Einige Zeit war nun schon vergangen und zwischenzeitlich hatte sie sich zu Whydh, der Wildelfe begeben, die die Chaosanhänger mit zielsicheren Pfeilen störte. So konnte sie Whydh vor durchbrechenden Gegnern warnen und schützen. Außerdem konnte sie sie zwischendrin auf Hexer in den gegnerischen Reihen aufmerksam machen, die eine große Gefahr darstellten und an die die Nahkämpfer nicht heran kamen. Dennoch war es schwer, in dem Kampfgetümmel den Überblick zu behalten und nicht selbst zum Ziel der Bogenschützen zu werden. Immer wieder ging ihr Blick über die Front und das Geschehen um sie herum.
Da sah sie plötzlich die Kaiserin nur wenige Meter von sich entfernt, ihr gegenüber ein Spinnenwesen. Sie sind jedoch zu weit weg um verstehen zu können, was dort vor sich geht und was gesprochen wird.
Die Kaiserin wollte an unserer Seite kämpfen sagte sie. Werden wir jetzt gewinnen können?
Doch noch als Stella diese Frage durch den Kopf geht sieht sie, wie die Kaiserin zusammenbricht. Entsetzen macht sich breit, ein Moment der Ratlosigkeit bis irgendwo in der Nähe jemand ruft: “DIE KAISERIN IST TOT. FLIEHT DURCH DAS SÜDPORTAL!”
Doch die Information geht in der Fassungslosigkeit unter, die die Umstehenden ergriffen hat während die Information es noch nicht über das Schachtfeld, geschweige denn durch die Stadt geschafft hat. Ungläubigkeit darüber, was hier passiert ist lähmt sie - sollten sie wirklich aufhören und sich zurückziehen? Weltenwacht aufgeben?
Stella erinnerte sich an die Geschichte von Kadegar und Lyra über die letzten Jahre in Weltenwacht. Dass sie schon einmal flüchten mussten, die Geschichte über das neue Herz von Weltenwacht an dem Kadegar selbst mitgewirkt hatte.
Sie hatte es sich angehört doch bis die beiden ihnen vorhin geraten hatten, Fluchtgepäck bereit zu legen hatte sie nicht daran gedacht, dass es vielleicht auch diesmal so ausgehen könnte.
Und jetzt stand sie hier und sah wie Inat Laronn den leblosen Körper der Kaiserin sanft hochhob und in seinen Armen liegend vom Schlachtfeld trug. Er schien die weiter tobenden Kämpfe um sich herum völlig zu ignorieren, als hätte er alle Zeit der Welt.
Wieder rief jemand, dass sie zum Südportal fliehen sollten.
Also rannte auch sie den Weg hinab zum Lager und griff ihre Sachen und lief dann nervös dort auf und ab, den Blick auf den Weg zum Schlachtfeld gerichtet, die anderen erwartend.
Nach und nach zog sich die Schlachtreihe den Weg entlang zurück, das Lazarett lag mittlerweile schon in der Kampfzone und war zum Glück schon verlassen worden mit allen, die noch irgendwie von dort weggebracht werden konnten.
Dann kam Leonie auf sie zu: “Stella, wir müssen zum Portal. Komm, lass uns schon mal gehen.”
Zum Portal…. Ja… Das machte Sinn….Aber…. Wo waren die Anderen?
Dann sah sie die Nordhunde und ein paar andere Kämpfer ihrer Gruppe wie sie mit einigen weiteren Kämpfern, die ihr nicht bekannt waren versuchten, die Linie zu halten und langsam immer weiter zurück gedrängt wurden.
“Ysander! Sasha! Karsten! Maugrimm! Wir müssen zum Portal! Kommt schon!”
“Wir decken den Rückzug!”
“Aber…”
“Irgendwer muss es ja machen. Los, haut ab, wir kommen nach.”
Natürlich tut ihr das… Wie hätte ich etwas anderes erwarten können…
Sie wusste, dass jedes Wort zu versuchen, sie davon abzubringen umsonst sein würde.
Elende Dickköpfe…Das ist Wahnsinn! Wenn euch jetzt hier was passiert…
Sie riskierten ihr Leben dort vorne und sie konnte nichts tun… Sie hoffte nur, dass sie alle den Weg dorthin überleben würden. Wie eine kalte Hand umschloss die Gewissheit über die Ereignisse ihr Herz und eine Träne in den Augen trübte ihre Sicht.
Unschlüssig stand sie dort. Sie konnte doch jetzt nicht einfach gehen... “Jetzt komm schon, Stella! Damian hat gesagt, wir sollen gehen. Er will, dass wir in Sicherheit sind!”
In Sicherheit…
Im Angesicht der momentanen Lage kam ihr dieses Wort seltsam und fremd vor.
Leonie griff ihre Hand und nahm sie ein paar Schritte den Weg entlang Richtung Portal mit in denen Stella sich immer wieder umdrehte und besorgt versuchte einen Blick auf die Kämpferlinie zu bekommen und sich nur sehr wiederwillig auf den Weg machte.
Aber was, wenn sie es nicht schaffen? Wir können sie doch nicht da vorne alleine lassen. Alle oder keiner. Das hatten sie sich geschworen. Sie würden alle hier raus bringen. Oder bei dem Versuch sterben. Das hier ist die falsche Richtung! ALLE ODER KEINER!
Sie waren nur wenige Schritte weit gekommen als Stella sich umdrehte und stehen blieb.
„Stella, wir müssen weiter! Zum Portal!“ Die Worte der Laviniapriesterin hallten in ihrem Kopf wieder wie ein Echo, Tränen rannen ihre glühenden Wangen herab während sie beim Gerichtsgebäude auf der Straße standen und die Menge an ihnen vorbei zog. Die Priesterin zerrte verzweifelt an ihrem Arm während Stella den Gedanken aussprach, der die ganze Zeit in ihrem Kopf kreiste und ihren Drang nährte, sich durch die Menschenmengen zurück zu kämpfen, die ihr entgegenströmten.
„Aber die anderen…!“
“Aber wir können nichts tun! Damian hat mich mit dir weggeschickt damit er uns in Sicherheit weiß! Sie werden es schon alle schaffen. Sasha wird dafür sorgen.”
Noch einen Moment lang stand sie so da, die Priesterin zerrend an ihrem Arm bis sie ihr langsam nachgab und anfing zu beten.
“Lavinia, oh große Mutter, die du ein Auge auf all deine Kinder hast, bitte halte deine Hand schützend über uns alle auf dass wir heil nach Hause zurück kehren können.
Alamar, du Licht in der Dunkelheit, das uns leuchtet, wenn wir unseren Pfad zu verlieren drohen und uns immer an die Gerechtigkeit erinnerst nach der wir streben. Sei uns auch jetzt leitendes Licht und strafe die, die Chaos und Verderben über diese Stadt bringen wollen.
Tior, großer Krieger, gib unseren Kriegern, die dort vorn für uns kämpfen, ihr Blut vergießen und die Schwachen schützen die Kraft und das Geschick das sie brauchen, um lebend aus diesem Kampf hervor zu gehen.”
An Naduria und Aine fielen ihr keine passende Bitte ein, also beließ sie es dabei.
Dann erreichten sie schon die untere Wiese vor dem Südportal wo weitere Gruppen nach ihren vermissten Mitgliedern Aussschau hielten.
Stellas Blick schweifte schnell und nervös über die Köpfe und hielt Ausschau nach vertrauten Gesichtern und dann wieder zurück den Hang hinauf.
Kommt schon, kommt endlich! Verdammt, wo bleibt ihr denn nur… Los doch!
Und immer weiter, Schritt für Schritt zog die Priesterin sie weiter rückwärts dem Portal entgegen in Sicherheit, während ihr Blick nicht von der Wegkante wich an der die Kämpfer hoffentlich bald auftauchen würden. Sie hatten das Portal schon erreicht als Leonie Maugrimm am anderen Ende der Wiese ausmachen konnte. Das hieß, dass auch Sasha und die anderen nicht weit sein konnten - hoffentlich.
Mit diesem Gedanken erreichte sie die andere Seite des Portals.
Sie kniete sich auf dem Boden im Gedränge zwischen den anderen verzweifelten Seelen die schrien, weinten und ihre Vermissten suchten. Neben ihr knieten Leonie, und Whydh, die Wildelfe die sie auf dieser Seite des Portals gesehen hatten. Sie hielten sich an den Händen und beteten zu ihren Göttern, dass ihre Freunde alle lebend auf dieser Seite ankommen würden.
Nach gefühlten Ewigkeiten hörte sie erst wie Sonea, die das Ritual am Nexus begleitet hatte auf dieser Seite des Portals ankam und rief, dass sie etwas vom Herz von Weltenwacht retten konnten, die Hand triumphierend in die Höhe gestreckt, in der sie einen der Kristalle des Nexus hält.
Sie waren erfolgreich, zum Glück! Es gibt vielleicht doch noch Hoffnung! Dann sind hoffentlich auch Kadegar, Lyra und Ardor nicht weit...