Autor Thema: Der Aine-Tempel  (Gelesen 12946 mal)

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Der Aine-Tempel
« am: 10. Mai 06, 14:02 »
Müde und staubbedeckt war Jelena mit ihrer Reisegruppe spät abends in Fanada eingetroffen, das miserable Wetter aus Salmar und die Kälte tief in den Knochen.
Sie hatten zum Glück in der gewohnten Herberge genug Zimmer gefunden und sich alle früh zurückgezogen um sich den Schlamm und Staub der Straßen von den Körpern zu waschen.
Am nächsten Morgen brach Jelena zeitig auf und machte sich auf den Weg zum örtlichen Aine - Tempel.
Wie der Wirt ihr versichert hatte, besaß auch dieser eine umfassende Bibliothek und solange Jelena sich in Fanada aufhielt, gedachte sie sich das zu Nutzen zu machen.
Tior, dieser siebenmal verfluchte Bettvorleger, spielte seit bald zehn Monden nach seinen Regeln mit ihrer Seele und ihrem Verstand... Zeit das sie das änderte...
"Schmuggeln? Ich bin reich genug um zu bestechen, ich muss nicht Schmuggeln!"

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Der Aine-Tempel
« Antwort #1 am: 10. Mai 06, 18:08 »
Der Vorsteher der Bibliothek sah sie zwar etwas befremdet an als sie ihm ihren Wunsch äußerte, aber da er, ebenso wie seine Göttin, strikt neutral war, geleitete er sie zu den betreffenden Regalen und stellte ihr einen der Studierplätze zur Verfügung.
Jelena bedankte sich und versank bald in den Schriftrollen die von der Erschaffung der Welt und ihren Göttern berichteten...
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Der Aine-Tempel
« Antwort #2 am: 12. Mai 06, 00:23 »
Sie fand auch Legenden über Tiors Wirken, wie die Bestrafung von Hagard, dem Frevler, bei der Tior als rasender Zorn des engonischen Götterpantheons Hagards unseligen Treiben ein Ende setzte und dabei dem Meer das Becken schuf, das noch heute als "Tiors Hand" bekannt ist.
Sie erfuhr, daß das Gros der silvanajaschen Barbarenstämme Tior oder einem seiner diversen Avatare huldigte und im Zuge dessen auch, daß es auch schon in der Vergangenheit immer wieder Söldnerverbände gab, die sich direkt auf Tior beriefen.
Und es fiel ihr schwer, ein grimmiges Lächeln zu unterdrücken, als sie von Tiors jämmerlichen Lage las...
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Offline Jelena

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Der Aine-Tempel
« Antwort #3 am: 12. Mai 06, 09:42 »
Möge er an dem verfluchten Schwert ersticken... dachte Jelena bei sich selbst, während sie aufstand und sich etwas streckte. Sie wußte gar nicht wieviel Zeit vergangen war, aber es musste wohl nach Mittag sein.
Die Heilerin nahm die letzte Rolle zur Hand und las den betreffenden Abschnitt noch einmal: "... nur mit Gold überquert er den Fluß aus Blut und reiht sich ein in die Krieger, die danach trachten ihren Gott von seinen Fesseln zu befreien..."
Jelena starrte sinnend in das Licht der Talglampen... das war das höchste Gut nachdem seine Jünger strebten, seien es nun Rogars Södner oder die Soldaten des Lupus Umbra: mit Tiors Namen auf den Lippen im Kampf zu sterben und so zu ihm zu gelangen...
Jelena schüttelte den Kopf, im Allgemeinen stand sie anderen Göttern und deren Geboten neutral gegenüber, so wie es ihr eigener Glaube gebot. Schließlich hatte sich jeder dieser Männer freiwillig dazu entschieden seine Seele Tior anzuvertrauen und in einer gefährlichen und brutalen Welt wie ihre es nun einmal war, verstand sie auch die Beweggründe.
Aber all das erklärte immer noch nicht wieso er sie selbst überhaupt wahrnahm geschweige denn verpflichtete!
Sie nahm wieder Platz und suchte weiter...
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Der Aine-Tempel
« Antwort #4 am: 12. Mai 06, 10:47 »
... doch nichts, nichts und wieder nichts ließ sich finden, das ihr diese Frage hätte beantworten können! Wenn es eine Antwort auf diese Frage gab, denn vermutlich nicht in diesen Schriftrollen.
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Der Aine-Tempel
« Antwort #5 am: 12. Mai 06, 11:21 »
Irgendwann gab Jelena auf.
Sie war müde, hungrig und durstig und vor ihren Augen tanzten bunte Punkte durch das flackernde Talglicht.
Sie seufzte und begann die Schriften in die Regale zurückzutragen.
Anschließend ordnete sie ihre eigenen Notizen.
Vielleicht war die Erklärung für Tiors Interesse an ihr schlicht und ergreifend Neugierde? Es war eine Erklärung genausogut wie jede andere... Dankbarkeit schloß sie sofort aus, das war kein Aspekt der dem Starken zustand und Stärke war es ja, welche Tior als Tugend über alle anderen stellte.
In Jelena regte sich wieder der geheime Verdacht, das dieser Wolf einfach einen perfiden Sinn für Humor hatte, eine Annahme, der jeder Lupus Umbra und auch der frisch geweihte Grendar vehement widersprochen hatten, aber irgend etwas sagte Jelena das sie ihren Gott vielleicht nicht so gut kannten wie sie dachten...

Nach einer weiteren halben Stunde des darüber brütens packte die Heilerin ihre Sachen zusammen und machte sich auf die Suche nach dem Vorsteher der Bibliothek, vielleicht konnte er ihr ja einige Fragen beantworten.
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Der Aine-Tempel
« Antwort #6 am: 12. Mai 06, 12:36 »
Nach kurzer Zeit fand sie auch den Tempelvorsteher, der in weiße Gewänder gehüllt vor einem kindsgroßen Bergkristall stand und diesen mit Weihrauch einnebelte. Dabei bewegten sich seine Lippen in einem stillen Gebet.
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Der Aine-Tempel
« Antwort #7 am: 12. Mai 06, 13:56 »
Jelena stellte sich in angemessener Entfernung hin und wartete respektvoll bis das Gebet beendet war.
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Der Aine-Tempel
« Antwort #8 am: 13. Mai 06, 13:51 »
Kurz darauf kam ein junger Tempeldiener, offensichtlich ein Novize angerannt, deutete vor dem Kristall einen Knicks an und nahm dem Priester die Schale mit Weihrauch aus den Händen, die dieser ihm wie selbstverständlich entgegen hielt. Nun kniete sich auch der Priester für einen Augenblick hin, murmelte erneut ein paar Worte und erhob sich dann wieder. Als er sich dann umdrehte fielen Jelena sofort die vor Leben strahlenden freundlichen blauen Augen unter den buschigen weißen Augenbrauen des alten Priesters auf. Auf seinem Gesicht war keine Regung der Überraschung auszumachen, dass da jemand auf ihn wartete.

"Komm ruhig näher, mein Kind, und sag einem alten Mann, wie er dir helfen kann."
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« Antwort #9 am: 13. Mai 06, 14:26 »
"Seid gegrüßt, Herr." begrüßte Jelena den Geweihten höflich mit einem angemessenen Knicks.
"Ich komme auf der Suche nach Antworten auf Fragen, die mir auf der Seele lasten."
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« Antwort #10 am: 13. Mai 06, 14:40 »
"Doch gibt es auch Antworten, die schwerer lasten als die Fragen, mein Kind. Und nicht für jede Frage gibt es eine Antwort, die wir Menschen mit unserem Geist zu fassen vermögen. Doch vielleicht ist dir die Göttin hold, vielleicht kenne ich ja die Antwort auf deine Frage. So sag mir: Was liegt dir auf dem Herzen?"
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« Antwort #11 am: 13. Mai 06, 14:53 »
Jelena zögerte einen Augenblick lang, so als müsse sie nach den richtigen Worten suchen, aber in Wahrheit fragte sie sich ob sie nicht auf diesen freundlichen, alten Herrn hören sollte, ihre Fragen einfach sein lassen, so schnell wie möglich Engonien verlassen und in absehbarer Zeit nicht wiederkehren?
Jelena seufzte, sie hatte noch nie den Kopf eingezogen und dieses Mal würde sie es auch nicht tun, ob nun zum Guten oder Schlechten. Außerdem war es auch mehr als wahrscheinlich das sie einfach keine Antworten erhalten würde.
"Ich versuche Tiors Wesen zu ergründen, Herr."
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« Antwort #12 am: 13. Mai 06, 15:03 »
Die Augenbrauen hoben sich erstaund und seine Züge runzelten sich zu einem Schmunzeln.

"Du versuchst einen Gott zu ergründen? Ich kenne dich nicht, mein Kind, aber schon viele kluge Männer und Frauen taten es schon vor dir. Die meisten sind verzweifelt. Die wenigen anderen sind entweder wahnsinnig oder Propheten geworden. Ganz wenige sogar beides!"

Bei diesen letzten Worten musste er kurz auflachen.
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« Antwort #13 am: 13. Mai 06, 15:18 »
Jelena hob ihre rechte Augenbraue und lächelte ironisch, so als ob sie die Möglichkeiten für sich selbst bereits in Betracht gezogen hatte.
"Ich habe die falschen Worte gewählt... ich versuche zu ergründen was Tior dazu bringt sich in mein Leben einzumischen und das immer wieder." Noch während sie es aussprach, wurde ihr bewusst wie dumm es sich anhörte. Tior war ein Gott und er brauchte keinen Grund für das was er tat, er tat es einfach!
Auf dem sonst so verschloßenen Gesicht der Heilerin spiegelten sich all die Gefühle wie in einem Mosaik wieder.
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« Antwort #14 am: 14. Mai 06, 22:48 »
Wenige Schritte hinter Jelena ertönt eine fremde Stimme, die sich recht unhöflich in das Gespräch einmischt:
"Wie der ehrenwerte Vater schon gesagt hat heißt der Weg die Ewigen zu verstehen Glauben und nicht Wissen, Vertrauen und nicht selbst zu entscheiden. Das Schicksal und die Zukunft zu sehen ist nur den Göttern vorbehalten, die uns dann wiederum Erkenntnis erlangen lassen oder auch nicht, wie es ihnen beliebt. Wie Kinder in einem hohen Rapsfeld können wir kaum einen Schritt weit sehen bis unser Blick im güldnen Gelb erstickt, während unsere Eltern durch das Feld waten, die Augen in die Ferne gerichtet und uns einen sicheren Weg weisen. Wollt ihr, dass euch Tior auf den Arm nimmt und euch die weite Welt mit seinen Augen zeigt? Ich hoffe doch nicht. Aber vielleicht lasst ihr euch ja von einem anderen Kind flüstern, was dieses von seinen Eltern gehört hat."

*Der Priester und Jelena drehen sich zu dem Fremden um. Als der Aine Prister den jungen Mann in der Mönchkutte erblickt wir sein Blick weich und fürsorglich und er beginnt zu schmunzeln.*

"Sagt glaubt ihr an das Schicksal Jelena Jakovljeva?"
Ein Wissenschaftler, der sagt "unmöglich" liegt fast immer falsch. Einer, der sagt "möglich" hat fast immer Recht - Dr.Henry McCoy

def."fast": Alle bis auf endlich viele

Endlich ist zwar nicht Unendlich, aber es kann trotzdem ziemlich viel werden - Ponder Stibbons