Rock und eine Veste. Bei näherem Hinsehen offenbarten sich grobe, aber klassisch traditionelle Stickereien an allen Säumen (Pferde waren auffällig häufig). Auf einer Tonplatte, die mit typisch medvjedstanischen Mustern verziert war, brachte sie ein unglückliches Etwas, das wohl die Gibanica sein sollte, herein.
"Aaahh, mein Äpfelchen!", sagte der Alte etwas zu dick aufgetragen, während er dem Mädchen die Hand auf den Rücken legte und sie vor den Besucher schob.
"Meine Tochter, Jabucica. Lächle Kind, wir haben Besuch aus der alten Heimat!", merkte er an und sah bei dem Wort 'Heimat' aus, als hätte er Zahnschmerzen.
Jabucica war jedoch offensichtlich nicht danach zumute, 'Stanislav' anzulächeln. Sie gab sich kaum Mühe, die Reste verzweifelter Wut aus ihrem Gesicht zu verbannen und zog sogar einmal trotzig die Nase hoch, während sie den Fremden von unten herauf schmollend anblickte.
Als ihr Bruder dies mitbekam, versetzte er ihr einen Schlag auf den Hinterkopf.
"Jetzt benimm dich mal! Was soll denn der gute Mann von dir denken?! So weit gereist, wie er ist?! Trifft hier auf Landsleute und du benimmst dich, als seist du in einer Pferdeherde groß geworden!"
Er legte eine derart abwertende Betonung auf das Wort 'Pferdeherde', dass jedem echten Medvjedstani klar sein musste, dass hier die Volkskultur mit Füßen getreten wurde.
Jabucica zuckte zusammen, doch sie presste ihre Lippen feste aufeinander und in den Augen flackerte kurz ein wildes Glitzern auf. Das letzte Wort in dieser Sache schien noch nicht gesprochen...
Mlad drängte seine Schwester einfach zur Seite und lenkte die Aufmerksamkeit Fremden auf einen großen Kessel, in dem Fisch, Paprika und diverse andere Dinge zu einer Art Eintopf vermatscht waren.
"Eine Portion? Sonst kann ich auch ein irdenes Gefäß vollmachen, damit auch für später noch was zum Aufwärmen da ist! Wenn Ihr den Pott zurückbringt, bekommt ihr die zusätzlichen 4 Kupfer dafür sogar zurück..."
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