Autor Thema: In Voranenburg  (Gelesen 2430 mal)

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Offline Jeremias

  • Administrator
  • Usurpator
  • *****
  • Beiträge: 6130
    • www.blackandgold.de/gallery
In Voranenburg
« am: 14. Sep 15, 21:28 »
Leonie warf den Brief aus Barebury in die Ecke. Die Worte „… wir sind sehr betrübt, doch halten es für nicht in Alamars Sinne, so in das Wirken der Götter einzugreifen…“ tanzten immer noch vor ihren Augen auf und ab. Irmgard, Damians Schwester, legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm. „Es war zu erwarten. Der alte Henus liegt krank darnieder und sein Stellvertreter scheint sich Sorgen zu machen, ob er Damian helfen sollte, angesichts dessen Position gegenüber der Inquisition.“ Leonie drehte sich zu ihr um, Tränen in den Augen: „Ja, aber es muss doch möglich sein, sie trotzdem dazu zu bewegen, zu helfen!“ Irmgard verengte die Augen. „Möglich ja. Aber vielleicht gar nicht nötig… War er nicht bei der Weihe des Säulenschreins an der Ahrn dabei?“ Leonie nickte. „Ja, da war er. Ich war da nicht, aber er hat den Schrein mitgeweiht.“ Irmgard tippte sich nachdenklich ans Kinn. „Und zwar zusammen mit dem Herzog… Ich denke, das hilft uns.“

„Eure Erlauchtigkeit Heinrich, kommt doch hinein. Euer Kommen wurde bereits angekündigt.“ Damians Vater, seine Mutter Katharina, sowie Leonie wurden in die asketisch eingerichtete Stube des Flamen hineingebeten. Wie Irmgard vermutet hatte, war der Herzog gerne bereit, zur weiteren Verbindung zwischen dem Haus Voranenburg und Hanekamp beizutragen und hatte die Priester des Säulenschreins gebeten, dem Grafen von Voranenburg und der ehrenwerten Priesterin der Lavinia Unterstützung zu gewähren.
Flamen Julius, Vorsteher des Säulenschreins an der Ahrn, dem Standort des uralten Sonnenszepters setzte sich ebenfalls. „Ohne weitere Umschweife, wir haben die Umstände geprüft und uns dazu auch der Aussagen von Zeugen bedient. Unseres Erachtens nach ist dies keiner Diskussion würdig: Natürlich sind wir bereit zu helfen. Flamen Magnus Damian ist kein Unbekannter mehr und wir freuen uns, ihm helfen zu können. Einer unserer Gäste, ein Mitglied des Konzils der geistigen Kraft, steht ebenfalls bereit, den Zauber zu brechen.“ Leonie wurde schlagartig klar, was das bedeutete: Ein Magier, der an einem Alamarschrein zu Gast ist und hilft, diese Flamines waren keine Freunde der Inquisition. In Anbetracht der geographischen Nähe zu Barebury eine interessante Erkenntnis, aber auch die Erklärung, warum die Hilfe so schnell gewährt wurde. Der Flamen sprach weiter: „In Anbetracht der diversen Umstände würde ich vorschlagen, dass wir baldigst beginnen.“

Leonie schaute traurig auf die steinerne Statue des Mannes, der sie erst nach Engonien und zu Lavinia gebracht hatte und ihr dann so unglaublich nah ans Herz gewachsen war. Man hatte ihn zum Fuß der Säule gebracht, mehrere Novizen waren notwendig gewesen. Nun stand der junge Magier bereit, den Zauber zu brechen und mehrere Flamines waren zusammengekommen, um sofort um Alamars Gunst zu flehen.
Ein Glitzern umgab die Hände des Zaubernden und langsam webte er mit seinen Händen arkane Zeichen. Dann zerbrach er einen Glasstab, heller und dunkler Sand rieselte auf Damian. „Vas Magia Perdo Magia!“ rief er laut und mit einem Donnerschlag platze die steinerne Haut ab. Sofort trat er zurück und die Flamines fingen laut an, Alamar zu lobpreisen, während der älteste Flamen unter ihnen die Hände auf Damians Brust legte:
"Strahlend steht sie,
majestätisch über allen Landen,
feurig, mächtig, wie als Krone,
des Höchsten Größten.
Die Sonne, gülden, adlig, ist Alamars Auge,
blickend auf die Welt.
Mal strafend brennend,
dann wärmend jubilierend.
Fanfarenstößen gleich,
sind die Strahlen reinen Lichts,
die durchbrechen all das Dunkel,
all die Nacht.
Lasst uns preisen,
was uns Leben gibt.
Alamars Auge, Krone, Speer,
und einig sein und knien,
vor ihm, der einst
das Licht entfachte!“
Dann sprach Flamen Julius feierlich die Worte des Heilungsgebetes:
"Zerschunden liegt dieser Körper hier, sein Leben verlässt ihn, es sickert aus seinen Wunden. Treu und tapfer, gut und gerecht war er und soll er sein! Darum flehe ich dich an, Herr, schliesse seine Wunden! Hauche ihm mit göttlicher Kraft neues Leben ein! So wie du Jeldrik von den Toten erweckt hast, so hole diesen hier von der Schwelle des Todes zurück! Lasse uns nicht im Stich, sondern rette uns, wende die kalte Hand des Todes ab. Ich bitte dich, erhöre mein Flehen und rette diesen deinen Diener!“
Ein goldenes Leuchten umfing Damian und langsam kehrte Farbe in seine Wangen zurück und er öffnete die Augen. Als das Leuchten langsam verblasste, richtete er sich langsam auf, während der Gesang Alamar lobte. Noch etwas wacklig auf den Beinen stand er komplett auf, dankbar die Hand seines Glaubensbruders nehmend. Mit anfangs zittriger und dann immer sicherer Stimme stimmte er in den Gesang ein und am Ende schien er wieder so gesund wie eh und je.
Als er sich umdrehte und sein Blick auf seine Familie fiel, lächelte er breit. Leonie war die Erste, die zu ihm lief und ihn fest umarmte, danach begrüsste ihn seine restliche Familie. Sie alle waren froh, ihn wieder unter sich zu haben.


Damian hatte sich bereits von seinen Eltern und Geschwistern verabschiedet, nun sprach er mit Leonie. „Ich sollte wirklich einige Zeit hierbleiben, sie haben mir geholfen und ich sollte mich revanchieren. Ausserdem verfolgen sie eine unterstützenswerte Politik.“ Leonie biss sich auf die Lippe. „Aber ich kann dich hier besuchen kommen?“ Damian lachte: „Natürlich kannst du! Und keine Sorge, ich bin hier nicht gefangen. Aber ich muss mir Gedanken machen über meinen weiteren Weg. Ich muss mich der Tatsache stellen, dass ich kein Dorfprediger mehr bin und dass mir Alamar offenbar einen anderen Weg als den des Tempelvorstehers zeigt. Aber das wird das Zwiegespräch der kommenden Monate zeigen.“ Er nahm Leonie in den Arm und küsste ihre Stirn. „Und wenn diese Unsicherheit aus dem Weg geräumt ist, dann können wir vielleicht auch endlich unsere persönliche Unsicherheit aus der Welt räumen.