Autor Thema: Auf Reisen.  (Gelesen 7240 mal)

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Auf Reisen.
« am: 03. Aug 15, 11:51 »
"Ho, ganz ruhig!" Dampf kam in Stößen aus den Nüstern des Braunen, der Vanion tapfer getragen hatte. Die Flanken des Pferdes zitterten, es hatte Schaum vor dem Mund. Er hatte wie der Teufel reiten müssen, und allein die Schnelligkeit seines Pferdes hatte ihn aus diesem Wald getragen.

Blut rann seinen Arm herunter und tropfte zu Boden.

__________________

Vor wenigen Stunden..

Es hatte Vanion nach Norodar gezogen. Sein Geburtsort. Das Dorf, in dem sein Vater und seine Mutter wenige glückliche Jahre miteinander verbracht hatten. Dort hatte er von Räubern erfahren, die den Wald unsicher machten, der sich halbmondförmig den großen Steinbruch, den es hier gab, entlang zog. Die Wachen trauten sich nicht recht in den Wald hinein, und so war Vanion allein aufgebrochen.

Eine dumme Idee.
"LARP ist nicht ein Hobby, es sind mindestens acht oder so. Ich betreibe etwa fünf davon." RalfHüls, LarpWiki.de

Offline Vanion

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Re: Auf Reisen.
« Antwort #1 am: 03. Aug 15, 12:15 »
Durch den Wald führte eine Straße vom Steinbruch weg, nach Norodar hinein und von dort weiter ins Landesinnere, auf Fanada zu. Diese Straße nahmen die Händler und Handwerker, die im Steinbruch zu tun hatten, und auch Tagelöhner und Bauern. Vanion hatte vorgehabt, sich selbst ein Bild zu machen - am hellichten Tag war er von Norodar aus in den Wald hinein geritten, um zum Steinbruch, dem "Großen Bruch", zu kommen.

Dort hatte er Leute befragen wollen, um herauszufinden, wo er helfen konnte. Der Weg selbst war gut ausgetreten. Anfangs war er noch gepflastert, tiefer im Wald jedoch wich das Kopfsteinpflaster festgetretenem Waldboden, breit genug, dass zwei Karren nebeneinander fahren konnten. Von diesem Weg war der Krieger irgendwann jedoch abgewichen. Er glaubte nicht daran, dass etwas geschehen würde, schließlich war er recht wehrhaft und der Weg zu dieser Stunde ganz gut befahren. Ihm waren schon zwei, drei Ochsengespanne begegnet.

Nun folgte er einem Pfad. Er war kein Spurenleser, aber einen Stiefelabdruck in einer matschigen Stelle konnte auch er erkennen. Warum sollte jemand hier den Weg verlassen, an einem Wildpfad, der sich augescheinlich im tiefen Unterholz verlor? Doch bereits nach wenigen hundert Metern fiel ihm auf, dass dieser Pfad nicht so klein war, wie er auf den ersten Blick wirkte. Er verbreiterte sich zunehmends, und am Rande sah er plötzlich eine aufgebrochene Holzkiste. Hier schien irgendein Diebesgut geplündert worden zu sein. War er etwa auf einen Pfad gestoßen, den die Wegelagerer nutzten?

Grade wollte er das Bein über den Sattel schwingen, um abzusitzen, als er einen stechenden Schmerz fühlte. Ein Pfeil ragte aus seinem Oberarm, irgendwo aus dem Unterholz geschossen. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, sein Pferd zu wenden, um den Pfad zurückzureiten, und erschrak: dort standen drei, vier, abgerissen, entschlossen aussehende Gestalten mit Spießen in den Händen. Er schaute wieder ins Dickicht vor ihm, versuchte, den Schützen auszumachen - und tatsächlich ragte direkt vor ihm eine glänzende Pfeilspitze aus einem Busch. Ohne zu zögern trat Vanion seinem Pferd die Fersen in die Seite und preschte drauflos. Mit einem Satz sprang das Pferd über den Busch, der Pfeil flog mit einem Zischen von der Sehne - und ging fehl.
« Letzte Änderung: 03. Aug 15, 12:19 von Vanion »
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Re: Auf Reisen.
« Antwort #2 am: 03. Aug 15, 15:30 »
Hinter Vanion ertönte ein wüstes Fluchen. Mit dem Manöver des jungen Mannes hatten die Banditen offensichtlich nicht gerechnet, und jetzt mussten sie sich erst einmal neu orientieren. Die Männer mit den Spießen waren dank seines waghalsigen Sprunges schon zu weit weg, zu Fuß konnte sie ihm nicht folgen, doch der Bogenschütze war verdammt geistesgegenwärtig. Vanion war schon auf der anderen Seite des Busches angekommen und gallopierte davon, da zischte ein zweiter Pfeil auf ihn zu. Zwar verfehlte er sein eigentliches Ziel - die Brust des Reiters - streifte jedoch die rechte Schulter. Ein zweiter Pfeil folgte - doch da war Vanion schon zu weit weg.
Äste und Ranken peitschten ihm ins Gesicht, während er davon raste. Er befand sich nun jenseits der Wege, als er aber sicher war, die Räuber angehängt zu haben, konnte er sich neu orientieren. Sein Arm und seine Schulter schmerzten, er sollte sich besser beeilen, also preschte er weiter, in die Richtung in der er den Steinbruch erwartete.

Es dauerte etwas, und Vanions Pferd keuchte wie verrückt, doch schließlich kamen die Ausläufer des steinigen Geländes in Sicht. Einige Männer in simpler Arbeitskleidung saßen vor ihren provisorischen Zelten, machten wohl grade Pause - da sahen sie den verletzten Reiter. Unruhe entstand, und der älteste von ihnen, ein Mann mit wettergegerbtem Gesicht und angegrautem Bart trat vor, um den Burschen anzusprechen, der sein Pferd nun zum Stehen brachte. "Ho mein Sohn, was ist dir denn passiert?" fragte er besorgt. "Komm, steig ab und lass mich mal deine Wunden sehen."

Ein paar Meter entfernt saß ein junger Mann mit grünem Schlapphut auf einer Kiste. Er wollte von der Kleidung her nicht wirklich in diese Umgebung passen, und er beobachtete den Neuankömmling aufmerksam.
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Offline Vanion

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Re: Auf Reisen.
« Antwort #3 am: 03. Aug 15, 16:22 »
"Banditen, im Wald!" Der Alte nickte nur; Vanion erzählte nichts neues. Der Gesichtsausdruck deutete auf irgendetwas zwischen "Gut, dass du da heil raus bist" und "Dumm von dir, überhaupt da rein zu gehen" hin.

"Schlimm genug ist es wohl." Wenigstens keine Widerhaken - keine Kriegswaffe. Schmerzen tat es trotzdem. Versuchsweise bewegte Vanion den Arm ein wenig. Es schien nichts allzu zerstört zu sein. "Ist hier irgendwo ein Heiler, ein Arzt? Ich kann's zur Not selbst verbinden, aber gereinigt werden muss das schon. Und der Pfeil muss hinaus."
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Re: Auf Reisen.
« Antwort #4 am: 04. Aug 15, 18:28 »
Der Alte überlegte für einen Moment. "Malka kümmert sich hier um die Verletzten...", meinte er, "aber grade ist sie im Dorf. Ich fürchte, bis morgen kommt sie nicht zurück..." Besorgt betrachtete er den Arm. Die Wunde sah nicht tragisch aus, aber doch zu ernst, um sie einen ganzen Tag lang unbehandelt zu lassen.

"Ich bin Heiler", erklang da eine recht hohe Männerstimme von der Seite. Der Fremde mit dem Schlapphut erhob sich von seiner Kiste und schlenderte auf Vanion zu. Bei ihm angekommen, besah er sich die Wunde und verzog das Gesicht. "Ayayay, das sieht aber nicht schön aus, mein Lieber... Na komm, steig mal vom Pferd und lass dir helfen." Er begab sich zurück zu der Kiste und bedeutete Vanion, sich hinzusetzen. "So, du hast zwei Möglichkeiten. Ich kann die Wunde auf die herkömmliche Art versorgen, was langwierig und schmerzhaft ist -", er senkte die Stimme, wobei er scheinbar besonders darauf achtete, dass die Arbeiter ihn nicht hörten, "oder ich mach's dir schneller. Wenn du nicht so magophob bist wie die Kerle da drüben."
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Re: Auf Reisen.
« Antwort #5 am: 04. Aug 15, 23:21 »
Lautes Lachen begegnete dem Kerl. "Magophob? Ich hab mein Leben einer Magierin zu verdanken. Trotzdem, wir kennen uns nicht - bleib traditionell, auch wenn's weh tut. In Ordnung?"

Als der Mann zu werkeln begann, fragte Vanion: "Wer bist du eigentlich?"
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Re: Auf Reisen.
« Antwort #6 am: 05. Aug 15, 14:47 »
Der Fremde zuckte mit den Schultern. "Gut, dann eben nicht. Ganz wie du willst." Er öffnete seine braune Umhängetasche, aus der er Nadel und Faden herauskramte sowie einige Verbände, dann reinigte er seine Hände mit etwas Wasser. "Oh, ich habe viele Namen", antwortete er grinsend. "Die Frauen nennen mich Oh ja, mehr! und die Autoritäten Bleib stehen, du Mistkerl!. Ich persönlich bin für den Titel Der unvergleichliche reisende Meister des Arkanen, aber der hat sich noch nicht durchgesetzt." Ein schelmisches Zwinkern. "Du, mein Schöner, darfst mich Finlay nennen."

Mit dem Blick eines Kenners inspizierte er die Wunde und erkannte, dass der Pfeil keine Widerhaken hatte, es war also möglich ihn herauszuziehen anstatt durchzustoßen. Das war gut. "Du Glückspilz", murmelte er, dann packte er den Pfeil und zog ihn ohne Vorwarnung heraus. Nachdem Finlay ihn zur Seite gelegt hatte, zog er einen Flachmann hervor, um einen großen Schluck zu trinken. "Oh, das war nicht schmerzhaft. DAS wird jetzt schmerzhaft." Und mit diesen Worten tränkte er eine der Bandagen mit Alkohol. Flugs wurde sie auf Vanions Arm gedrückt, wo sie die Wunde reinigte. Es musste wohl tierisch brennen, aber es war effektiv.

"Aber wo bleiben meine Manieren?", fuhr der Schlapphut fort. "Mit wem habe ich es denn zu tun?"
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Re: Auf Reisen.
« Antwort #7 am: 05. Aug 15, 15:44 »
Vanion blieb nichts anderes übrig, als den Mund zu halten. Erst war er von dem überschwänglichen, von Selbstvertrauen (und einer Prise Hybris) strotzendem Redeschwall überrascht, und als er dann anhob, zu reden, durchfuhr ihn ein plötzlicher Schmerz und er biss die Zähne zusammen. Der Pfeil war heraus. Tiefes Durchatmen folgte - oder sollte folgen, denn der Alkohol brannte wie Feuer in der Wunde. Nun ließen sich Geräusche nicht unterdrücken, ihm entfuhr ein schmerzerfülltes, gepresstes Jaulen.

Als er endlich wieder zu Atem kam und der Verband um seine Schulter fest saß, warf Vanion einen Blick auf den ..Schlapphut. Eine seltsame Gestalt, nicht viel größer als er selbst, recht dünn, mit einem Funkeln in den Augen und einem Grinsen im Gesicht. Die Vorstellung mit den vielen Namen hatte Vanion unfreiwillig an jemanden erinnert, den er ganz gut kannte. Und hier kommt er, der flinkfingrige, der großartige, der Virtuose der Laute, der Töne zeugt wie andere Kinder, und ähnlich schön und süß wie ein Neugeborenes.. Das war nur einer von vielen Sätzen gewesen, mit denen ein gewisser Barde früher angekündigt worden war.

Der Gedanke brachte ihn zum Grinsen. Also hatte er einen Tunichtgut vor sich. Damit konnte er arbeiten.

"Die Götter mögen dich segnen für diesen Dienst, Finlay. Ich bin Vanion ..Bachlauf."
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Re: Auf Reisen.
« Antwort #8 am: 05. Aug 15, 17:47 »
"Whoa, whoa", abwehrend hob Finlay die Hände, "danke mein Freund, aber nein danke. Die Götter und ich... haben nicht das beste Verhältnis..." Er entfernte die blutige Bandage, bevor er nach Nadel und Faden griff. "Auch wenn ich durchaus ein sehr laviniagefälliges Leben führe." Die Wunde blutete noch ein wenig, war aber dennoch bereit, geschlossen zu werden. Der Heiler stach also vorsichtig in die Haut ein und begann, die Wunde zu nähen.

"Was hast du überhaupt im Wald gesucht, Vanion?", fragte er, während er seelenruhig den Faden durchzog. "Was bringt einen gutaussehenden Mann wie dich dazu, sich so verunstalten zu lassen?" Von der Seite schenkte er Vanion einen interessierten Blick.
« Letzte Änderung: 05. Aug 15, 17:56 von Engonien NSC »
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Re: Auf Reisen.
« Antwort #9 am: 07. Aug 15, 15:29 »
"Ein Mann sollte stets ein gutes Verhältnis zu den Göttern haben, Finlay. Schließlich beugt man zuerst und zuletzt vor Ihnen das Knie, n'est-ce pas?"
Missbilligend sah Vanion den Schlapphut an.
"Den Glauben zu verlieren ist schlimm, doch ist das wohl deine Sache und nicht meine. Aber spare dir solche Anspielungen auf die Hohe Mutter, Sie hat wahrlich besseres verdient als vulgäre Respektlosigkeit!"

Etwas freundlicher antwortete er nun endlich auf Finlays Frage:

"Drüben in Norodar bin ich zur Welt gekommen. Momentan reise ich ein wenig durch das Land, und es hat mich einfach nach hier gezogen." Hier, wo alles seinen Anfang nahm, wo mein Vater mit meiner Mutter sich zuerst niedergelassen hat. In Norodar war nicht nur Vanion, sondern auch seine älteren Schwestern zur Welt gekommen. Er wusste, dass seine Eltern hier einst gewohnt hatten, konnte sich aber nicht mehr daran erinnern: sie waren nach Fanada gezogen, als er grade zwei oder drei Jahre alt gewesen war.

"Man erzählte mir dort von Wegelagerern, die im Wald leben und den Handwerkern, die hier im Bruch schuften, das Leben schwer machen. Man verlangt Wegzoll, es wird gestohlen und ausgeraubt. Ich wollte nachhören, ob ich nicht helfen kann."

Er warf einen raschen Blick auf die Axt, die am Sattel seines Pferdes befestigt war.

"Auf dem Weg durch den Wald hab ich dieses Pack bereits getroffen, aber ich war alleine und wurde überrascht. Das wird gewiss nicht nochmal geschehen."
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Re: Auf Reisen.
« Antwort #10 am: 10. Aug 15, 15:57 »
Finlay schnaubte auf, und einen Moment lang machte sein freches Grinsen einem deutlich ernsteren Gesichtsausdruck Platz. "Ich habe kein Problem mit den Göttern, Vanion. Nur mit einigen ihrer Diener." Sein Blick schweifte ab, als er in Gedanken versank. Verschwinde, du elender Lüstling! Alamar spuckt auf dich und deinesgleichen! Der junge Herumtreiber verzog leicht das Gesicht, dann schaute er wieder sein Gegenüber an. "Und ihr solltet vorsichtig damit sein, über die Aussagen eines Mannes zu urteilen, über den ihr absolut nichts wisst."

Nachdem er das gesagt hatte, atmete er tief durch, und der flapsige Blick kehrte wieder in sein Gesicht zurück, auch wenn es im ersten Moment ein wenig gezwungen aussah. "Ah, ein großer Held also", meinte er, scherzend zwar, aber nicht spöttisch, "ich denke, sowas kann die Gegend hier gebrauchen." Seine letzten Wort klangen etwas ernster. "Ich komm auch aus Norodar, musst du wissen... zumindest bin ich dort aufgewachsen, vor langer, langer Zeit." Er hob eine Augenbraue. "Ich frage mich, ob es immer noch das gleiche Loch ist wie früher." Ein Schmunzeln. "Und, was willst du jetzt tun, damit dir so etwas nicht nochmal passiert?"
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Re: Auf Reisen.
« Antwort #11 am: 11. Aug 15, 11:44 »
"Ein 'Loch' nennst du die Stadt?"

Vanion schüttelte den Kopf. Erst haderte der Mann offen mit den Göttern, und dann sprach er abfällig von Vanions Geburtsort - und von seinem eigenen. Finlay mochte vordergründig aufgeweckt, lustig und voller Selbstvertrauen zu wirken, doch besaß Vanion genug Verstand und Menschenkenntnis, um zu sehen, dass es eben nur das war: der Vordergrund. Finlay schien verbittert zu sein. Doch innerlich zuckte Vanion nur mit den Schultern. Gut, Finlay hatte seine Verletzung versorgt, aber das verpflichtete ihn nicht dazu, den vollen Umfang seiner Probleme zu lösen. Bisher war ihm das Gespräch mit dem aufdringlichen Mann eher unangenehm. Er erinnerte ihn zu sehr an den lapsigen Tunichtgut, der er selbst gewesen war.

"Hör mal, Bursche, ich bin kein großer Held, aber ich finde, ich hab durchaus den Respekt verdient, dass du anständig und ernst mit mir sprichst. Ich weiß nicht, ob du scherzt, oder ob du dich über mich lustig machst. Wie dem auch sei, was die Banditen angeht: es liegt mir fern, irgendetwas zu organisieren oder gar auf eigene Faust und allein loszuziehen. Norodar hat eine gute und kompetente Stadtwache, da bin ich mir sicher." Ein kleiner, subtiler Seitenhieb - was hatte Finlay noch gesagt? Die Wachen nennen mich 'Bleib stehen, du Mistkerl!' "Und wenn diese Leute eine wuchtige Axt gebrauchen können, dann helfe ich gern."
« Letzte Änderung: 11. Aug 15, 11:46 von Vanion »
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Re: Auf Reisen.
« Antwort #12 am: 21. Aug 15, 13:00 »
Auch Finlay hätte gern den Kopf geschüttelt, aber er tat es nur innerlich. Als er den jungen Mann vor sich zuerst gesehen hatte, hatte er wirklich geglaubt, eine tolerantere, weltoffenere Person vor sich zu haben. Doch nun interpretierte dieser direkt jeden Scherz als Beleidigung und nahm sich selbst so ernst, dass Finlay beinahe erwartete, ihn gleich zu einer Statue erstarren zu sehen. Offenbar gab es in Engonie wirklich keine Menschen mehr, mit denen man einfach mal Spaß haben konnte.

"Bursche? Das ist zu viel der Ehre, mein Lieber. Nenn mich doch einfach Finlay, wenn du schon von Respekt sprichst", schoss er zurück. "Denn so wie ich das verstehe, sind wir beide einfache, herumziehende Wanderer, und ich sehe keinen Grund, aus dem du mehr Respekt verdient hättest als ich." Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Wenn du denkst, du seist etwas besseres als ich - bitte, stell dich hinten an. Eigentlich wollte ich dich aber nur fragen, ob du vielleicht eine Begleitung nach Norodar suchst. Ich muss nämlich auch in die Richtung." Trotz der scherzenden Worte war seine Stimme wieder etwas härter geworden. Der Streuner war es mittlerweile gewohnt, dass man ihn wegen seiner flapsigen Art herumschubste und von oben herab betrachtete - schmerzhaft war es trotzdem.
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Re: Auf Reisen.
« Antwort #13 am: 25. Aug 15, 10:48 »
Bei den Göttern, was ist das denn für einer? Trotzdem nahm Vanion sich zusammen. Man konnte Menschen nicht ins Herz sehen, und Finlay schien mehr als genug schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Er wog den Vorschlag des Schlapphuts ab. Gewiss war ein wenig Gesellschaft von Vorteil, doch andererseits schien diese Gestalt ein Vagabundenleben zu führen und kein Stück verlässlich zu sein. Ein dezenter Blick über die Schulter überzeugte Vanion, dass seine Bardike immer noch am Sattel seines Pferdes hing.

"Wir reden keine Stunde und streiten uns bereits, Finlay. Mir steht der Sinn nicht nach Streit, jedenfalls nicht nach Streit mit dir. Ich möchte schauen, ob ich bei den Problemen hier vor Ort helfen kann, darum bin ich hier. Ich breche jedenfalls gleich jetzt nach Norodar auf, solange die Nachmittagssonne noch scheint. Ich reite allein, aber wenn wir uns in Norodar sehen, dann bezahle ich gern ein Bier auf zwei. Eines haben wir ohnehin gemeinsam: wir scheinen beide nicht gerne an einem festen Ort zu verweilen."

Prüfend griff der ehemalige Knappe nach seiner Schulter. Es mochte schmerzen, aber es war durchaus im erträglichen Rahmen. Der Schlapphut hatte gute Arbeit geleistet.

"Ich danke dir für deine Dienste! Und wenn dich dein Weg weiter als nur nach Norodar tragen sollte, dann teilen wir uns vielleicht ein Stück des Weges." Er stand auf und zurrte die Sattelgurte seines Pferdes fest. Eine Handvoll Hafer musste als Futter reichen. Die Flanken des Tieres bebten nicht mehr, und ein kleiner, schmutziger Junge von vielleicht zehn Wintern hatte das Pferd gestriegelt und trocken gerieben. Vanion warf ihm eine Münze zu, dann schwang er sich auf das Pferd und trabte davon.
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Re: Auf Reisen.
« Antwort #14 am: 25. Aug 15, 11:28 »
Norodar war ein kleines Städtchen im tangarischen Hinterland. Geprägt wurde es vor allem durch sein Erscheinungsbild: wenige Fachwerkhäuser, wenige Holzhäuser, dafür um so mehr solide, meist zweigeschossige Steinbauten. An und für sich war es ein kleines Städtchen mit sieben-, vielleicht achthundert Menschen darin, doch vor allem vom Frühling bis zum Herbst lebten dort noch mehr Leute. Der Grund dafür war der „Große Bruch“ nur wenige Meilen nördlich des Dorfes: ein Steinbruch, in dem sich nicht nur grauer, harter Granit fand, sondern auch feiner, heller, von dünnen grauen Äderchen durchzogener Marmor.

Eine saubere Stadt, in den Wirren des Bürgerkrieges weitestgehend von Unbill verschont geblieben. Zwar hatte es auch dort Auseinandersetzungen gegeben, doch waren diese recht schnell beigelegt worden - der Lupus Umbra hatte dort nie fest stationierte Krieger unterhalten, und der Bürgermeister und der Stadtrat waren recht schnell übereingekommen, dass man den Krieg abwarten wollte und sich vorrangig aus bewaffneten Konflikten heraus halten wollte. Zwar waren nicht wenige junge Burschen losgezogen, um sich der einen oder der anderen Seite anzuschließen, aber zu wirklichen Kämpfen war es nie gekommen. Ein ehrgeiziges Senatsmitglied, dass sich Konar anbiedern hatte wollen und Milizionäre für den Tiorsorden hatte rekrutieren wollen, hatte man im nahen Wald gefunden - irgendwie musste der Mann gestolpert und in eine Schlinge gefallen sein. Jedenfalls baumelten seine Füße zwei Meter über dem Boden.

Doch genug mit drögen Historien. Heute war Norodar eine aufblühende Stadt. Stein war gefragt - Schiefer, um Dächer abzudecken, Kies und Geröll, um Wege zu befestigen, und sogar Marmor, um im Krieg beschädigte Prunkbauten wieder aufzubauen. Die Ochsenkarren, die abgebaute Ware aus dem Großen Bruch brachten, lieferten bis hoch nach Engonia, und entsprechende Zölle und Steuern spülten Geld in die Stadtkasse.
Grade jetzt, im Spätsommer, herrschte rege Geschäftigkeit auf den Straßen und Gassen Norodars, und die Gasthäuser und Herbergen quollen über, weil sich zahlreiche Tagelöhner und Wanderarbeiter einquartiert hatten. Die zwei, drei Meilen, die zwischen Steinbruch und Norodar lagen, hatte Vanion rasch überbrücken können, und das Tageslicht wandelte sich langsam zu diesem goldenen, melancholischen Licht, das Alamars Auge auf die Erde warf, wenn es Abend wurde.

Der Krieger ritt langsam eine der Hauptstraßen Norodars entlang, darauf achtend, im herrschenden Gedränge nicht gegen jemanden zu prallen. Zahlreiche Stimmen erfüllten die Luft; aufgeregte Rufe von Straßenhändlern, die ihre Waren anpriesen, das Blöken von Ochsen und Eseln und Maultieren, angeregte Gespräche am Straßenrand, eben das typische Durcheinander, das eine lebendige Stadt ausmachte. Auch die Gerüche, die an seine Nase drangen, waren vielfältig: dort roch es nach gebratenem Fleisch, hier wieder nach frischen Gewürzen, und allzu oft gab es eine Wolke von scharfem, stechenden Dunggeruch. Als ein Stück vor ihm an einem Haus im Obergeschoss die Fensterläden aufgingen und eine Frau mit herzhaftem Schwung einen Kübel auf die Straße leerte, musste er schmunzeln, im Gegensatz zu dem Straßenhändler, der die zweifelhaften Gaben direkt auf den unbedeckten Schopf bekam.

Nun öffnete sich die Straße auf einen weiten, vollständig gepflasterten, kreisrunden Platz. An der Kopfseite dieses Platzes erstreckten sich verschiedene Gebäude: das durchaus schön anzusehende Rathaus, das etwas nüchterner wirkende Gerichtsgebäude und direkt daneben ein Gebäude, dass man nur als Kasten bezeichnen konnte: die Stadtwache.
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