Autor Thema: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.  (Gelesen 10780 mal)

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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« am: 13. Apr 15, 12:53 »
Wenn es nicht so angsteinflößend gewesen wäre, dann hätte es eine verdammt gute Geschichte abgegeben. Aber so...
Volker schüttelte den Kopf und klopfte seine Pfeife aus, mehr eine nervöse Angelegenheit als alles andere, da ihm der Tabak schon vor einigen Tagen ausgegangen war. Er  besuchte den Tiorsschrein jetzt schon seit Jahren auf seiner Runde durch den Wald und hatte sich bei den Wanderpriestern und Asketen recht wohl gefühlt.
Der Schrein war zu klein um einen ständigen Priester zu haben aber immer mal wieder suchten ihn alte Wölfe auf um Zeit hier zu verbringen. Volker war bereits sein ganzes Leben der Holzhändler in dieser Gegend und erfüllte inoffiziell die Funktion eines Dorfschulzen, da er der einzige war der regelmäßig seine Runden drehte und jeden noch so entlegenen Köhler kannte. Ihm fiel auf wenn jemand abhanden kam und er war derjenige der Waren und Werkzeuge vom Markt in den Wald brachte. Zu seiner Runde gehörte auch der Tiorsschrein im Herzen des Waldes.
Volker wusste nicht genau zu welcher Gelegenheit der Schrein dort aufgestellt worden war oder wann man es getan hatte, aber innerhalb der Priesterschaft schien er bekannt zu sein, denn es vergingen selten einige Wochen in denen nicht mindestens ein Geweihter, Asket oder Novize dort anzutreffen waren.
Der letzte hatte den Schrein unmittelbar nach dem Jahreswechsel verlassen und bisher war sowohl der Schrein als auch die kleine Wohnhütte leer gewesen wenn Volker vorbeigeschaut hatte.
Heute war es auch so gewesen und er hatte achselzuckend die Tür wieder geschlossen und darauf geachtet das die Fensterläden gut befestigt waren. Er war so vertieft in die Arbeit gewesen, dass er nichts gehört hatte.
Als er sich umdrehte stand sie vor ihm.
Blutüberströmt, darunter kreidebleich, die Augen eingeblutet so dass nichts weißes mehr zu sehen war. Gestandener Mann hin oder her, in diesem Augenblick hatte er gekreischt wie ein kleines Mädchen und war mehrere Ellen in die Luft gesprungen.
Sie hatte ihn regungslos angesehen und gewartet bis er sich soweit beruhigt hatte das er nicht mehr Gefahr lief einen Herzklabaster zu bekommen. Ihre Stimme war rauh und krächzend, wie bei jemandem der sich die Seele aus dem Leib geschrien hatte.
Er hatte die Hütte für sie geöffnet und das Feuer am Schrein entzündet, hatte einen Eimer Wasser von der nahe gelegenen Quelle geholt und versprochen Besorgungen zu erledigen.
Er klopfte wieder seine Pfeife aus und begann dann nervös an dem Stiel herumzukauen. Er war froh wenn er im Wirtshaus saß und sich den Schreck von der Seele reden konnte.
Er schnalzte und trieb seine Pferde zu einer schnelleren Gangart an.
Ich wollte schon immer einen Alamar - Priester vor mir knien sehen!

Offline Engonien NSC

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #1 am: 13. Apr 15, 22:04 »
Die Klause einfach zu nennen, wäre schon eine Übertreibung.

Vier Wände, ein Dach, eine Pritsche, genug Platz, das sich ein Hund darin umdrehen kann.

Oder ein Wolf.

Sie ist offensichtlich zurück, so trostlos, wie dieser Ort ist nicht einmal das Reich der Schatten.

Aber die Schlichtheit hat auch Vorteile, nicht lenkt ab, nichts fordert ihre Aufmerksamkeit.

Nur sie, der Schrein und die Frage, wie es weitergehen soll.
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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #2 am: 14. Apr 15, 17:20 »
Sie war sich nicht sicher ob sie wieder da war.
Die Dinge um sie herum schienen manchmal still zu stehen, so als ob die Zeit selbst darauf warten würde ob sie sich für eine Ebene entschieden hatte.
Sie war immer methodisch gewesen, einer der Gründe weshalb sie so schnell die Leiter im Tempel erklommen hatte. Das und das Feuer das immer in ihr loderte, sorgsam gehütet und kontrolliert, wie ein Biest das an der Kette gehalten wurde.
Nachdem der verdatterte Mann die Lichtung verlassen hatte sah sie sich um und entschloß sich die Quelle zu suchen um das Blut abzuwaschen.

Sie stand vor der Quelle und sah das sie einen Teich bildete der tief genug war um ein Bad zu nehmen. Wie genau sie hierhin gekommen war wusste sie nicht, aber eine innere Stimme sagt ihr, dass es auch im Augenblick nicht wichtig sei.
Sie löste die blutverkrusteten Schnallen an der Rüstung und nahm sie ab, schälte sich aus der Kleidung und den Stiefeln bevor sie in das Wasser trat.

Die Klause hatte einen Herd, so dass sie ein Feuer entzünden konnte. Sinnend starrte sie in die Flammen ohne ihre Gedanken zu ordnen.
Es war noch zu früh dafür.
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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #3 am: 15. Apr 15, 10:36 »
Die Tage vergingen und sie erkannte das sie wahrhaftig im Hier und Jetzt war. Der Mann brachte Vorräte und Neuigkeiten, manchmal verirrte sich ein Pilger und blieb über Nacht. Sie versorgte den Schrein, hielt Exerzitien ab, meditierte viel.
Wäre sie ein eitler Mensch gewesen, dann hätte sie sich zutiefst verletzt gefühlt. Nach einem Leben rückhaltloser Hingabe und Selbstaufgabe hatte ihr Gott sie zurückgestossen.
Warum?
Ihre Wunden heilten mühsam während ihr Verstand versuchte den Sinn zu ergründen der hinter all dem stecken musste.
Es musste einen Sinn geben, alles andere war zu schrecklich um es in Betracht zu ziehen.
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Offline Simon de Bourvis

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #4 am: 15. Apr 15, 22:11 »
Die Reise nach Haubach war anstrengend gewesen, vor allem die Seereise hatte erschöpft, das Meer würde ihm wohl nie Heimat werden,  egal wer seine Vorfahren gewesen sein mochten.

Es hatte einige Zeit gebraucht sie ausfindig zu machen, nach Fanada war sie nie zurückgekehrt,  also hatte er sich von Tempel zu Tempel, von Schrein zu Schrein begeben, herumgefragt und gebetet. Ohne Erfolg.

Erst die zufällig überhörten Gespräche in einem Gasthof in der Gegend hatten ihn auf ihre Fährte geführt.

Mühsam liess er sich vom Pferd gleiten und stapfte auf den Schrein zu.

Zeit diese Sache endgültig zu erledigen.
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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #5 am: 16. Apr 15, 08:47 »
Der Winter war endgültig verschwunden, es wurde warm und der Wald um sie herum erwachte zu neuem Leben. Die vergangenen Wochen, oder waren es Monate? waren an ihr vorbei gezogen und hatten lediglich als sichtbarer Hintergrund für ihre innere Wandlung gedient.
Sie war wieder im Hier und Jetzt, aber sie würde immer unvollständig bleiben, soviel war ihr klar geworden. Ein Teil von ihr war dort geblieben und sie konnte nur hoffen dorthin zurückkehren zu können um ihn wieder zu erlangen.
Es schien sich herumzusprechen das sie nun hier war, die Besucher wurden häufiger. Aber egal wer es war, sie unterbrach ihren Tagesablauf nicht.
Sie nahm die Geräusche eines Pferdes wahr, drehte sich aber nicht um, sondern setzte ihre Meditation fort.
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Offline Simon de Bourvis

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #6 am: 16. Apr 15, 22:47 »
Instinktiv tasteten die Finger nach dem Schwertknauf. Locker, leicht zu ziehen.

Er spürte das Messer im Stiefel.

Die Dolche in der Kutte, gut.

Der Schild locker über der Schulter, doch bereit ihn nach unten auf den Unterarm gleiten zu lassen.

Man geht nicht zu einem Tier, zu einem Wolf, ohne vorbereitet zu sein.

Er hielt in ein paar Metern Abstand an.

"Priesterin Wolfsgeheul."
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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #7 am: 17. Apr 15, 09:34 »
Ihre Ohren registrierten die Stimme, aber ihr Geist erachtete sie nicht als wichtig genug. Sie blieb in ihrer Meditation versunken, wie lange wusste sie nicht.
Eine innere Stimme flüsterte das es Zeit wäre zurückzukehren und sie gehorchte. Mit einem tiefen Atemzug erwachte sie und erschauerte am ganzen Körper, wie ein Wolf der sich etwas lästiges aus dem Pelz schüttelte.

"Bruder Simon."
Sie sprach ohne sich umzudrehen, ihre Stimme wie ein Reibeisen. Nicht feindselig, eher... neutral.
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Offline Simon de Bourvis

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #8 am: 18. Apr 15, 08:50 »
Er hatte abgewartet, betete sie? Oder wollte sie ihn verspotten?

Beinahe wäre er zusamengefahren, als sie schliesslich sprach.

"Priesterin, ich störe nur ungern in Eurer..." was machte sie hier eigentlich? "...Contemplation, ich komme nur, um Euch eine Frage zu stellen."
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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #9 am: 19. Apr 15, 08:58 »
"Ein weiter Weg."
Was auch immer mit ihr geschehen war, an ihrer Wortkargheit hatte es nichts geändert.
Sie stand auf, legte Holz auf das Opferfeuer auf und wandte sich nach einer abschließenden Verbeugung ab.
Sie musterte Simon ohne erkennbare Gefühlsregung.
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Offline Simon de Bourvis

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #10 am: 19. Apr 15, 16:55 »
"Ihr wusstet wirklich nicht, wer Talon Himmelssturm ist, oder? Warum ich Euch fordern musste?"

Er hielt weiterhin Abstand, als würde er jeden Moment erwarten, dass sie wie ein Vulkan ausbrechen könnte.
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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #11 am: 20. Apr 15, 07:40 »
Etwas wie Verwirrung huschte über das sonst ausdruckslose Gesicht. Sie legte den Kopf schief und schien zu überlegen was sie mit dem Mann vor sich anstellen sollte. Schließlich wies sie ihm einen kleinen Pfad der vom Schrein in den Wald zu führen schien:
"Kommt."
Sie wartete nicht ab sondern ging voraus, erst als er neben ihr ging begann sie zu sprechen:
"Was habt ihr geglaubt, Bruder Simon?"
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Offline Simon de Bourvis

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #12 am: 20. Apr 15, 22:09 »
Er zögerte kurz, machte sich dann aber bewusst, dass jemand wie Kassandra hier genauso gefährlich war wie an einem anderen Ort und folgte ihr.

Er schob die Hände in die weiten Ärmel seiner Kutte.

"Vor einigen Jahren begab ich mich mit einigen anderen an einen seltsamen Ort. Dort trafen wir auf..."
er sah sie prüfend von der Seite an
"...Euch, oder vielleicht ein Etwas, das haargenau Eure Gestalt hatte. Sie liess ihre Diener und ...Wesenfür sich kämpfen, suchte aber selber nicht den offenen Kampf, ich forderte sie heraus, aber sie rührte sich nicht.
Wir verloren und am Ende bot einer meiner Freunde sein Leben für das, was wir von ihr benötigten.
Ich aber schwor ihr, ich würde sie dafür fordern, sobald sich die Gelegenheit böte."

Er schwieg eine Weile.

"Ich habe immer geglaubt Ihr wäret es gewesen. Aber dem ist nicht so, nicht wahr? Es bediente sich nur Eurer Gestalt."
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Offline Kassandra Wolfsgeheul

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #13 am: 21. Apr 15, 08:21 »
"Nicht es... ER, Bruder Simon."
Der Tadel in ihrer Stimme war unmißverständlich. Sie führte Simon einen Waldpfad entlang zu einer Quelle die sich in einen kleinen Teich ergoß. Die Sonne tauchte alles in flimmerndes Licht, so dass es nicht von dieser Welt schien. Ein Ort der Ruhe.
Sie nahm auf einem der Findlinge Platz und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Tätowierungen stachen aus einem sonst sehr bleichen Gesicht vor, die Augen waren blutunterlaufen. Sie sah nicht gut aus.
"Ihr habt euch einer Prüfung durch die Götter unterzogen, Bruder Simon. Was war daran unklar? Ihr habt es zu einer Zeit getan in der Tior noch keine Veränderung erfahren hatte. Ihr wandert schon lange genug auf dieser Welt um die Kompromisslosigkeit seines Wesens gekannt zu haben."
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Offline Simon de Bourvis

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Re: Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.
« Antwort #14 am: 21. Apr 15, 09:59 »
Seufzend liess er sich ihr gegenüber nieder.
"Er, Sie, Es...für die Erscheinungen der Götter scheint jedes Wort fehl am Platz. Und wer vermag zu sagen, wieviel Göttlichkeit und wieviel menschlicher Wille einem Gefäss innewohnt.
Ich bin kein Mystiker.
Ich traf eine Person, deren Taten ich nicht billigte. Also versprach ich zu sühnen, was ich nicht billigte.
Doch scheint es, als hätte ich Euch unverschuldet in meinen Streit hineingezogen.
Daher muss ich nun um Eure Vergebung bitten."
Er mass sie mit einem kühlen Blick.
"Auch wenn mir das widerstrebt, denn ich empfinde keine Sympathie für Euch"
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