Autor Thema: Der Morgen danach... - 266 n.J.  (Gelesen 4425 mal)

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Offline Kydora

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Der Morgen danach... - 266 n.J.
« am: 27. Jun 16, 11:18 »
Mit eine Seufzer ließ sie sich etwas abseits vom Wegesrand nieder. Sie war noch nicht allzu weit vom Goldkrug entfernt, aber weit genug, um den Kopf ein bisschen frei bekommen zu können. Ihr Griff ging zu der Kapuze ihres Umhangs, die sie sich nun überzug. Die Sonne war einfach zu hell um diese Zeit und ihr Kopf tat weh vom Alkohol der vergangenen Nacht.

Nach dem Frühstück war Kydora zügig aufgebrochen. Ein Frühstück, dass zum großen Teil aus betretenem Schweigen bestanden hatte. Nur kurz von einem Moment des gemeinsamen Lachens über die Absurdität der Situation unterbrochen. Dann wieder Schweigen.

*Verdammte Drecks-* Kydora bremste ihren Gedanken ab. Es brachte jetzt auch nichts mehr, sich darüber groß aufzuregen. Der Karren war in den Dreck gefahren. Und nun hatte sie den Salat. Sie grummelte wieder und zog die Kapuze noch ein Stückchen tiefer ins Gesicht. Als sie Schritte hörte, blinzelte sie unter der Kapuze hervor und beobachtete, wer da den Weg entlang kam.

Offline Vanion

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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #1 am: 27. Jun 16, 12:32 »
Vom Rücken seines Pferdes aus sah die condrianische Landschaft wirklich schön aus. Zumal der Matsch und der Schlamm des Weges endlich nicht mehr an seinen Stiefeln klebten. Er war recht spät aufgestanden und aufgebrochen, denn er hatte vor, die Reise zu genießen und ohne Eile nach Engonien zurückzukehren.

Während er ritt, ließ er den gestrigen Abend Revue passieren. Gida, und sein Streit mit ihr. Die Worte von Erik Sturmfels hatten ihn zum Nachdenken gebracht. Natürlich, es war schlauer, nur Kämpfe auszufechten, die man gewinnen konnte - aber diese Maxime hatte Vanion nie befolgt. Wieso riet er also nun anderen zu einem Verhalten, das er selbst nicht an den Tag gelegt hatte? Vielleicht hätte er einfach den Mund halten sollen. Er hatte es gut gemeint, aber einen Standpunkt zu vertreten, der nicht der eigene war, konnte nicht glaubhaft geschehen.

Eine weitere Lektion, Vanion! Nur weil du mit deiner Waffe umgehen kannst, macht dich das nicht zu einem weisen Mann, der alles weiß.

Die Hufe seines Pferdes verursachten schmatzende Geräusche. Der Weg war einfach zu aufgeweicht. Verflucht sei das Wetter hier! Da lobe ich mir den tangaranischen Sommer.

Seine Gedanken wanderten ein wenig, doch am Ende landeten sie bei Kydora. Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen, während er versuchte, sich an das Ehegelübde zu erinnern, doch es hatte zuviele Zwischenrufe und hämische Bemerkungen gegeben, als dass er alles hätte verstehen können. Eines stand jedoch fest: Kydora und Robert hatten Furathas Segen erhalten und waren nun Mann und Frau. Oder Zwerg und Magierin. Was am Vorabend geschehen war, konnte nur mit sehr viel Alkohol erklärt werden, und ihn schauderte ein wenig bei dem Gedanken, dass vor drei, vier Jahren er mittendrin im Pulk gestanden hätte.

Auf der einen Seite tat Vanion sich schwer mit solchen Abenden: er war anerkannt worden, er war von Stand. Er konnte sich also nicht betrinken, und hatte es auch nicht getan. Trotzdem war auch ihm der ein oder andere freche Spruch über die Lippen gekommen. Du musst dich noch mehr zügeln. Du magst den Goldkrug seit Jahren kennen, aber sei ehrlich: es ist nicht gerade eine edle Schenke. Eher ein übler Schuppen.

Doch auf der anderen Seite tat die Unbeschwertheit, die ein solcher Abend mit sich brachte, seiner Seele wohl. Die letzten Monate waren hart gewesen, und die nächsten Monate und wahrscheinlich Jahre würden härter werden. Damian hatte sehr deutlich gemacht, in welche Richtung es gehen würde. Die Inquisition Alamars trieb ihr Unwesen in Engonien, und auch andere Dinge waren in Bewegung. Große Dinge. Politik.

Ein caldrischer Adliger mag nicht viel Macht besitzen, aber wenn ich irgendwas zum Guten wenden kann, so werde ich das tun. Der Tod meines Onkels verpflichtet mich dazu, Gutes zu tun, wo ich nur kann. Ich muss Buße vor Lavinia tun - denn so hatte Leonie es gesagt, und die war eine Amabilis, die musste es wissen! - denn sonst werde ich auf ewig im Totenmeer schwimmen und niemals erlöst werden. Plötzlich musste er schaudern. Diese Vorstellung war einfach zu unglaublich, zu unfassbar, und doch war sie ganz konkret zu erwarten. Denn seit er Savaric erschlagen hatte, hatte er nicht mehr vermocht, zu Lavinia zu beten. Sein Leben lang hatte er immer auf ihren Schutz vertraut, doch die heilenden Arme der Mutter waren ihm nun gewiss verschlossen. Nun, jedenfalls bis ich Buße getan habe. Sie hat mir eine zweite Chance gegeben, sonst wäre ich gewiss längst von Alamar bestraft worden.

Während er den Goldkrug weiter hinter sich ließ, dachte er weiter über Lavinia nach, und über sich, und über sein Leben. Er hatte nach und nach seine Freunde von sich gestoßen. Anders hatte er zurückgewiesen, und die Brücken zu Lorainne waren, wie sein Knappeneid, gebrochen. Der Umgang mit seinen Saufkumpanen von früher verbot sich ihm, da er schlicht nicht mehr dazu gehörte. Der Eidbruch und der Sippenmord waren ein Einschnitt gewesen: alles, was war, zählte nicht mehr. Zählen würde nur noch das, was er von nun an tun würde, und Vanion war fest entschlossen, Gutes zu tun.

Gutes. Was bedeutet das eigentlich? Das Gespräch mit Kadegar kam ihm in den Sinn. Die Ideale des Rittertums, die konträr standen zu Vanions eigenen Idealen. Aber war das wirklich so? In diesem Dorf in Andarra, als er auf Yezariel getroffen war - und als ich für Goldbach kämpfte! Für Goldbach, das mir Baum und Strick versprochen hat!, dachte er nicht ohne Bitterkeit - da hatte Yezariel davon gesprochen, dass das Rittertum Opfer mit sich bringt, aber dass all die Ideale, die Vanion hatte, auch im Rittertum zu finden waren. Dass das Rittertum Vanions Bestimmung sei, dass er all die Anlagen dazu habe. Vanion hatte entgegnet, dass der feine Herr Baron Yezariel doch selbst wissen müsse, wie es mit Eiden war, die man schwören muss. Dass ein Ritter nichts weiter ist als ein besser gestellter Söldner, wie Kadegar es gesagt hatte. Und Yezariel hatte ihm zugestimmt. Aber dann hatte Yezariel ihm erzählt, dass er selbst auf Titel und Würden verzichtet hatte, um das wahre Rittertum verfolgen zu können. Dass jeder Fehler habe, dass nie ein Ritter wahrhaft Perfektion erreichen könne.

"Vanion, du hast micht enttäuscht und alle, die an dich und deinen Weg geglaubt haben."

Vielleicht war an diesen Worten etwas dran. Er war anerkannt worden als Bastard. Er war legitimiert, ein Mann von Stand durch Geburt. Vanion aus Roquefort. Kein Land, kein Anspruch - aber die Geburt. Damit ließ sich doch etwas anfangen.

Aus seinen Gedanken erwachend, sah er auf. Dort vorne am Wegesrand saß eine Gestalt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Unter der Kapuze lugten ein paar braune, geflochtene Haare hervor, und diese Gestalt in braun kam ihm sehr vertraut vor.

Grinsend schwang er sich vom Pferderücken, dann ging er auf Kydora zu. 

"Guten Morgen, Kydora!" Er verzichtete auf Häme. Entweder war es wirklich die große Liebe gewesen, die zugeschlagen hatte, oder der große Humpen Alkohol. Der sehr große. So oder so, sie hatte den Schaden, also warum noch Spott obendrauf?

"Wie geht es dir? Der gestrige Abend war, höflich gesagt, ereignisreich."
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Offline Kydora

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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #2 am: 27. Jun 16, 13:04 »
"Vanion." Freude stahl sich auf ihr Gesicht und sie nahm die Kapuze wieder vom Kopf, um besser mit ihm reden zu können. Sie kniff die Augen etwas zusammen und brauchte einen Augenblick, sich an die Helligkeit zu gewöhnen, die nun nicht mehr von der Kapuze eingedämmt wurde.

Kydora streckte sich und machte sich dann auf den Weg zu Vanion. Sie schien dabei noch etwas Schlagseite zu haben. *Oh hui. Sitzen war irgendwie einfacher.* Kydora ließ sich Zeit, die kurze Strecke zu Vanion zurückzulegen. Dann bei ihm angekommen umarmte sie ihn. Die Freude wich einem ernsterem Ausdruck während sie sich die Schläfe rieb in der Hoffnung, dass es irgendwie gegen die Schmerzen half.

"Tja wie geht es mir? Um es auf den Punkt zu bringen: Ziemlich mieserabel." Sie verschränkte die Arme. "Ist ja nicht so, dass ich nicht schon genug Sorgen habe. Nein... ich bin offenbar auch erstaunlich gut darin, immer und immer wieder Neue zu finden."

Offline Vanion

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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #3 am: 27. Jun 16, 13:21 »
Vanion zog die Augenbrauen hoch, als Kydora auf ihn zuschritt. Sie sah abgehärmt aus, mit dunklen Rändern unter den Augen. Auch ihre Kleidung sah mitgenommen aus. Nun, der Boden war nicht gerade trocken gestern. Am Ende war er selbst wahrscheinlich nicht ganz unschuldig am Zustand ihrer Kleidung.

Herzlich erwiderte er die Umarmung der kleinen Silvanaja-Frau, und als sie von ihren Sorgen sprach, musste er unwillkürlich an ihren Ausbruch denken. Sie hatte ihn angeschrieen, auf ihre Stirn gezeigt, als er versucht hatte, sie von dieser Hochzeit abzubringen.

"Dich so zu betrinken, ist nicht deine Art, oder?" Mitfühlend beobachtete er, wie Kydora sich über die Schläfe rieb, und kurzerhand griff er an seinen Sattel und bot ihr etwas zu trinken an. "Wasser, aber es ist frisch und nicht schal. Kalt und erfrischend."

Er schüttelte den Kopf. "Eine Hochzeit ist eine ernste Sache. Aber wenn sie vor einem Tavernentisch als Altar geschlossen werden kann, mit Betrunkenen als Zeugen und Kaleb als Brautvater, dann kann sie wohl auch wieder gelöst werden. Ich kenne mich mit condrianischen Riten nicht aus, aber ich weiß, dass Furatha eine flatterhafte Gottheit ist. Sie wird dir verzeihen, glaube ich."
Schlimmer ist es da, dass ihr Hydracors Segen empfangen habt. Aber dieses Detail verschwieg er lieber. Eins nach dem Anderen.

"Ich habe dich noch nie so ...zügellos erlebt. Du machst Vieles mit dir selbst aus, aber ich glaube, du erlebst momentan mehr, als je zuvor in deinem Leben. Brauchst du Hilfe?"
Die Frage war sehr direkt, das wusste Vanion. Aber Kydora war eine sehr direkte Person. Doch auf der anderen Seite hatte er nie jemanden kennengelernt, der verschlossener war, der besser verstecken konnte, was tatsächlich vorging. Kydora mochte am Rande des Selbstmords stehen, merken lassen würde sie es niemanden.
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Offline Kydora

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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #4 am: 27. Jun 16, 14:00 »
Sie wich seinem Blick aus. "Nein... eigentlich nicht. Also, klar trinke auch ich mal einen über den Durst, aber so wie gestern..." Sie sprach nicht weiter, stattdessen nahm sie dankend einen Schluck von dem Wasser, dass Vanion ihr reichte. Das kühle Wasser tat gut und es schien ein paar ihrer Lebensgeister wieder wecken zu können.

Sie reichte ihm das Wasser wieder zurück und sah ihn dabei Ernst an. "Mag sein, dass die Umstände nicht die offiziellsten waren, aber das ändert nichts an der Tatsache. Wenn du einen Krug zerbrichst, ist er danach kaputt. Egal ob du dabei betrunken warst oder nicht. Er ist in beiden Fällen zerbrochen." Sie strich sich eine Strähne hinters Ohr. "Wenn ich etwas verspreche, dann stehe ich dazu."

Ja, sie war nicht glücklich mit ihrer Entscheidung, aber ihr Wort zu brechen? Nein, das konnte sie nicht. Wenn sich andere nicht mal mehr auf ihr Wort verlassen konnten, wer war sie denn dann noch?

Vanions Worte machten sie nachdenklich. Man sah es ihr deutlich an, auch wenn sie gerade seinem Blick auswich und der Boden auf einmal viel interessanter zu sein schien. Ihre Gedanken rasten unsortiert von einem zum anderen Thema. Dann setzte sie vorsichtig das sprechen an.

"Ich..." Sie schluckte schwer und ihre Augen wurden feucht. "Vielleicht... Esta und Isaac haben gestern etwas Ähnliches angesprochen. Aber..." Kydora schaute ihm in die Augen. "Vanion, ich hätte einfach nie aus Silvanaja weggehen sollen. Ich hatte ein ruhiges behütetes Leben. Keine Sorgen, keine Probleme... Es ging mir gut. Und jetzt?"

Ihre Stimme brach und sie hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Wieder glitt ihr Blick zu Boden. Dieses Gespräch ging ihr nah, das war offensichtlich.

Offline Vanion

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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #5 am: 27. Jun 16, 14:40 »
"Wenn ich etwas verspreche, dann stehe ich dazu." Aus demselben Grund würde Merle Vanions Turnierdame werden, wenn er jemals ein Turnier reiten würde. Auch wenn es peinlich war. Doch während er darüber noch nachdachte, merkte Vanion, wie Kydora die Schultern sinken ließ. Ein verräterisches Glitzern war in ihren Augen, und er sah es, bevor sie den Kopf senkte, um ihm den Blick zu verwehren. Das hatte er nicht erreichen wollen.

Ihre Lippen zitterten. Beherzt ging Vanion einen Schritt auf sie zu. Sanft legte er seine Hände auf Kydoras Wangen und hob ihren Kopf hoch, und ihre Augen schauten in seine. Wäre ich nicht losgezogen. Zuhause wäre es besser gewesen. Diese Gedanken kannte er nur zu gut. Dummerweise war er nicht mal in der Lage, diese Fragen für sich selbst zu beantworten. Wäre es wirklich besser gewesen, wenn er zuhause geblieben wäre? Die Antwort, die ihm in den Sinn kam, sprach er laut aus:

"Vielleicht hättest du wirklich nie aus Silvanaja weggehen sollen. Aber wenn man nicht über die nächste Hügelkuppe schaut, wie will man wissen, was dahinter steckt?" Ein weiterer Hügel. Es steckt immer ein weiterer, größerer Hügel dahinter. Er wischte ihr eine einzelne Träne aus dem Gesicht, dann ließ er seine Hände sinken.

"Man hat dir wehgetan.", sagte er, und meinte damit nicht nur das Mal auf ihrer Stirn. Auch das Lösen des Bandes mit Stella hatte sie verletzt.
"Es ist wichtig, zu verstehen, dass nichts von dem, was geschieht, sinnlos ist. Nichts ist umsonst, schöne wie schlimme Momente. Verzweifle nicht. Tu dir nicht selbst weh, weil andere dir wehgetan haben." Unsicher, ob er weitersprechen sollte, wartete Vanion auf Kydoras Reaktion.
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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #6 am: 27. Jun 16, 15:15 »
Ruhig blickte sie ihn an. "Man hat mir wehgetan, weil ich so dumm war, diese Situationen zu provozieren. An allem, was mir passiert ist, trage ich selber die Schuld. Und das kann ich auf niemanden anderen abwälzen."

Sie verschränkte wieder die Arme und beobachtete das Pferd einen Augenblick, wie es sich über ein Grasbüschel am Wegesrand hermachte. "Natürlich ist nichts von den Dingen, die geschehen sinnlos. Da gebe ich dir recht. Aber zu wissen wofür sie passieren würde es doch einfacher machen."

Kydora näherte sich dem Pferd behutsam und strich ihm über den Hals. "Vermutlich haben du und die anderen recht und ich brauche wirklich Hilfe. Aber ich habe keine Ahnung, wo oder bei wem und wie oder was mir helfen kann." Sie drehte sich wieder zu ihm um. "Ich glaube das größte Problem ist, dass ich mir nicht darüber im klaren bin, was mir helfen kann... Aber immerhin weiß ich jetzt mit Sicherheit, dass Alkohol es defintiv nicht tut." Sie setzte wieder ein Lächeln auf. "Irgendwie komm ich schon zurecht, Vanion. Mach dir bitte keine Sorgen meinetwegen. Für mich geht's jetzt ohnehin erstmal wieder zurück nach Fanada. Und dann sehen wir weiter."

Offline Vanion

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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #7 am: 27. Jun 16, 16:21 »
Verwundert beobachtete Vanion, wie sein Rappe Kydora einfach so erlaubte, ihn zu streicheln. Das Tier scheute vor Fremden zurück, aber in diesem Fall wirkte es zufrieden. Während er also da stand und der Frau zusah, die sich mit seinem Pferd beschäftigte, dachte er über Kydoras Worte nach. Langsam, bedacht, hob er zu einer Antwort an.

"Ich finde nicht, dass du Schuld an allem bist, was dir geschieht. Wenn dir im Wald ein Ast auf den Kopf fällt, weil er morsch geworden ist und just in dem Moment ein Specht daran herumpickt, in dem du unter diesem Baum stehst, dann kannst du doch nichts dafür. Du bist weder an allem schuldig, was geschieht, noch bist du völlig unschuldig: an deiner Hochzeit zum Beispiel bist du in der Tat schuld. Da hat dich keiner zu gezwungen, aber viele wollten dich davon abhalten. Aber du trägst keine Schuld an dem Mal auf deiner Stirn. Daran ist alleine Kelos Schuld."

Er trat nun ebenfalls zu seinem Pferd und strich ihm über den Hals.

"Du hast dich in viele gefährliche Situationen begeben. Warum, das wissen alleine die Götter und du selbst, also musst du auch selbst herausfinden, wofür diese Dinge passieren - oder du fragst die Götter, ob sie es dir sagen. Du musst jedenfalls mit den Konsequenzen deiner Handlungen leben. Ich glaube dir, wenn du sagst, dass du irgendwie zurecht kommst. Jeder kommt irgendwie zurecht. Aber schöner ist es, wenn man nicht ständig alleine mit allem zurecht kommen muss. Und da ich einmal hier bin.."
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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #8 am: 27. Jun 16, 18:14 »
Kydora schmunzelte. Das Beispiel mit dem Ast gefiel ihr und Vanion mochte recht haben, mit dem was er sagte. *Und trotzdem fühlt es sich so an, als hätte ich Schuld.*

Sie dachte an die vielen Momente, als sie Freunde im Arm hatte, sie getröstet und ihnen Mut zugesprochen hatte. Wie oft hatte sie sich selber schon zu anderen sagen hören 'du bist daran nicht schuld.'. Wie oft war sie dagewesen, wenn es ihren Freunden schlecht ging. Und nun schaffte sie es selber nicht, ihre eigenen Ratschläge zu befolgen. *Wenn ich so weitermache, werde ich erst recht niemandem mehr eine große Hilfe sein...*

Sie legte ihre Hand auf Vanions Schulter und starrte auf seine Brust. "Ehm..." sie hatte Mühe die Worte auszusprechen, die ihr eigentlich gerade auf der Zunge langen... "Ich, also... Hilfst du mir, die richtige Hilfe für mich zu finden?" Den letzten Satz hatte sie sehr schnell gesagt. Als ob sie Angst hätte sie würde ihn nicht zu Ende bringen, hätte sie noch länger gezögert.

Jetzt schaute sie Vanion genau in die Augen. Kydora war anzumerken, dass es ihr nicht leicht viel, um so etwas zu bitten. Doch der gestrige Abend hatte ihr gezeigt, dass es Zeit war zu handeln.

Offline Vanion

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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #9 am: 27. Jun 16, 21:18 »
Ihr Blick war gespenstisch. Verzweifelt, aber auch voller Kraft - nur ohne viel Hoffnung. Erst jetzt erkannte Vanion das volle Ausmaß des Abgrundes, an dem Kydora sich befand. Aber wer wollte es ihr verdenken? Aus dieser Nähe waren die roten, vernarbten Ränder der Sonne unter dem Stirnband nur zu gut erkennbar, und unwillkürlich lenkte er seinen Blick darauf. Rasch senkte er die Augen wieder und sah Kydora an, doch die hatte seinen Blick bemerkt.

Die Hand auf seiner Schulter fühlte sich gut an, und nach einem scheinbar ewig andauernden Moment nickte er.
"Ja, das werde ich."
Noch einen weiteren Augenblick kreuzten sich ihre Blicke, und in Vanions Blick lag plötzlich mehr Zuneigung, als er sich eingestehen wollte. Dann brach er den Blickkontakt und zog Kydora in eine kurze Umarmung.
Schuld ist eine sehr seltsame Sache. Ich habe meinen Eid gebrochen und versucht, diese Ehrlosigkeit durch einen Sippenmord auszuwaschen. Doch brach ich meinen Eid, weil ich meinen Onkel nicht umbringen wollte. Für meinen Eidbruch gebe ich mir nicht die Schuld, und im Namen Alamars wurde mir vergeben. Doch für den Tod meines Onkels halte ich mich für schuldig. Aber es ging hier nicht um ihn, und so hielt er den Mund.

Als sie sich voneinander lösten, fasste er mit beiden Armen an die Schultern der Silvanaja-Frau und sagte:
"Hilfe kann so vieles sein. Ein Gespräch zur richtigen Zeit mit der richtigen Person. Eine Tat, mutig und ehrenvoll vollbracht." Ein toter Kelos. "Oder auch ein ruhiger Moment des Gebets, ehrliche Zwiesprache mit den Göttern. Manch einer findet Beistand in der Meditation. Ich werde versuchen, dir solche Gelegenheiten zu verschaffen. Doch vor all dem möchte ich dich um etwas bitten."
« Letzte Änderung: 27. Jun 16, 21:21 von Vanion »
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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #10 am: 27. Jun 16, 22:03 »
In den letzten Wochen war sie zwar nicht alleine gewesen, sie war mit ihren Freunden auf Reise gewesen. Und doch hatte sie sich immer einsam gefühlt. So wie jetzt auch. Doch gab ihr die Umarmung auch neuen Mut. Sie hatte zwar das Gefühl, alleine zu sein, doch wusste sie rein logisch, dass sie es nicht war. Kydora erwiderte die Umarmung. Sie genoss einfach nur den Moment der Ruhe und versuchte sich einzureden, dass es schon irgendwie wieder werden würde.

Als Vanion sich von ihr löste, blickte sie ihn fragend an. "Um was denn?" *Dass ich sowas wie gestern nicht nochmal mache? Darum muss du mich nicht bitten, das mache ich schon von ganz alleine nicht.* Sie hob eine Augenbraue und wartete auf seine Antwort.

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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #11 am: 27. Jun 16, 22:11 »
"Du verschließt dich. Du frisst es in dich hinein, und wenn es hinaus will, dann verletzt du dich am Ende selber, auf die eine oder andere Art. Weil du denkst, dass du Schuld an den Umständen trägst. Und weil du denkst, dass es besser ist, wenn es dich trifft als jemand anderen." Dabei ist das, was geschieht, oft das Werk der Götter und selten das der Menschen!

Dieses Mal hatte er nicht über seine Worte nachgedacht, sondern einfach ausgesprochen, was er dachte. Das überraschte ihn ein wenig, und ein wenig hatte er Angst davor, etwas Falsches gesagt zu haben. Kydora wirkte jeodch nur neugierig auf seine Bitte und ließ sonst keine Reaktion erkennen.

Mach weiter.
"Es ist wirklich nur eine Bitte. Rede mit mir. Erähle mir von deinen Sorgen und Nöten, von deinen Wünschen und Träumen. Lass mich teilhaben an deinem Leben." Man kann das auch schlichter sagen. "Vertraue mir. Versteck dich nicht."
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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #12 am: 27. Jun 16, 22:37 »
Das hatte gesessen. Kydora schluckte schwer und starrte Vanion an. Er hatte genau ins Schwarze getroffen. Und ihrem Blick war genau das anzusehen. Ihr Atem begann wurde schwerer und der Kloß in ihrem Hals erschwerte ihr das Schlucken. *Bin ich so einfach zu durchschauen? Wieso scheinen mich alle so viel besser zu verstehen als ich selber es tue? Lyra gestern auch schon. 'Kydora ich weiß, warum du das gerade tust.' das waren ihre Worte gewesen. Hatte sie recht?*

"Vanion ich..." *Wir kennen uns doch eigentlich kaum.* "Ich weiß nicht ob ich das kann. Weißt du, ich rede meistens nicht über solche Dinge... Ich kann dir nicht versprechen, dass ich deiner Bitte nachkommen kann. Ich kann es versuchen. Aber ich kann nichts versprechen."




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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #13 am: 27. Jun 16, 23:02 »
"Uff.. entschuldige." Die beiden hatten längst aufgehört, den Rappen zu streicheln. Aber Vanion griff nach Kydoras Hand und fuhr mit ihr durch die Mähne seines Pferdes. "Halt dich ruhig daran fest", sagte er. "Ich möchte, dass du es versuchst. Du musst lernen, mit schrecklichen Ereignissen umzugehen. So, wie man schöne Dinge miteinander teilt, kann man mit schlimmen Dingen nicht alleine fertig werden." Du kannst mir vertrauen. Und das nicht, weil wir miteinander schlafen.

Während Kydora noch über seine Worte nachdachte, grinste er sie plötzlich an.
"Außerdem musst du lernen, wie du mit diesem Schwert umgehst, das du da trägst."
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Offline Kydora

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Re: Der Morgen danach... - 266 n.J.
« Antwort #14 am: 28. Jun 16, 08:57 »
Nun musste Kydora auch wieder grinsen. Ja, mit dem Schwert umgehen musste sie wirklich lernen. Sie musste so vieles noch lernen. Und genau dafür wäre in Zukunft Zeit. Keine unnötige Sauferei mehr. Keine überschnellten Entscheidungen. Sie musste endlich lernen, die Dinge in den Griff zu kriegen. Ihr Blick ging zum Schwert, dann wieder zu Vanion.

"Ja, das muss ich. Aber meine Liste, an Dingen, die ich lernen will ist lang. Ich kann nicht alles auf einmal machen. Merle wollte mir zum Beispiel noch Jagen beibringen. Lass uns da später einfach nochmal drüber reden."

Kydora griff noch einmal nach dem Wasser und nahm einen tiefen Schluck. Dann ging ihr Blick den Weg entlang. *Man kann einen Weg auch immer zurück gehen...* Sie würde über viele Dinge nachdenken müssen in der nächsten Zeit.

"Wollen wir weitergehen? Ich würde gerne so schnell wie möglich wieder nach Fanada zurück."