Manchmal weiß man erst, was einem ein bestimmter Mensch bedeutet hat, wenn er nicht mehr da ist.
„Ich weiß jetzt, was ich tun muss Sasha.“
Was...was willst du tun?
„Ich muss gehen Sasha. Die Stimme, die seit meiner Prüfung verstummt ist, ist wieder da.
Und lauter denn je...ich muss das tun.“
Seine Stimme drang durch das unregelmäßige Rauschen ihres Blutes in ihren Ohren zu ihr. Ihr Herz setzte immer wieder aus, das Atmen wurde schwieriger.
Nein! Balerian, bleib hier!
"Ich muss das tun... nimm das hier, meinen letzten Lebensfunken. Für dich, lebe weiter.
Und gib mir das Fläschchen zurück, wenn ich wiederkomme..."
Nein! Ich...Balerian? BALERIAN!
Seine Stimme war immer leiser geworden als würde er sich immer weiter von ihr entfernen. Dann wurde er von einem dunklen Nebel verschluckt und war...weg.
Lass mich doch nicht alleine.....
Einfach so. Weg.
Seine quirlige und bunte Aura war wie ausgelöscht und hinterließ nur einen dumpfen Schmerz, der sich langsam in Sashas Brust ausbreitete, als ihr Herz begann wieder regelmäßig zu schlagen.*
*Mit einem Keuchen fuhr die Wolfselfe aus dem Schlaf hoch. Das Zelt war in diffuse Dunkelheit getaucht, es musste noch mitten in der Nacht sein. Krampfhaft versuchte sie ihre Atmung zu beruhigen und das Zittern zu unterdrücken.
Hoffentlich hatte sie niemanden geweckt. Ein kurzer Blick zeigte allerdings, dass der Rest nach den Anstrengungen und Entbehrungen der letzten Tage zu fest schlief um sich stören zu lassen.
Außer Maugrim natürlich...der Priester grunzte leise, als er von Sashas Traum unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde.
Ohne die Augen zu öffnen seufzte er tief, wälzte sich dann unter seinen Felldecken auf die Seite und hob die Decken etwas an...diese Einladung ließ sich die Wolfselfe nicht zweimal geben.
Nur einen Augenblick später rollte sie sich an den Priester gekuschelt zusammen, der die Decken wieder sinken ließ und praktisch im nächsten Augenblick wieder in tiefem Schlaf versunken war, während er leise vor sich hin schnarchte.
Selten hatte Sasha ihren Seelenbruder so erschöpft erlebt.
Aber das war nicht verwunderlich, hatte er doch alles miterlebt, was sie an diesem Abend erlebt hatte.
Alles.
Als wäre er selbst dabei gewesen. Aber er hatte nichts tun können...nicht helfen...denn er war zu weit weg.
Sie hatte bei dem Ritual seine Kraft gebraucht, um die Kiste zu versiegeln und schon zu dem Zeitpunkt, als sie Balerians Wunden auf sich genommen hatte, waren ihre mentalen Schilde nur noch ein leichter und durchsichtiger Vorhang gewesen.
Und dann kam der letzte Kampf auf dem kleinen Hügel vor dem Schrein. Mit den leuchtenden Kerzen.
Die Kerzen leuchteten auch jetzt immer noch.
Doch ihr Licht hatte für Sasha an diesem Abend an Glanz eingebüßt.
Balerian...
Die Seelen der Askarier gehen nicht mit dem Tod. Sie bleiben bei ihrem Rudel, beschützen es weiterhin und bleiben ein Teil davon bis Askar sie entgültig zu sich ruft.
Unzählige Seelen haben Sasha schon auf ihrem Weg begleitet. Jeder Tote hat geschmerzt, doch es war nie ein vollkommener Abschied.
Balerian war in Askars Namen getauft worden, und auch seine Seele würde nach dem Tod seines Körpers bei seinem Rudel bleiben.
Und doch war er weg.
Wie ausgelöscht...wie niemals da gewesen...
Und zurück blieb nur der dumpfe Schmerz.
Manchmal weiß man erst, was einem ein bestimmter Mensch bedeutet hat, wenn er nicht mehr da ist.