Der Städtebund von Tangara > Ayd'Owl-Akademie

Die Akademie zur Ayd'Owl im Sommer 265 n.J.

<< < (8/18) > >>

Rikhard Kraftweber:
"Ich wollte ihn doch nicht verdrängen! Aber wenn er betrügt, was soll ich denn tun? Weiter die anderen wie Schafe folgen lassen? Du hast wirklich seltsame Vorstellungen."

Außerdem, was soll ich mit einem Dorf schlecht riechender Idioten. Mal ehrlich.. die können größtenteils nicht einmal lesen!
Das Analytische, was Rikhard zunächst bewundert hatte, wirkte nun abstoßend auf ihn. Diese Frau interessierte sich mehr für die akademischen Unterschiede zwischen schamanistischer Magie und - und.. seiner? Art von Magie. Bei Aine, ich weiß so wenig über diese Kraft. Wie nennt man das denn überhaupt, was ich wirke? Diese Kraftlinien, dieser Fluss!

"Meine Familie. Ich vermisse sie nicht zu sehr. Gute Menschen, aber ich bin alt genug, um nicht mehr an Mutters Rockzipfel zu hängen, findest du nicht? Sie haben ihr Leben, und seit ich weiß, dass ich fähig bin, Magie zu wirken, sehe ich umso deutlicher, dass.. naja, dass ich anders bin als sie. Vater und Mutter können nicht lesen, sie interessieren sich nicht für das Leben außerhalb ihres Dorfes, den Sommer verbringen sie mit Jagen und Fischen und den Winter damit, zu Schlafen und Kinder zu zeugen. Das mag für manche wie ein Idyll klingen, für mich klingt's nur nach demselben langweiligen Trott."

Außerdem haben sie mich gedrängt, zu verschwinden. Wer weiß schon, ob sie Grolf nicht auch geglaubt haben.

Vermutlich hätte Rikhard das gar nicht erzählt, doch der Alkohol hatte seine Zunge gelockert. Es war recht einfach erkennbar, dass der Magier aus Silvanaja eine mehr als geringschätzige Meinung von seiner Familie hatte. Die Gründe dafür mochten in der Verbitterung über sein Schicksal liegen, doch vielleicht war auch eine Prise Arroganz darin.

"Ich möchte nicht schlecht über meine Eltern sprechen, das gehört sich nicht. Im Grunde möchte ich auch nicht mehr über dieses rückständige Land sprechen, aus dem ich komme. Lass uns lieber den Abend hier genießen."

Nach diesen abrupten Worten fühlte sich Rikhard, als habe er eine Tür zu gemacht, aus der ihm ein schwüler, drückender Wind entgegen geweht hatte. Als sei eine große Last von seinen Schultern gefallen, atmete er tief durch, dann blickte er auf und sah Stella direkt in die Augen. Er lächelte sie unsicher an.

Sandra:
Mit einem leisen Seufzen atmete sie durch.
Das war doch gar nicht, was ich gesagt habe... Aber manchmal will man lieber den Schein sehen als auf die Wahrheit und eigene Fehler gedrückt werden...
Dabei wollte sie doch nur, dass er das Ganze etwas weniger verbittert sehen konnte.
Wenn er das Leben dort eh nicht vermisste, wo war dann sein Problem?

Gern hätte sie ihm das noch gesagt und ihn auch gefragt, woher er denn lesen und schreiben konnte, wenn es weder die Eltern konnten noch im Dorf sonderlich üblich zu sein schien, entschloss sich aber nachdem sie Luft geholt hatte, doch einfach zu schweigen. Er sagte ja schon, er wollte nicht mehr drüber reden...Also schluckte sie hinunter, was sie sagen wollte.

"Wie du meinst. Irgendwas bestimmtes, das dir vorschwebt? Ein Thema oder so?"

Sie wusste noch nicht recht, wie sie ihn einordnen sollte und sie wollte jetzt auch nicht mit irgendeinem Thema herausplatzen...Also erst mal abwarten.

Rikhard Kraftweber:
"Nein, da gibt es nichts Bestimmtes."

Irgendwie war die Stimmung gekippt, Stella wirkte vorsichtig und abwartend. Rikhard hatte das Gefühl, zu viel erzählt zu haben.
Ihr kennt euch seit einigen Stunden und du erzählst ihr sowas. Wer weiß, was sie jetzt von dir denkt.

"Obwohl, doch! Die Akademie.. besitzt gewiss eine große Bibliothek, nicht wahr? Ich bin sehr neugierig, gibt es dort auch..."

Auf diese Art entspann sich ein leichteres Gespräch zwischen den beiden. Mittlerweile war es gewiss nach Mitternacht, doch zumindest für diesen Abend stand die Zeit für Rikhard still. Stella war eine intelligente, anregende Gesprächspartnerin, und die beiden sprangen bald von einem Thema zum Anderen. Irgendwann wurde es jedoch definitiv zu spät, und Rikhard stand auf, um sich zu verabschieden.

Sandra:
Glücklicherweise hatte sich die hakelige Situation bald wieder entspannt und beide unterhielten sich noch über dies und jenes bis Rikhard Anstalten machte aufzustehen. Daraufhin warf Stella einen schnellen Blick auf ihr Zeiteisen. Ist doch erst um die zweite Stunde... Gorix könnte sich auch noch gut irgendwo rumtreiben...
Sie war noch unentschlossen, ob sie schon zurück wollte oder lieber noch etwas trank... Aber dafür hätte sie nun wirklich noch woanders hin gehen müssen, hier wurde es langsam zu still und aufs alleine rumsitzen hatte sie wirklich keine Lust.

"Hmm... Du willst zurück? ...Oder doch noch in eine der großen Tavernen?" Sie grinste schelmisch und dass die letzte eher eine rhetorische Frage war und sie nicht glaubte, dass er das noch vorhätte.

Rikhard Kraftweber:
Dankend lehnte Rikhard ab.
"Nein, aber ich wünsche dir noch viel Spaß." Freundlich lächelnd drehte er sich um und ging. Der Abend war schön gewesen, keine Frage, aber so richtig warm geworden war er mit Stella trotz aller guten Gespräche nicht. Dennoch war er gespannt, was nun in den nächsten Tagen und Wochen geschehen würde. Vielleicht würde sie ihn ja ihren Freunden vorstellen, und vielleicht würden sie ihn mitnehmen. So oder so, ob er nun an der Akademie blieb oder in die Welt ziehen würde - die Menschen hier waren freundlich, gewaschen, gebildet. Was konnte man mehr verlangen?

Als er in seinem Quartier angekommen war, zog er sich aus und legte sich auf seine schmale Pritsche. Er war noch wach, und seine Gedanken kreisten ein wenig umher. Irgendwie verlor er sich in der Vergangenheit.

Lautes Kinderlachen klingt durch die Luft. Ein paar Jungs und Mädchen, manche fünf, manche acht Jahre alt, und nur zwei oder drei ältere Kinder, tollen umher. Die Sonne wirft goldene Strahlen, wo immer sie das dichte, saftig-grüne Blätterdach des Waldes durchdringt. Staubkörner glitzern in der Luft, und es ist angenehm warm. Rikhard atmet tief ein. Das Toben der anderen Kinder stört ihn. Er sitzt da, mit dem Rücken gegen einen Baum gelehnt und einem rissigen, alten Buch in der Hand. Es ist aufgeschlagen, und er schaut hinein. Doch er kann nicht lesen, was immer dort steht, wird ein Geheimnis für ihn bleiben.

Langsam dämmerte Rikhard in seinem Bett in Fanada in den Schlaf hinüber. Aus der Erinnerung wurde ein Traum...

"Sohn, du kannst doch gar nicht lesen. Was nützt dir also das Buch? Mach was Nützliches, wie die anderen Kinder." Ernst, aber wohlwollend schaut Rikhards Vater drein. Die bärtige, hochgewachsene Gestalt sieht beeindruckend aus. Eine große Pranke legt sich auf die Schulter des schmächtigen Jungen. "Da steht bestimmt nichts drin, was Mutter oder ich nicht wissen. Schau nur, wie groß und krakelig die Buchstaben sind. Hässlich! Da machst du dir nur die Augen kaputt. Komm lieber mit mir, ich zeig dir was!"

Wenig später landet Rikhard mit einem lauten Klatschen im nahen Fluss. Sein Vater hat ihn lachend hochgehoben und ihn gradewegs hineingeworfen. Das Kind taucht auf, schüttelt sich das Wasser aus dem Gesicht und hustet. Dann durchdringt lautes Kinderlachen den Wald.

Szenenwechsel. Das Sternenzelt Sylvanajas beleuchtet die Nacht. Ein halbstarker Junge, vielleicht dreizehn, vierzehn Jahre alt, sitzt auf einer Lichtung - vor ihm ein mitgenommenes, dickes altes Buch.

Das hier... das ist ein 'a', glaube ich. Ja doch, das muss es sein! Und diesen Buchstaben... den nennt man ein 'k', das weiß ich, das hat Grolf mir gesagt! Mit dem Finger folgt Rikhard den Zeilen, die er nicht entziffern kann. Doch er erkennt immer mehr Buchstaben. Er genießt die Stille, die der frühe Abend mit sich bringt, und solange die Tiere der Nacht noch nicht aufgewacht sind, solange wird er dort sitzen und versuchen, die Geheimnisse dieses Buches zu entziffern. Er versinkt gradezu in seinen Bemühungen, um ihn herum wird es lauter und lauter. Eulen rufen, in weiter Ferne heulen Wölfe, im nahen Sumpf ertönt eine wahre Kakophonie aus Unkenrufen. Irgendwann erlischt die Kerze, die bisher so zuverlässig Licht gespendet hat.

Szenenwechsel.

"Also kannst du jetzt lesen?" Kyra macht große Augen. Rikhard schaut sehr selbstbewusst drein - welcher Fünfzehnjährige in Silvanaja kann schon lesen? Doch Kyras nächster Satz wirft seine Errungenschaft, seinen Erfolg, völlig um. "Das können doch nur Mädchen!" Glockenhelles Lachen ertönt. Es wird immer lauter und lauter und lauter, bis.. ..Rikhard schweißgebadet aufwachte.

Kerzengrade saß er im Bett, die Fäuste geballt. Nur ein Traum. "Nur ein Traum!", wiederholte er laut, als ob er sich ebendieses deutlich ins Bewusstsein rufen müsse. Er wusste genau, was Kyra damals gemeint hatte. In Silvanaja wurden Mädchen manchmal auf Schulen geschickt, Schulen, die von Aine-Priestern betreut wurden. Für ihn als Mann war das nicht in Frage gekommen. So hatte er sich über die Jahre selbst lesen und schreiben beigebracht. Hatte von Reisenden erfragt, was einzelne Buchstaben bedeuten. Hatte nachts draußen gesessen und versucht, zu lesen. Das geschriebene Wort bewunderte Rikhard noch heute. Es war wie eine Schatztruhe - mit dem richtigen Schlüssel konnte man den Seiten alles entreißen, was sie zu bieten hatten. Und doch stahl man nichts, nein - man schuf Wissen! Gab es ein nobleres Ziel in der Welt?

Geh endlich schlafen, schalt er sich selbst. Er war immer wieder überrascht, wie begeisterungsfähig er war, wenn es um Bücher ging. Selbst um drei in der Früh gab es da für ihn kein Halten - und das hielt ihn nun vom Schlafen ab. Er rollte sich in seine Decke ein und schloss die Augen. Der Schlaf würde sich schon einstellen.

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln