Autor Thema: Norngard, Winter 264/265 n.J.  (Gelesen 11544 mal)

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Offline Simon de Bourvis

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Norngard, Winter 264/265 n.J.
« am: 03. Feb 15, 21:36 »
Er hatte sich nur knapp von allen im Gasthof an der Fähre über den Beran verabschiedet, seine Laune war auf einem Tiefpunkt.
Nach dem Duell mit Kassandra hatte er gehofft eine Antwort auf seine Gebete zu hören.

Das Wetter war immernoch schlecht und unter der Schneedecke waren vereiste Stellen, also stieg er ab und führte das Pferd am Zügel. Der Schnee verhinderte eine gute Sicht auf die Landschaft, was ihn mehr betrübte, als er erwartet hatte.
Das Heim von Tannjew und Alaron, ein Lehen in Konars ehemaliger baronie, im Herzen dessen , was einmal seine machtbasis gewesen war. Und ausgerechnet jetzt, wo er besuchen konnte, reichte die Sicht nicht mal wenige Meter.

Um ihn herum war das heulen des Windes und ausserhalb der Gugel  war alles nur weisse Schemen, allein das beständige Ziehen des Zügels an seiner Rechten war ein Anker in die Wirklichkeit, ansonsten war er allein mit seinen Gedanken.

Es konnte nur eine Erklärung für das Schweigen des Gottes geben: Selbst jetzt noch, wo er sich seines Titels entledigt hatte, waren da zuviele Dinge in seinem Kopf , die ihn ablenkten, alte Rechnungen, neue Pläne.
Tiors Weg würde erst offenbar werden, wenn er mit sich selbst im Reinen war.
Das war der eigentliche Grund für den Besuch des Tempels in Norngard.

Er würde Tannjew treffen und die Sache ein für alle mal klären.

Der Wind heulte und zerrte an der Gugel. Das wäre doch was, der Ordenskrieger, der die Stimme seines Gottes nicht hörte, weil der Wind zu laut heulte!
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Offline Simon de Bourvis

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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #1 am: 04. Feb 15, 21:32 »
Es war schon dunkel, als er Norngard erreichte, zu spät um nach dem Herren des Hauses zu fragen.  Also bat er um ein Nachtlager und durfte im Sall auf dem Heuboden schlafen.
Windgeschützt war es immerhin und die Anwesenheit der Tiere sorgte für etwas Wärme.

Nach de Morgengebet am nächsten Tag bat er zu Tannjew vorgelassen zu werden.
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Offline Tannjew

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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #2 am: 06. Feb 15, 14:46 »
Nervös zuckte Tannjew zusammen, als es unerwartet an seiner Tür klopfte und ihn so aus seinen sorgevollen Gedanken riss.
Es war gerade mal zwei Tage her, dass der kleine Tempel Tiors, der von der Größe her eher einer Kapelle glich, durch Mika auf die Hausgöttin der Norngarder umgeweiht worden war. Nun ruhte das Schwert Maranwe, die Gabe Nedras an die Norngarder, auf dem alten Sockel im Tempel, wo Tannjew es schon als kleiner Junge bestaunt hatte.  Tannjew hoffte mit der Umweihung des Tempels den Zorn Nedras auf das Haus Norngard mildern zu können. Aber er musste sich eingestehen, dass seine Sorgen nun eher gewachsen waren. Konnte diese Handlung tatsächlich Nedras Zorn auf die männlichen Nachkommen des Hauses Nedra besänftigen? Und welchen Zorn musste diese Handlung erst bei Tior erregt haben? Mit Reue erinnerte sich Tannjew an die Zeit, als er selbst Tior so ergeben war, dass er für einen einfachen Novizin Tiors einen Mord beging - einen Mord, der letztendlich zum Ausbruch des zweiten Brüderkrieges führen sollte…
Tannjew schüttelte den Gedanken ab und rief den Knecht herein. Dieser erwähnte die Ankunft eines Dieners des Kriegsgottes - Tannjew ließ fast seinen Becher fallen. Vorsichtig stellte er diesen auf den Tisch und bat seinen Knecht, den Gast herein zu lassen.

Offline Simon de Bourvis

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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #3 am: 06. Feb 15, 20:24 »
Die Kammer, in die man ihn führte war einfach, gut, nicht so einfach wie Bourvis, aber irgendwie hatte er das Haus Norngard immer für etwas, nun, dekadenter gehalten.

Er trat gemessen an den Tisch, hinter dem Tannjew Platz genommen hatte, deutete eine Verbeugung an, gerade genug um der Etikette genüge zu tun. Dann zog er seine Handschuhe aus und legte sie vor sich auf die Tischkante.

"Tannjew." Es war irgendetwas zwischen Begrüssung, Feststellung und Anklage.

"Ich habe sehr lange mit mir herumgetragen, worüber ich mit dir sprechen möchte. Das war sicher nicht die beste Entscheidung. Allerdings sind es Dinge, die ich nicht in der Öffentlichkeit zu besprechen bereit bin."

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Offline Tannjew

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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #4 am: 06. Feb 15, 20:38 »
"Simon," erwiderte Tannjew ohne die Überraschung zu verhehlen, die ihn beim Anblick des firngardischen Ritters befiel. Er hatte erwartet, oder eher gehofft, den seit Tagen überfälligen Leif Erikson aus Argeste begrüßen zu dürfen. Der argester Ritter hatte zugesagt mit einigen Landsleuten nach Norngard zu kommen, um die Expedition in den Lorinan zu unterstützen. Einen Wimpernschlag später fing er sich wieder und wies auf einen Schemel nah am Kamin.
"Setzt Euch. Oder auch nicht, wenn Ihr lieber stehen mögt. Darf ich Euch einen Schluck Met anbieten?" Ohne abzuwarten öffnete er bereits einen uralten Eichenschrank, dessen verzogene Tür ein lautes Quietschen von sich gab, und entnahm einen einfachen Tonbecher.

Offline Simon de Bourvis

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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #5 am: 06. Feb 15, 20:49 »
Simon hob abwehrend die Hand: "Vielleicht sollten wir lieber nüchtern bleiben."

Er brauchte einen Moment um sich zu sammeln.
"Ich weiss nicht ob ich dir vereihen kann, dass du Hahnekamp damals nicht die Wahrheit gesagt hast. So viel ist in Gang gesetzt worden, weil du untätig warst. Aber ich verstehe einfach nicht, wie du seelenruhig bei unseren Feinden an den Verhandlungstischen sitzen konntest. Du hattest der königin die Treue geschworen und dann ...."
Simon war immer leuter geworden und unterbrach sich um sich zu beruhigen.
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Offline Tannjew

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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #6 am: 06. Feb 15, 22:05 »
"Woher weißt du von Hane..." Tannjews Griff verkrampfte sich um den Becher und dann verstummte er kurz weil ihm auffiel, dass er soeben seine Schuld eingestanden hatte. Reflexartig wechselte er das Thema.
"Königin? Oder Imperatorin?" Jetzt klang Trotz in seiner Stimme mit.

Offline Simon de Bourvis

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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #7 am: 06. Feb 15, 22:09 »
Simon schob das Kinn vor: "Der Königin, genauso wie ich. Welchen Anspruch sie auch auf andere Titel haben oder noch erheben mag, so bleibt sie dennoch die Königin Caldriens. So wie die von Alamar gefügte Ordnung es vorsieht."
Sein Ton war ähnlich eisig, wie das Wetter draussen.
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Offline Tannjew

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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #8 am: 06. Feb 15, 23:25 »
Tannjew versuchte kurz in Gedanken zu erfassen, wie häufig er in den vergangenen Jahren mit diesem Vorwurf konfrontiert worden war und gab auf. Er seufzte, denn vermutlich würde als nächstes wieder die Frage anhören müssen, weshalb er sich nicht am Pilgerzug beteiligt hatte. Da Simons laute Worte das schmerzhafte Pochen hinter seinen Augen verschärften und er dem Firngarder nichts schuldete außer dem Gastrecht, das dieser offensichtlich zu strapazieren gedachte, entschied er sich dazu auf eine lange Erklärung zu verzichten. Stattdessen hob er die Hände und deutete damit seine Umgebung an.
"Du möchtest wissen weshalb ich meine Treue letztendlich dem jungen Fürsten leiste? Wegen all dem hier! Dieser maroden, im Morast versackenden Burg. Wegen der wenigen verbliebenen Forste, in denen mir die Jagd untersagt ist, weil Nedra die männlichen Nachkommen meines Geschlechts hasst. Wegen der handvoll Dörfer von hier bis zum Lorinan und den Steilklippen der Turalbucht. Wegen der Menschen die hier ein mühevolles Leben führen, weil die Felder kaum Ertrag erwirtschaften und selbst der Abbau des Schwarztorfes kaum noch einen Gewinn erwirtschaftet. Weil all das hier mein Erbe ist und es außer mir niemanden mehr gibt, der es antreten könnte."

Offline Simon de Bourvis

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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #9 am: 07. Feb 15, 00:00 »
"Ich verstehe durchaus die Verantwortung,  die aus deinem Erbe erwächst.  Aber als du zu Isaac gingst waren wir noch im Krieg! Niemand hat dich gezwungen dich ihm anzudienen. Noch mitten im Krieg die Seite zu wechseln..."
Er schüttelte den Kopf. "Es will mir nicht in den Kopf. Warst du nur Gefolgsmann der Königin,  weil es gerade opportun war? Hättest du es nicht ehrenvoll zu Ende bringen können.  Was ist uns denn sonst geblieben?"
Er sah zu Boden " Fürsten, die ihrer Königin nicht die Treue schwören,  Jeldriken und Reichsgardisten, die andere für sich Sterben lassen, Männer,  die Seuchen heraufbeschwören, Eidbrecher.....bei den Göttern,  Tannjew...wenn die Ritter nicht mehr ehrenvoll handeln, dann weiß ich nicht mehr weiter.
Die Götter haben allen Grund uns zu strafen."
Simon wr gegen Ende immer leiser geworden.
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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #10 am: 09. Feb 15, 07:57 »
"Manche Göttern lieben es mehr zu strafen als andere," murmelte Tannjew. Dann erhob er wieder die Stimme. "Der Krieg war nur noch formal im Gange! Kaum war Barad Konar tot tat sie es ihm gleich und ließ sich von der Gier nach Macht verleiten. Sie hätte wie einst Jeldrik das Volk nach Kriegsende einen können, aber sie entschied sich lieber den Eroberertitel anzunehmen, den Jeldrik erst ersetzt hatte - dem sie übrigens die Treue geschworen hatte."
Dann deutete er hinüber zu einer langen Tafel, der genügend Platz für ein kleines Gelage bot.
"Genau dort saß ich bei Kriegsbeginn zusammen mit meinem Vater und Barad Konar. Damals versagte ich dem Usurpator die Treue, weil ich seine Ansprüche für nicht gerechtfertigt hielt." Tannjew hielt kurz Inne, denn die Worte riefen ihm die unwirkliche Szene in Erinnerung, wie Barad Konar unvermittelt eine Fleischgabel in den Schädel seines Vaters rammte, um ihn später des Vatermordes zu bezichtigen. "Und ebenso versagte ich der Imperatorin meine weitere Treue, weil ich ihre Ansprüche für nicht minder ungerechtfertigt halte."

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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #11 am: 09. Feb 15, 13:33 »
"Wie KANNSt Du es wagen, du dummer Hund!" Simons Fäuste krachten auf die Tischplatte. "Eine den Wenigen, die den ganzen Krieg über treu zu Jeldrik standen, deren Männer auf beinahe jedem Schlachtfeld geblutet haben, als andere nur ihre eigenen Kämpfe schlugen.

Sie nahm den vorjeldrikischen Titel wieder an, weil das Reich uns schon unter den Händen zerbröselte! Du stehst da in deiner unwissenden Arroganz und hast doch nicht einmal gesehen, wie die Tangaraner ihre Unabhängigkeit vom Reich forderten, dafür, dass sie uns halfen Konar zu vertreiben!
Gerade Männer wie dich hätten wir unter ihrem Banner gebraucht, damit sie nach Konars Tod das Reich erneut hätte einen können! Als Middenfelz Schwerter vor uns und Hahnekamps hinter uns gezückt waren. Aber ihr wart nicht da, und darum blieb das Reich in Scherben.

Als Imperatorin versucht sie nun Jeldriks Reich bis zu seiner Rückkehr zusammenzuhalten, bis Jeldrik selbst es erneut einen kann. Und im Gegensatz zu Middenfelz und Hahnekamp hat sie darauf verzichtet im Blute derer zu waten, die ihr die Treue verweigern.

Der Senat hat versagt, die Reichsgarde hat versagt, das Reich selbst hat versagt. Szivar hat dafür gesorgt. Und nun kommen die, die ihre Pflicht vergassen, die gelogen, verraten und verkauft haben, was heilig sein sollte und beschuldigen gerade diese Königin, so zu sein, wie sie selbst es in Wahrheit sind. Es ist so ekelerregend das zu sehen, dass es mich würgt!"

Simon atmete tief ein:"Aber ich sehe schon, ich predige zu tauben Ohren."
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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #12 am: 09. Feb 15, 21:57 »
Ob man mir die Verblüffung ansieht... dachte sich Tannjew. Wie kann man so blind sein? Doch dann fiel ihm wieder ein, was er einer der Chroniken des Avernius von Barebury gelesen hatte. Avernius beschrieb darin facettenreich und von zahlreichen Beispiel untermauert die bedinungslose Treue der Firngarder zum Geschlecht der Donnerheimer. Und auch, wie schwer sich damals schon die caldrischen Rittern mit diesen Sturköpfen von jenseits der See machten. "Die Ritter der Königin taten sich äußerst schwer mit den neuen Ritterbrüdern aus Firanos. Kampfstil, Sprache und Verhalten führten zu zahlreichen Irritationen im täglichen Miteinander, zumal der gemeine Firngarder leicht zu erzürnen war. Die Saat manch generationenübergreifender Familienfehde wurde in jener Zeit gesät bis sich herumsprach, dass es für die Männer aus Firanos völlig selbstverständlich war Zwistigkeiten durch das Austragen eines götterfälligen Zweikampfes beizulegen."

"Simon, du bist hier eingekehrt und hast die Gastfreundschaft meines Hauses genossen. Das dankst du mir in dem du mich anschreist und meine Ehre in Frage stellst. Geh, lass dir in der Küche Speis und Trank geben. Zur Mittagsstunde erwarte ich dich vor dem Tempel."

Offline Simon de Bourvis

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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #13 am: 09. Feb 15, 22:07 »
Simon nickte "Du hast natürlich recht. Verzeih mir bitte die Unhöflichkeit, ich hätte dich nicht anschreien dürfen. Wir sehen uns dann heute mittag."

Er drehte sich zur Tür, aber bevor er hindurch war dreht er sich noch einmal um.

"Aber bitte ohne Rüstung, ja? Wir müssen es ja nicht in die Länge ziehen, wo es so unangenehm kalt ist."

Er lächelte dankbar, als Tannjew zustimmend nickte, verbeugte sich leicht und verschwand in Richtung Küche.
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Re: Norngard, Winter 264/265 n.J.
« Antwort #14 am: 11. Feb 15, 07:33 »
Tannjew seufzte. Der Tag fing ja gut an.