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Das Exil - Drakonias Reise in den Mittellanden

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Drakonia Noximera:
Sie schloss die Tür hinter sich, fiel auf den Boden und versuchte nicht mehr, die Tränen aufzuhalten, auch wenn sie die Wunde reizten.

Sie konnte nicht glauben, dass sie versagt hatte. Sie wollte nicht glauben, dass es zu Ende war, es konnte einfach nicht zu Ende sein. Die ganze Vorbereitung umsonst... Der Stolz schmerzte mehr als die Wunde. Da kam wieder in ihrem Kopf der Gedanke, was Lyra und Kadegar in der Situation gemacht hätten. Hätten sie den Ritual unterbrochen?...

Es war egal. Sie hatte vor einem Monat eine unabhängige Evaluation aufgefordert und wurde zu dieser Prüfung angewiesen. Sie hatte sie nicht geschafft. Was jetzt passieren sollte, wusste sie nicht, nur eins war ihr klar: es durfte nicht zu Ende sein. Schließlich lief ein Dämon frei durch den Wald.

"Jetzt Ruhe aufbewahren", dachte sie sich. Egal von dem Prüfungsergebnis, sie sollte ihre Arbeit tun und den Dämon fangen. Die Magier, die in der Lage waren, in zu verbannen, waren beschäftigt bei der Prüfung von Cornelius, der andere Prüfling, der einen Meistertitel anstrebte, und die Krieger konnten gegen die Kreatur nicht viel tun. Sie entgegen war für so was ausgebildet, lebte davon und verstand mindestens von ihrer Arbeit. Sie war effizient genug um das beruflich machen zu können, und anscheinend nicht so schlecht, wenn sie bisher überlebt hatte.

Analyse hätte gefehlt, meinten die Magier aus der Kommission. Sie atmete ein paar Mal tief durch um sich den Kopf zu befreien, aber die Tränen auf der rechten Seite des Gesichts traute sie nicht zu wischen. Sie sollte analysieren, wo ihre Fehler waren. Etwas mit dem Ritual hätte nicht gestimmt, meinte die Komission, aber Drakonia hatte alles so gemacht, wie es ihr unterrichtet worden war, und wie sie es als Schülerin schon selbst getan hatte oder andere beobachtet hatte, als sie das getan hatten. Sie schloss nicht aus, dass es möglich war - vielleicht hatte der Wind irgendwelche Bereiche im Kreis einfach weggewischt und sie hatte das übersehen; vielleicht hatten ihre Zauber mit etwas interagiert, aber sie hatte den Ort auch gereinigt... Hauptsache, es hatte nicht geklappt. Sie musste etwas anderes unternehmen... Was sie scheinbar auch falsch gemacht hatte, war die Einschätzung vom Dämon. Sie dachte, es sei ein besessenes Kind, hatte sich aber festgestelt, es sei tatsächlich ein Dämon mit einem eigenen Körper, der die Gestalt eines Kindes genommen hatte und sie auf dieser Weise getäuscht hatte. Ein Kind war es auf jeden Fall, es war schließlich nicht so stark, dass es Massenzertörung verursachen könnte, aber es war schlau und schnell genug und auf jeden Fall gefährlich.

Wie sollte sie gegen den Dämon vorgehen... In Rabenfels hatte sie die Nekromantin, die gerade durch ihren Portal verschunden war, zurückgezogen und sie dann bekämpft, aber dieses Wesen befand sich auf dieser Ebene und eine Beschwörung würde nicht helfen, sondern einen anderen Dämon rufen. Sie sollte ihn also verlocken... Aber wie? Sie konnte es nur dann exorzieren, wenn es in einem Schutzkreis reingeschlossen war.

"Wie, zum Teufel?... Wie bring ich das Ding ins Kreis rein?..." Anscheinend gab es eine Möglichkeit, um das zu machen, und genau das wollte sie nicht tun, weil es gegen ihre Prinzipien ging. Obwohl...

Dass ein neuer Kreis nötig wäre, war ihr bewusst. Sie überlegte sich eine Weile die Struktur. Dieses Mal war es etwas einfacheres und Drakonia versicherte sich, dass sie dieses Mal den Dämon nicht lassen würde, die Kraft von ihrem Ritual zu ziehen. Es würde andersum sein. Aber sie würde dieses Mal erstmals den Kreis ziehen, den Dämon reinschieben und verschließen und erst dann ihre Absichte bekannt geben.


Plötzlich tauchte das Gespräch mit dem Weibel der Waldtempler in ihrem Kopf auf. "Erinnert Euch an den Anfang", hatte er gesagt. Wie hatte das ganze angefangen?... Vor einem Jahr in Tangara, bei diesem Magiertreffen, wurde sie exorziert und hatte sich dann entschieden, selbst Dämonen zu jagen. So war es dazu gekommen, dass sie sich einen Ausbildungsplatz ausgesucht hatte. Und dann war sie zu der Schattenwall gegangen und hatte gelernt, nach dem Runensystem von denen zu zaubern...

Moment mal. Sie bewegte sich schnell zu ihrem Bett, öffnete ihre Kiste, die unter dem Bett stand, und fing an, etwas zu suchen. Ah, hier war es, ein kleines Buch aus Leder, das Kadegar ihr gegeben hatte im Austausch zu ihrem Magierbuch aus der alten Akademie. Sie schlug die Seiten auf und fand in wenigen Sekunden das, was sie brauchte. Die Sigile der Schattenwall mit den Runen. Sie nahm ein leeres Blatt Papier, einen Stift, und fing an, so schnell wie möglich Matritzen zu zeichnen und die Runen drin einzuordnen. Ihr eigenes Runensystem hatte nicht funktioniert, aber das würde.Es nahm ihr etwa eine halbe Stunde, um alles zu planen, aber nach den ersten Minuten erinnerte sie sich besser an die Arbeitsweise dieses Systems, die Runen fühlten sich wieder wie alten Freunde, die bereit waren, ihr in diesem Ritual zu helfen. Ihre Schrift wurde schneller und sicherer, die Matritzen waren endlich ausgeglichen und sie fing an, den Kreis zu planen. Schutzkreis vor Physischem, Schutzkreis vor magieschem, die alles von draußen nach drinne ließen, aber nichts von drinne nach draußen. Der Dämon sollte nur reintreten und würde nicht mehr aus der Falle raustreten können. Ein Dreieck, wessen Spitzen die Energie und die Kraft des Dämons aufsaugten und in sich sammelten. Eine Schiefe Linie, die die Kreise und den Dreieck überquerte und die Energie von den Spitzen nach draußen fließen ließ, damit sie die Struktur nicht überladete. Und an den zwei Enden der Linie sollten zwei Leere Kristalle stehen, in denen die Energie reinfließen würde, statt in die Erde geleitet zu werden.

Drakonia überprüfte das ganze noch mal, dann schob sie die Ausarbeitung in eine ihrer Gürteltaschen, nahm das Schwert, das sie in die Ecke geworfen hatte, zog ihre ledernen Handschuhen an und befestifte den Stab an ihren Rücken. Die Trännen waren weg und die Spuren waren getrocknet. Die verbrannte Seite ihres Gesichtes tat furchtbar weh, aber die Aufregung unterdrückte die Schmerzen.

"Ich weigere mich, aufzugeben. Der Kampf ist nicht vorbei. Nicht, während ich noch lebe."

Sie ging aus dem Zimmer. Um rauszugehen, musste sie durch die Tavensa gehen, wo Arkatosh und der Rest der Kommission sein würden, aber das interessierte sie eher wenig. Glücklicherweise erkannten die Leute schon an ihre Miene, dass sie ihr am liebsten aus dem Weg gehen müssten, und sie tan es. Sie fühlte die verdutzte Blicke von den Leuten auf sich, aber sie schenkte keinem Aufmerksamkeit.

Nur, als eine Frau vor der Tür sie fragte "Drakonia, wo geht ihr hin?", antwortete sie klar und deutlich "Jagen", ohne die Frau anzuschauen, ging nach draußen und verschwand in den Wald.

Dieses Mal nahm sie einen bequemeren Platz für ihren Ritual. Sie analysierte den Ort, reinigte ihn, dann fing sie an, die Kreise zu ziehen. Sie achtete explizit darauf, dass sie perfekt rund wurden. Es war eine Ehrensache. Sie würde nicht in einem kartoffelformigen Kreis ritualisieren. Danach malte sie den Dreieck und die Linie, legte die leeren Kristallen auf den beiden Enden der Linie, schaute sich das ganze noch mal an in der astralen Ebene, um sicherzustellen, dass die Struktur keine Löcher hatte, und aktivierte einen Teil von dem ganzen, dann wirkte ein Kampfschutz auf sich. Mit der Hofnung, dass kein Kanninchen in die Falle laufen würde, rannte sie weiter in den Wald.

Der Dämon war nicht weg. Sie war kaum dreihundert Schritte gelaufen, als sie seine hissende Stimme hörte. Sie näherte sich an das Wesen. Es fasste sie mit einer Energiehand an, als sie es fast gefangen hatte, aber dank des Kampfschutzes tat das weniger weh als der mentale Dolch im Gesicht. Sie schimpfte. Die Jagd zog sich länger, für ihr Glück in Rictung des Ritualsplatzes. Sie durfte noch zwei Schläge oder Geschoße annehmen, dann wäre der Kampfschutz kaputt, aber sie brauchte nämlich eins für das, was sie vorhatte, also der Dämon durfte sie nur noch einmal anfassen. Ein Energiebolzen erreichte sie und sie wusste, es war Zeit, mit dem Plan anzufangen.

"Würdest du bitte hören, was ich von dir will?" fragte sie das Wesen.

Es stand auf einmall still.

"Kämpfen bringt uns nichts. Einer von uns - und das wenn wir Glück haben, ansonsten wir beide - wird sterben und keiner hat was gewonnen. Ich kann dir etwas besseres anbieten. Komm schon, wir stehen gerade da, wo sich die zwei Pfade kreuzen. Dämonen paktieren auf Kreuzungen, erzählt man."

"Und wasss kanssst du mir anbieten?" fragte die Gestalt.

Drakonia lachte kurz und trocken.

"Nun, ich habe gemerkt, mit Dämonenjagd komme ich nicht weit. Ich habe mir gedacht... Warum nicht mal die andere Seite? Einmal war ich besessen, so schlecht war es nicht mal. Was sagst du? Mein Körper ist eine gute Tarnung, würde ich sagen. Kann dir gehören, wenn du ihn annimmst."

"Und wasss kriege ich dafür?"

"Alles, was mit dem Körper kommt. Physische Stärke, Magiefähigkeit, Kontakte, Beziehungen, Zugang zu verschiedenen Anstallten der Magie... Mein Mann und seine Forschungen..."

"Und wenn du versssuchssst, den Pakt zzzzu brechen?"

Sie lächelte sanft und freundlich.

"Warum sollte ich? Es bringt mir mehr Vorteile, als du glauben kannst. Aber wenn du möchtest, schließen wir den Pakt mit Blut. Komm mal, ich kenne den perfekten Ort dafür."

"Bring mich zzzu jenem Ort... Und wenn du versssuchssst, mich zu belügen..."

Man konnte merken, dass der Dämon tatsächlich ein Kind war. Es folgte ihr die paar hunderte Schritten zum Ritualkreis, stand da aber plötzlich still und fragte mit Verdacht:

"Warum isssst da eine Truhe?"

Drakonia merkte, dass sie die Truhe, in der sie die Kristalle gebracht hatte, neben dem Kreis vergessen hatte. Schon ein Fehler, aber schlimmer wäre es, wenn sie das in ihrer Haltung reflektieren lassen würde, deshalb behielt sie ihre verlockend freundliche Miene - was mit dem verbranntem Gesicht schon eine Quall war - und antwortete:

"Oh, in der habe ich diese Steine hier gehabt. Möchtest du sie haben? Hier, bitte schon. Nun komm mal, wir sollen ein paar Tropfen Blut vergießen, damit wir den Pakt schließen können. Sie werden den Ritualkreis aktivieren und dann kannst du meinen Körper schon im Besitz nehmen. Möchtest du, dass ich das Blut vergieße?"

"Mach dassss." sagte der Dämon.

Drakonia nahm ihn in die Hand und sie traten neben dem Kreis. Sie zog einen Dunklelfenwurfdolch, ballte die Hand vom Dämon und schnitt die Händen von den beiden. Der letzte Kampfschutz erfüllte seine Aufgabe und auf ihrer Hand erschien keine Wunde... Aber auf der Hand des Dämons schon. Es tropfte auf die Spitze des Dreiecks, was den restlichen Teil des Kreises aktivierte, dann grinste Drakonia gruselig, wobei dem Dämon klar wurde, dass er einen Fehler begangen hatte, und schob ihn in den Kreis.

"Kindchen, ich habe Firas belogen, dass ich nie die weggelaufene Nekromantin in Rabenfels zurück ziehen werde, um sie zu töten... Und du glaubst, ich würde keinen Dämon belügen können? Ein Hinweis... Du hättest wissen sollen, dass man einen Dämonenpakt auf einer Kreuzung schließt, und das ohne Mehlkreise. Jetzt blebe hier, bis ich meine Prüfungskommission hole."

Sie musste jetzt schnell handeln - sie hatte noch weniger als eine Viertelstunde, bis der Ritualkreis von selbst zerfallen würde. Sie ging schnellstmöglich zurück zur Tavensa, öfftene die Tür mit aller Kraft, wobei alle Blicke sich auf sie richteten, und ging direkt zum Tisch, wo ihre Prüfer saßen und sich unterhielten. Sie schaute der Aventurischen Magier direkt in den Augen und sagte mit einer Stimme, die klar machte, dass sie keine Proteste dulden würde:

"Ihr vier kommt jetzt mit mir.

Der Magier wollte ihr wahrscheinlich sagen, dass ihre Prüfung schon vorbei war, dass sie durchgefallen hatte und dass sie diese nicht jetzt wiederholen durfte, aber die eisigen Flammen in ihren grauen Augen, die neben der verbrannten Haut ihres Gesichtes grausam und gnadlos brannten, zwangen ihn wortlos aufzustehen und zusammen mit den drei anderen Prüfungskomiteemitgliedern der Elfe hinterherzugehen.

Sie brachte die vier zu dem Kreis, wo der wütende Dämon immer noch stand - sie war unbeschreiblich erleichtert zu sehen, dass des Wesen immer noch drin war, sie zeigte das aber nicht und behielt ihren eisigen Blick.

"Was soll das sein?..."

"Meine Klausurnachholung. Dieses Mal habe ich mich abgesichert, dass das Viech nicht rauskommt."

"Scolaria, Ihr scheint nicht verstanden zu haben, dass die Prüfung zu Ende ist. Ihr habt beim ersten Versuch versagt, einen zweiten wird nicht abgelegt. Wenn Ihr mich entschuldigt, ich würde mich zurü..."

Drakonia schaute ihn wieder in die Augen und sagte mit emotionsloser Miene:

"Ihr bleibt hier und benotet das Ritual. Und Ihr scheint nicht gehört zu haben, als ich euch in den letzten zwei Tagen mehrmals gesagt habe, dass ich Dämonenjägerin bin, keine Hermetikerin. Bei mir ist die Jagd erst dann am Ende, wenn die Beute besiegt ist. Manchmal zieht sich die Jagd jahrelang in die Zeit. Aber keine Sorge, das hier dauert nicht länger als zehn Minuten."

Mehr Zeit hatte sie nicht, aber das sagte sie nicht. Der Druide kam nähen und schaute sich den Kreis durch den astralen Blick.

"Ach ja... Wenn jemand versucht, die Schutzkreise runterzunehmen, ist er für seine Verletzungen selbst schuld."

Dann fing sie an, den Exorzismus noch mal zu ritualisieren. Sie konnte fühlen, dass ihre Kraft in den letzten Monaten ziemlich gewachsen war. Früher hätte sie so was nicht machen können, jetzt hatte sie aber genug Kraft für den Exorzismus und vielleicht noch ein paar kleine Zauber. Sie ging davon aus, dass etwas tatsächlich schiefgehen würde, hatte aber dafür ihre Waffen bei sich und hatte ihr Schwert mit dem geweihtem Wasser vom Paladin gegossen.

Ihre Zauberweise war, im Gegenstaz zu ihren Jagdmethoden, sehr präzis, da sie mit Eis arbeitete. Das hieß aber längst nicht, dass sie keine Emotionen reinließ. Die Eisfläche war zerbrochen und der ganze Ozean von Grausamkeit, Gnadlosigkeit, Gleichgültigkeit, Wut, Zorn, Hass floß in den Zauber. Sie hatte gelernt, wie sie ihre Emotionen trotzdem noch benutzen konnte, ohne dass diese störten, sonder Hilfe leisteten. Sie hatte sie noch nicht völlig unter Kontrolle, aber auf dem Weg dahin war sie schon. Und dieses Mal sollte es der richtige Weg sein.

Der Leid vom Dämon war auch für die Prüfer viel zu gruselig um beizusehen. Sie blieben trotzdem. Der Körper vom Dämon, geschwächt vom Dreieck im Ritual, schmolz in furchtbaren Schmerzen wie Wachs und das einzige, was auf dem Boden blieb, war Asche. Wenige Sekunden danach war die Zeit vorbei und die Magie im Kreis brach zusammen. Drakonia nahm mit ihren Handshuhen die Kristalle vom Boden und drückte sie in die Hand von Arkatosh - der einzige von den vier Prüfern, der Handshuhe trug.

"Ihr habt gemeint ich sei stur - so ist es. Sonst wäre ich längst nicht mehr am Leben. Aber ich kämpfe solange, bis die Götter auf mich zusehen und sagen "Hab es nach deinem Kopf!"."

Drakonia Noximera:
Die Tore der Rabennest waren zu dieser Zeit geschlossen, und egal was passierte, würden sie sich vor Morgenrot nicht aufmachen. Drakonia fiel auf ihren Knien vor dem Tor und ihre heiße Tränen tropften auf die Steine. Sie erinnerte sich an das erste Mal, als sie diese Akademie betreten hatte - ein noch unschuldiges Kind, dass die Gruseligkeit des Krieges nicht gesehen hatte. Jetzt kam sie zurück, als Magistra der elmentaren Kraft, aber sie fühlte sich naiver als damals, als sie noch ein Kind war. Sie hatte kein Vertrauen zu den Leuten, die sie traf, und trotzdem hatte sie jemanden zu nah gelassen.

Kaan war, laut die Leute in der Tavensa, in den Wald verschwunden - nach einer Streit mit Finja war er verschwunden und die anderen vom Imperium machten sich Sorgen. Cornelius wollte mit Kaan reden, wusste aber nicht, wo er war. Drakonia sagte ihm, sie würde den Heiler finden, und ng zusammen mit Finja und Riccard zum Wald.

Sie fanden Kaan etwa eine Viertelstunde später, tief in den Wald. Glücklicherweise in Menschenform, obwohl es den drei klar war, dass er in so einem emotionellen Zustand war, dass er sich n jedem Moment verwandeln würde. Und im Gegensatz zu Werwölfen zum Beispiel, konnten Drachen ihre Metamorphose bewusst kontrollieren. Selbst in Menschengestalt war er nicht der nette, gut erzogene und ziemlich ängstliche Heiler, sondern voller Wut und Zorn. Er verlangte, dass Finja bei ihm bleibt, während Riccard und Drakonia Cornelius holen, Riccard wollte die junge Knappin aber nicht alleine mit einem Drachen lassen. Und so wurde beschlossen, dass Drakonia mit ihm bleibt, während die anderen zwei Cornelius holen.

Lady Drakonia, Euer Mann hat mir mitgeteilt, er wäre glücklicher, wenn ihr nicht mehr mit ihm seid, sagte Kaan auf einmal.

"Nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich ihn hasse, glaube ich das gerne."

Und dann erzählte ihr Kaan etwas ganz interessantes. Und es wurde ihr klar, was sie zu tun hatte. Dann kamen Cornelius und noch welche Leute und redeten mit Kaan. Drakonia ging zurück zur Tavensa. Es war tief in der Nacht, die meisten schliefen. Drakonia wartete trotzdem einige Zeit, bis alle von draußen zurückkamen und in ihre Betten gingen. Sie verabschiedete sich von Cornelius, Kaan und Finja und ging nach draußen, ging dann aber zu ihrem Pferd, kletterte auf seinen Rücken und ritt leise weg von dem Dorf. Dann ritt sie zum ersten Portal, kam irgendwo raus und wechselte mehrere Portale, bis sie in der Nähe von Rabennest auftauchte - sie wollte nicht verfolgt werden können. Das war vor weniger als zwei Stunden.

Sie hatte einen guten Grund wegzurennen. Arkatosh hatte einen Kopfgeld auf sie aufgesetzt. Und er hatte dem Drachen angeboten, die Aufgabe zu übernehmen. Der Drache, zu ihrem Glück, war viel zu ehrlich um aufzunehmen und hatte ihr alles erzählt. Sie erinnerte sich an die Worte von Cai, der ehemalige Reisegefährte von Arkatosh: "Arkatosh ist ein Beschwörer."

Sie hatte Arkatosh vertraut, und sie konnte es kaum glauben, dass er ihren Tod gewünscht hatte. Aber das hatte er. Nun war sie aber stark genung, um sich ihm widerstellen zu können.

Einige Stunden später fanden sie einige Akademieangehörigen vor dem Tor, wo sie das Bewusstsein verloren hatte. Sie war älter, ihr Gesicht war fies verbrannt, ihre Energie fühlte sich anders an, aber einige Magister erkannter ihre ehemalige Schülerin und Enkelin des Prorektors Vermillion Aladrin, der vor einigen Wochen verschwunden war und seitdem nicht mehr gesehen wurde. Sein Amulett im Form eines silbernen Feders mit einem blauen Stein hing aber am Hals von seiner Enkelin.

Drakonia Noximera:
Akademie zu Rabennest, 267 n.J.
"Ich verstehe, dass es Euch nicht danach ist, und es tut mir leid, dass ich die Frage immer wieder stelle, Verminaar," sagte der Rektor Weeltrin Nevhocker ruhig, aber irgendwie beharrend, "aber das müssen wir wissen und kein anderer kann das wissen. Sagt mir bitte, wo Euer Großvater ist."

Drakonia seufzte genervt, ignorierte die Frage und schaute weiter aus dem Fenster in Richtung Meer. Es war gerade die Zeit, als die Sonne unterging und der Himmel brannte. Das Meer war schon dunkel. Etwas Nostalgisches gab es in dem Ganzen, etwas, dass sie nicht ruhig sitzen ließ, aber ihr auch nicht erlaubte, sich zu bewegen. Sie mochte und hasste das Gefühl in gleicher Masse. Sie hörte wie die neue Prorektorin, eine ehemalige Konkurrentin von Vermillion Aladrin, Magistra Evanora Leyenbach, sich nach vorne bewegte, um zu versuchen, Augenkontakt mit ihr aufzubauen, ignorierte das aber auch. Sie hatte die Frage gefühlt tausend Mal gehört und konnte nicht begreifen warum die Akademieleitung jetzt eine andere Antwort erwartete, als diese, die sie schon mehrmals wiederholt hatte. Dachten diese Leute etwa, für sie wäre es einfach, den letzten Mitglied ihrer Familie zu verlieren?...

"Verminaar, wenn jemand das wissen würde, dann Ihr. Also Ihr lügt..."

Nevhocker gab seiner Vertreterin ein zeichen, dass sie aufhören muss, und sie schwieg in der Mitte des Satzes. Drakonia zeigte nicht, dass sie das bemerkt hatte. In den vergangenen Tagen wurde sie mehrmals ins Arbeitszimmer vom Akademieleiter gerufen und wurde immer wieder mit denselben Fragen konfrontiert. Was mit ihr passiert sei. Wo sie ihre Wunde bekommen habe. Warum sie zu der Akademie gekommen sei, nach all diesen Jahren. Und vor allem, wo ihr Großvater sei. Irgendwann hatte sie die Nase voll und hatte kein Wort mehr gesagt.

Sie befand sich schon seit einigen Wochen in der Akademie. Die ersten Tagen hatte sie im Lazarett verbracht, die Heiler konnten aber nichts für die Brandwunde tun. Eine fiese Narbe verdeckte die Hälfte von ihrem Gesicht. Dann wurde sie zu einem Gastzimmer gebracht und ihr wurde alles besorgt, was sie brauchte, aber sie saß am Fenster und schaute nach draußen und wollte weder etwas essen, noch mit jemandem reden. Ein paar Tagen danach hatte sie sich getraut, in die Fluren zu gehen. Die Schüler gingen ihr aus dem Weg noch als sie sie sahen - mit ihrem emotionslosen, blassen und verunstalteten Gesicht erschreckte sie die jungen Magier erfolgreich. Das machte ihre Laune nur noch schlimmer.

Der Rektor wechselte erneut die Taktik. "Verminaar, wenn ihr Zeit braucht, nimmt Euch ruhig die Zeit. Wir zwingen Euch zu nichts. Aber wenn es nicht hilft, dann erlaubt uns, Euch zu helfen."

Sie brauchte keine Hilfe. Nur wollte ihr keiner glauben.

"Ich weiß nicht wo mein Großvater ist." Ihre eigene Stimme klang als wäre sie fremd.

"Ah so, reden konnte sie ja!", sagte Navaar Vem, der zweite Prorektor, ein Mensch, der sie immer an eine Wildkatze erinnert hatte – ruhig, ehrenhaft, aber dennoch zu jeder Zeit bereit, anzugreifen und in der Lage, seine Gegner schnell zu vernichten. Ironischerweise war er immer ihr Vorbild für ein Kampfmagier gewesen. Wie viele andere Menschenmagier, sah er unveraltet, obwohl er älter als sie war.

"Ich glaube Eure Bemerkung hilft keinem hier weiter, Magister." sagte eine etwa bissige Stimme in der Ecke. Ein blasser, schwarzhaariger Elf mit einem in grün leuchtenden Stab, der bisher in den Schatten gestanden war, kam ein paar Schritte näher. Sein Name war Celran Helsir, Meister für Heil- und Beeinflussungsmagie, Leiter des Lehrstuhls für Heilmagie und einer der Lehrer, die Drakonia einmal unterrichtet hatten. "Sie hat sich offensichtlich von einem psychologischem Tiefpunkt nicht erholt und sie in einen weiteren zu stürzen wäre sinnlos für uns und gefährlich für sie."

"Wäre magische Beeinflussung dann in der Situation nicht viel nützlicher?"

"Wie ich schon gestern gesagt habe - ohne ihre Zustimmung werde ich nicht arbeiten. Ihr Kampfmagier scheint aber ziemlich hartnäckig zu sein, wenn ihr etwas wollt."

Dass Vem und Leyenbach lange gewartet hatten, bis sie die Position von Vermillion Aladrin bekommen konnten, war kein Geheimnis. Drakonia wunderte sich nur warum die beiden Prorektoren jetzt plötzlich so großes Interesse hatten, ihren Vorläufer zu finden.

"Und ohne ihre Zustimmung werde auch nicht zulassen, dass Magie auf sie gewirkt wird, außer es ist notwendig, wie die Analysen der Heilmagier." Nevhocker wand sich dann wieder zu Drakonia. "Wenn Ihr wirklich nichts wisst, dann ist alles in Ordnung, wir glauben Euch, dass es die Wahrheit ist. Ich verstehe, dass es für Euch nicht leicht war, als Euer Großvater auf einmal verschwunden ist. Wie schon mehrmals gesagt - Hilfe bekommt ihr von uns immer, nur sollt Ihr uns sagen was wir machen könnten."

"Er war einfach weg. Hat mir das silberne Feder hinterlassen und ist verschwunden. Ich konnte ihn seitdem nicht mehr nachverfolgen. Mehr weiß ich nicht."

"Und das ist auch völlig genug. Wir danken Euch für das, was Ihr uns mitgeteilt habt."

"Darf ich gehen?"

"Keiner hält Euch auf. Allerdings würde ich bitten, dass ihr auf dem Weg zu Eurem Zimmer kurz in das Lazarett vorbeikommt. Habt Ihr in den letzten Tagen mehrmals vergessen trotz meinem Rat." sagte Halsir ruhig.

"Vergessen habe ich nicht. Ich wollte einfach nicht meine und eure Zeit verschwenden."

Der Elf stellte sich vor der Tür, als sie ausgehen wollte. Sie versuchte, an ihn vorbeizugehen, wurde aber aufgehalten.

"Habe ich doch gemeint. Sarkasmus ignorieren funktioniert nur bei Leuten, die einem nicht genau Sarkasmus ignorieren beigebracht haben. Ich begleite Euch."

Drakonia versuchte wieder, an ihn vorbeizugehen. Die anderen drei Magier sagten nichts und beobachteten die Konfrontation ruhig, offensichtlich ohne Absichten, sich einzumischen. Helsir war für sie verantwortlich, als Heiler und als einer ihrer einmaligen Lehrer, außerdem war er guter Freund von Vermillion Aladrin gewesen und als solcher sah man ihn als  verantwortlich für die Enkelin des alten Prorektors.

"Ich dachte, ich wäre nicht gegen meinen Willen hier gehalten."

"Außer es ist notwendig, und erlaubt mir die Anmerkung, in diesem Zustand lasse ich Euch nicht das Akademiegebäude verlassen. Ich bereue es schon ein bisschen, Euch vom Lazarett entlassen zu haben. Mitkommen, bitte."

Drakonia schaute ihn eiskalt in die Augen, aber das half nicht. Sie seufzte und folgte ihm, als er ihr ein Zeichen dafür gab. Sie hatte eben keine Lust, sich kindisch zu verhalten - nach der Prüfung durfte sie das nicht mehr. Er führte sie zu seinem Arbeitszimmer einige Etagen unten, machte die Tür auf und sagte ihr, sich hinzusetzen und zu warten, dann schloss die Tür und ließ sie für einige Minuten alleine.

Als er kurz danach zurückkam, war sie zum Fenster gegangen und schaute nach draußen. Die Sonne war schon untergegangen und das letzte Tageslicht war weg. So dunkel war es, als sie vor Wochen gekommen war. Magister Halsir lenkte den Stab mit dem zerbrochenen Stein, den er gerade ins Zimmer gebracht hatte, an die Wand.

"Also trotz allen Druckmittel der Akademieleitung hast du so lange geschwiegen - ich bin beeindruckt von dieser Sturheit. Setz dich hin, bitte. So. Drei Sachen sollen wir besprechen und ich fange mit dem kompliziertesten an.“
“ Mein Großvater? Wenn jemand Bescheid wissen würde, dann Ihr. Aber anscheinend habt Ihr die Akademieleitung gut getäuscht.“ Ein bisschen Wut war schon in ihrer Stimme zu hören.

"Um genauer zu sein – ich habe weder eine Ahnung wo er ist, noch warum er jetzt gegangen ist. Alles, was ich habe, sind meine Vermutungen. Aber um sie dir zu erklären, muss ich dir erzählen, was die Situation genau war, die das Ganze zu diesem Ergebnis dazu gebracht hat.

Wie du bereits weißt, besaß dein Großvater seit längerer Zeit keinen physischen Körper mehr. Du weißt aber vermutlich nicht genau, wie er den verloren hat. Inzwischen ist es fast zu einer Legende geworden, dass er mit einem Drachen gekämpft hat, aber das stimmt nicht vollkommend. Drachen sind einige der wenigen Gestalten, die in der Lage sind, sich zwischen den Ebenen zu bewegen und dein Großvater als Seelenwanderer hat erfahren können, wie er selbst das macht. Ein Drache hat ihn angegriffen, als er sich dort befand, und er hat versucht, in seinen Körper zurückzukehren, der Drache hat den Körper aber verletzt. Als er zurück zu der Akademie gebracht wurde, war sein Zustand bereits so schlecht, dass es klar war, dass er nicht lange leben würde, dafür war der Körper zu beschädigt und konnte nur mit mehreren Artefakten und einem zu großen magischen Kraftaufwand am Leben gehalten werden.

Da seine Seele aber unbeschädigt war – und in der Lage war, auch außerhalb des festen Körpers weiter zu existieren, solange eine Verbindung zwischen Seele und Körper bestand, haben wir etwas anderes gemacht. Sein Körper wurde verbrannt und die Asche wurde zu einem kleinen Kristall gemacht, den wir an den silbernen Anhänger, den du im Moment trägst, befestigt haben. Als seine Seele dann genug Kraft dafür gesammelt hat, hat er sich mit Illusionsmagie einen neuen Körper erschaffen, der zu seinem identisch war. Er war in der Magie gut genug, dass der Körper sich fest anfühlte und von einem echten nicht zu unterscheiden war, dank einer einfachen magischer Analyse konnte man aber sofort feststellen, dass der Körper eine Illusion war und die Seele sich in dem Anhänger befand, den dieser Illusionskörper immer bei sich hatte. Ähnlich zu einem Lich halt, allerdings bestanden Unterschiede, die du leicht erkennen kannst. Egal. Dein Großvater hat aber den Anhänger bei dir gelassen und ist daher nicht mehr in der Lage, sich einen Körper durch Illusionsmagie zu bauen. Wo sich seine Seele befindet, können wir auch nicht feststellen. Er hat anscheinend nicht vor, bald zurück zu kommen, und mir hat er auch letztens gesagt, er wolle nicht nachverfolgt werden.

Mich wundert bloß, warum er das gemacht hat. Und gerade jetzt… Du hast sicherlich keine weiteren Elfen als mich und ein paar Schüler gesehen. Die Akademieleitung hat alles Mögliche gemacht, nichtmenschlichen Angehörigen der Akademie das Leben schwer zu machen. In der letzten Jahren sind keine elfischen Schüler mehr aufgenommen, Dozenten wurden weggetrieben ich bin nur in Ruhe gelassen worden, weil ich als Dekan der Heilungsmagiefakultät und als Arzt noch brauchbar für die Akademie bin. Dein Großvater war allerdings der mächtigste Vertreter für die Elfen in Rabennest, wenn er aber weg ist, werden wir es noch schwieriger haben.“

“Was?... Warum? Er hat mir gesagt, ich wäre hier immer willkommen…“

“ Wenn ich ehrlich sein soll, ich habe keine Ahnung was er gedacht hat, als er dir das erzählt hat.“

“ Heißt das, ich habe keine Chancen, hier als Forscherin oder Dozentin zu arbeiten?“

Der Elf seufzte etwa enttäuscht. “ Verminaar, auch ohne diese Schwierigkeiten wäre das mit deiner Prüfungsnote schwer möglich. Du hast nämlich nicht den meistens beeindruckenden Abschluss, den ich gesehen habe. Was uns zum zweiten Punkt des Gesprächs bringt – Rabennest, wie vermutlich jede andere Akademie, wird verlangen, dass du eine Nachprüfung ablegst, damit dir überhaupt einen Titel über Adept anerkannt wird. Im Moment bist du unter meinem Schutz als Patientin vom Lazarett, allerdings wird erwartet, dass du das machst, wenn du dich erholt hast.“

Drakonia seufzte und presste ihre Zähne zusammen. Schon wieder stellte sie sich die Frage ob sie nicht tatsächlich noch einige Zeit warten können hätte, bevor sie die Prüfung abgelegt hatte. Irgendwie hatte sich zu viele negative Faktoren gesammelt – sie war nicht sicher in sich selbst, wollte den Titel haben, um die Munde von etlichen Leuten zu schließen – egal wie oft sie sich selbst gedacht hatte, dass sie es nur für sich selbst machte – das Komitee war höchst ungeeignet und sie hatte den Dämon falsch eingeschätzt. Aber sie war noch am Leben. Und solange sie lebte, konnte sie weiter versuchen.

“ Ich bin bereit, das noch morgen zu machen.“

Sie war nicht und sie wusste es. Aber sie wusste auch ganz genau, dass man nie völlig bereit für etwas sein konnte.

“ Nicht so schnell. Du kannst dir Zeit lassen. Und davor brauchst du einen neuen Stab – deinen haben wir zerbrochen gefunden.“

Er ging zurück zur Tür, neben der er den neulich gebrachten Stab gelassen hatte, nahm diesen in der Hand und schaute ihn an mit deutlich erkennbarer Trauer im Gesicht. Drakonia konnte sehen, dass der zerbrochene Stein am Stab der gleiche war, wie die der Stein am Stab von Halsir. Der Elf kam mit dem Stab zurück zu ihr und sagte leise, mit einer Stimme, in der einen großen, nicht vergessenen Schmerz zu spüren war:

“ Ich hätte da vielleicht etwas, dass dir… vom Nutzen sein könnte. Im Moment etwa beschädigt und vielleicht unpassend für dein Magielement, aber du könntest ihn entsprechend umbauen. Hat einmal einem Kampfmagier gehört…“

Er schwieg, bevor seine Stimme gebrochen war. Drakonia folgte seinem Blick bis zum Wand, wo ein Gemälde hing. Sie konnte einen Elf sehen, der dem Magister sehr ähnelte, allerdings junger war und deutlich als Militärmagier und Feuerelementarist zu erkennen war.

“ Mein Sohn.“ sagte Halsir ruhig. “Er war ein bisschen wie du – ungehalten, impulsiv, würde eher Dinge zerstören als versuchen, sie in Ordnung zu bringen… Unnötig zu sagen, wir haben uns nicht gut verstanden, und als seine Mutter gestorben ist, ist er zur Armee gegangen, da er es zu Hause nicht mehr ertragen konnte. Er über zwanzig Jahren gedient, bis er in einer Schlacht ums Leben gekommen ist. Mir wurde nur sein Stab gebracht.“

Drakonia schaute den Magier schweigend und mit Respekt an. Sie wusste nicht, was sie sagen soll. Sie hatte selbst erlebt, wie ihre Familie ausgestorben war, aber irgendetwas in ihr sagte, dass kein Vater sein Kind begraben sollte. Egal wie schlecht sich die beiden verstanden hatten – der Vater hatte sich Sorgen um seinen Sohn gemacht. Er fühlte nun immer noch die Reue, Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte später. Seit sie sich erinnern konnte, war Magister Halsir einer der wenigen Leuten, die sie immer mit ihren Mut und Stärke beeindruckt hatten. Sie vergaß immer wieder, dass man stark nur durch vielen Schlägen vom Schicksal wurde. Und sie wunderte sich wie viele von ihren Freunden und Bekannten wegen Verlusten litten, ohne dass jemand davon wusste – alleine, schweigend, erschrocken, dass jemand sie für schwach halten würde. Sie hatte bei mehreren gesehen, wie abends, während alle anderen feierten, ihre Blicken traurig und nostalgisch wurden und wie sie sich an vergangenen Schlachten und gefallenen Freunden erinnerten. Manchmal wunderte sie sich auch, ob jemand überhaupt ihren Tod trauern würde, wenn sie am nächsten Tag auf dem Kampffeld fiel.

“ Egal. Der Stab kann noch gebraucht werden, wenn man den zerbrochenen Stein austauscht. Die kupfernen Tele würde ich an deiner Stelle auch mit silbernen ersetzen, da Kupfer besser zu Feuer passt uns Silber zu Eis. Wenn das Ding bei mir bleibt, bringt es nur noch Erinnerungen. Und ich habe meinen Sohn auch gut genug gekannt – ihm wäre es lieber, wenn sein Stab wieder im Kampf getragen wird, statt in meinem Keller zu verstauben.“

“ Ich… weiß nicht was ich sage soll, Magister. So was habe ich nicht erwartet. Es tut mir Leid für Euer Sohn. Und ich bin dankbar für die großartige Geste.“

Der Elf nickte kurz.

“ Mach nur sicher, dass der Stab nicht in kurzer Zeit wieder bei mir landet, zusammen mit der Nachricht, dass auch du gestorben bist. Ich habe deinem Großvater ja versprochen, ich würde mich um dich kümmern.“

Drakonia Noximera:
* * *
Im großen, hellen Ritualraum waren nur der Rektor, seine beide Vertreter, noch ein paar Lehrer und aus irgendwelchen Grund der Lehrling von einem von denen. Drakonia schaute Magister Helsir nervös an, er nickte kurz und sie betrat den Raum. Ein paar Tagen waren vergangen, seit sie den neuen Stab bekommen hatte. Sie hatte ihn umgebaut und den zerbrochenen Stein zu Magister Helsir gebracht, als Erinnerung von seinem Sohn.

Die versammelten Magier deuteten ihr zur Mitte eines bereits vorbereiteten Ritualkreises. In Rabennest machten nicht die Prüflinge das Ritual, sondern die Prüfer. Der Prüfling musste mit dem, was auf ihn wartete, zurechtkommen. Es gab auch Fälle von Schülern, die während der Prüfung gestorben waren.

“ Seid Ihr bereit, Verminaar?“ fragte der Akademieleiter und nachdem sie ihm die Frage kurz positiv beantwortet hatte, redete er weiter: “ Wenn wir den Kreis aktivieren, werdet Ihr in einer simulierten Situation versetzt, in der Ihr eine Lösung für ein Problem findet musst. Ihr dürft alle Sprüche nutzen, die ihr kennt, bis auf diese von Eurem auserwählten Fachgebiet – beziehungsweise vom meistens ausgeprägten Fachgebiet, wenn Ihr mehrere gewählt habt. Alle Leute, die Ihr dort trifft, sind Teil einer von uns erschaffenen Illusion, allerdings werdet Ihr das nicht wissen, während Ihr Euch dort befindet, sondern werdet Euch erst wieder erinnern, wenn das Ritual zu Ende ist. Wir können das Ritual nicht abbrechen, wenn wir einmal angefangen haben, deswegen besteht der Risiko, dass ihr schwer verletzt oder sogar getötet werdet, bis jemand zu Hilfe kommt, sollte etwas schief laufen.“

“ Ich bin mit den Bedingungen einverstanden.“

Sie betrat den Kreis und die Magier fingen an, das Ritual zu aktivieren. Sie drehte sich kurz zu Helsir, der sie schweigen zurück anschaute, dann schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf die Energie. Langsam begann sie, eine andere Realität wahrzunehmen, wie wenn man im Schlaf verfällt.

Sie trug ihre Lehrlingsrobe, ihre Haare waren kürzer, an ihrer Seite hing ihr altes Elfenschwert und an ihrem Rücken war ihr alter Stab befestigt. Sie befand sich in irgendeiner Akademie, konnte lediglich nicht sagen, welche. Alles schien ihr bekannt zu sein, nur an konkretere Details erinnerte sie sich nicht. Alles war in Chaos verfallen, alle liefen irgendwohin, als wäre die Akademie angegriffen worden. Alle riefen etwas durcheinander, aber sie konnte kein Wort wahrnehmen, genau wie in einem Traum.

Um sich herum konnte sie viele bekannte Gesichter sehen. Ammenor, Maarja, Arkadin, Falke, Redannter, Corres, Tanatos, Fey, Orin, Nilfir, Nahira, Gracelin, Leyla, Cataleya, Kydora, Stella, Lyra, Kadegar, Arkatosh, Kellermaus, Finna, Julius, Freja, Kay, Fir, Deron, selbst Scheme, ihr erster Verlobter, und viele andere. Sie folgte den Leuten in einen riesengroßen Raum, anscheinend eine Aula, und sah den wilden Sturm durch die hohen Fenster. Nicht nur die Natur war im Spiel draußen, sondern auch Magie – mächtige Energien waren zu spüren und etwas oder jemand versuchte, die Akademie anzugreifen. Die Magier um sie herum zauberten schon Schutzsprüche aus.

Jemand schob sie kräftig vor sich, bevor sie das selbst machen konnte, und ein schlimmes Gefühl tief in ihr sagte ihr, dass sie laufen musste. Sie hatte aber keine Zeit – kaum hatte sie sich hinter dem großen und stabilen Experimentiertisch versteckt, als ein mächtiger magischer Schlag von draußen die Fenster zu Scherben machte und eine tiefe männliche Stimme in der Aula donnerte:

“ Ihr könnt Euch nicht wehren.“

Leise und langsame Schritte waren dann zu hören – jemand hatte die Aula von einem der zerbrochenen Fenster betreten. Keiner von ihren Freunden und Bekannten war zu hören und die eiskalte Angst hielt sie auf einmal im Griff. Was, wenn sie tot waren?... Vom hinter dem Experimentiertisch konnte sie nichts sehen, und sich zu bewegen wagte sie auch nicht. Selten in ihren Leben hatte sie solche Angst verspürt. Sie saß einfach da, Rücke gegen dem soliden Holz, wagte kaum zu atmen und bat zu allen Göttern, dass die Gestalt, die die Aula betreten hatte, sie nicht fand. Dann sah sie eine Kristallkugel, die langsam neben dem Tisch fuhr und dann zurück. Sie wusste, dass sie gefunden worden war.

Ein alter, weißhaariger Mann in einer hellen Magierrobe kam zum Tisch und kniete nieder, um sie zu sehen.

“ Ah, ein kleiner Elf. Wie allein du bist… Komm, du musst keine Angst vor mir haben.“

Sie beschimpfte den Mann in Gedanken und krabbelte schnell von der anderen Seite, dann lief zu den in allen Richtungen geworfenen, kaputten Tischen rum herum. Viele von den Personen, die mit ihr in der Aula waren, konnte sie nicht finden. Der Rest lagen bewusstlos und blutend auf dem Boden, zwischen Glasscherben und kaputtes Holz. Sie versuchte, keine Panik zu zeigen. Alle, die sie beschützen konnten, waren tot oder verletzt. Sie war ganz allein diesem Magier ausgeliefert und ihre Freunde waren am Sterben.

Der Magier trat ein Schritt näher zu ihr, sie schrie zu ihm, sich zurück zu halten und hob einen Schutzwall vom einen Wand bis zum anderen, sodass sie und die Verletzten vom Magier getrennt waren. Dann wand sie sich um mit Tränen in den Augen. Fünf Personen waren es, um genauer zu sein. Falke, der einmalige Leibwächter ihrer Schwester; Orin, der Nekromant, der sich um sie wie um seine eigene Tochter gekümmert hatte; Lyra und Kadegar, die Magier, die ihr eine neue Hoffnung gegeben hatten und ihr bei den ersten Schritten auf dem neuen Weg geholfen hatten; und Arkatosh, ihr Ehemann, das einzige Lebewesen, zu dem sie noch Gefühle hatte. Sie war wütend auf allen fünf aus verschiedenen Gründen, sie hatte geschworen, dass sie sie verrecken lassen würde, wenn sie ihre Hilfe brauchten – und jetzt waren sie hilflos und sie konnte sie nicht einfach so lassen.

Dann passierte etwas Interessantes. Von der anderen Seite ihres Schutzwalls öffnete sich ein Portal und ein Mann kam raus. Sie vermutete mindestens von der Figur der Gestalt, dass es ein Mann war – er trug eine Kapuze und sein Gesicht war tief im Schatten versteckt. Der weißhaarige Magier versuchte, ihn anzugreifen, aber die dunkle Gestalt zerstörte seinen Spruch mit einem Fingerschnips.

“ Was war das, zum Teufel?!“

“ Woher soll ich das wissen? Es ist nicht von uns!“

“ Unterbricht das verdammte Ritual, verdammt noch mal!“

“ Können wir nicht...“

Ein magischer Einfluss griff die Struktur von ihrem Schutzwall an und ihr wurde klar, dass sie diesen nicht noch lange halten können würde. Sie musste die Verletzten wegschaffen. Aber wie… Und warum waren es nur diese fünf Leute?...

Plötzlich wusste sie, was die Lösung war. Das waren die einzigen von den Leuten, die hier waren, denen sie irgendetwas nicht vergeben hatte. Sie sah die fünf irritiert an. Sie hatte gedacht, sie würde nichts spüren, wenn sie sterben würden, aber sie konnte sie jetzt nicht sterben lassen. Konnte sie in diesem Fall vergeben? Sie wand sich erstmals zu Falke.

“ Du hast mich weggezogen, als ich zu meiner Schwester laufen wollte, als sie mit der Armbrusterschossen wurde. Dann hast du mich zu jenem Waisenhaus gebracht und dort verlassen. Hast gesagt, du wirst mich abholen, bist aber nie zurückgekommen. Egal. Gehe in Frieden weg von hier. Du hast ja letztendlich mein Leben damals gerettet.“

Im nächsten Moment war er nicht mehr da. Sie wand sich zu Orin.

“ Ihr habt mich beherrscht und für Eure Zwecke benutzt. Aber wo wäre ich, wenn ihr mich nicht in Eurem Schutz genommen hättet? Und obwohl ich Leute wie Euch jetzt jage und vernichte, habt Ihr Euch von mir nicht gewendet. Ich kann es Euch nicht mehr übel nehmen. Was geschehen ist, ist geschehen.“

Lyra und Kadegar sprach sie zusammen an.

“ Ihr habt mir gesagt, ich würde in Engonien eine Familie finden, aber alles, was ich fand, war Angst und Misstrauen. Ihr wart die einzigen, die mir halbwegs trauten und sogar ihr beide habt andere lieber bevorzugt, wenn es ernst wurde. Ihr habt mir das Leben gerettet, das stimmt. Aber als es dazu kam, sich noch einmal für mich zu setzen, habt ihr die Seite von Klara gewählt. Ihr habt mich weggetrieben, mitten im Winter, als ich für Atos und seine Untote, die Inquisition und die Lichttaler eineeinfache Beute wäre. Da ich euch unbequem geworden war, habt ihr mich sterben gelassen.“ von ihren Augen liefen schon Tränen. “ Aber erst nachdem ich weg war, habe ich für mich selbst festgestellt, dass ich nicht wegen euch Dämonenjägerin geworden bin. Ihr habt mir nur den Weg gezeigt und mir geholfen, die ersten Schritte zu machen. Und ich weiß jetzt, dass dieser Krieg nicht zu Ende ist. Ich bin nicht fertig mit diesen Wesen. Ich danke Euch, dass ihr mich von Beute zu Jägerin gemacht habt.“

Die beiden waren dann auch weg. Nur Arkatosh blieb.

“ Du hast nur entsprechend deinem Stand gehalten, Arkatosh. Ich sollte dich nicht als mein Ehemann sehen, sondern als Meistermagier. Ich habe mich kindisch verhalten, ich weiß. Und nicht nur ich soll dir etwas vergeben, sondern du mir auch. Lass es gut sein. Wir sehen uns irgendwann mal.“

Sie stand jetzt alleine gegen die beiden Magier. Der dunkle zeichnete irgendwelche Runen in die Luft, um den hellen anzugreifen, und sie erkannte die Runen auf einmal. Es waren alte magische Runen, die sie irgendwann in ihrer Kindheit gelernt hatte zu lesen. Auf einmal wusste sie was sie machen sollte.

Du musst eine Klinge erschaffen, hatte ihr Großvater einmal gesagt. Ihr elfisches Schwert hatten die Kultisten im Kampf bei der Mühle zerbrochen und sie hatte nun eine neue Klinge – kein Zahnstocher, sondern ein richtiges Schwert, das jetzt in ihrer Hand erschien. Eine Waffe, auf der kein Blut blieb, als sie tötete. Sie hatte der Waffe noch keinen Namen gegeben, aber auf einmal wusste sie, wie sie sie nennen würde. Sie flüsterte ein Wort und die Runen brannten mit blauem Licht, als sie auf der Klinge erschienen und das Wort Unschuld schrieben.

Ihr Stab war nach der Prüfung zerbrochen und sie hatte diesen von einem verstorbenen Kampfmagier bekommen. Nun hielt sie diesen Stab in der Hand, statt ihren alten.

Sie schloss die Augen und ließ den Energiewal fallen. Sie stand vor den beiden kämpfenden Magiern alleine – mit ihrem Schwert mit den Runen, den neulich reparierten Stab, in ihrem Meistergewand, mit ihrem verbrannten Gesicht und mit eiskalten Flammen in ihren Augen – gnadlos und bereit zu zerstören.

Sie öffnete ihre Augen und sah sich um. Sie konnte die erschrockenen Magier um sich herum sehen. Der Lehrling half ihr, vom Boden aufzustehen. Jemand fragte sie etwas, sie hrte aber nicht zu. Ihr Blick war zum Rektor Nevhocker gerichtet, der gerade außer Atem am Rand des Ritualkreises kniete, blass als hätte das ganze Blut seinen Körper verlassen. Er hatte die Tradition gebrochen, indem er das Ritual unterbrochen hatte. Drakonia hatte nie über einen anderen Fall gehört, als das gemacht wurde.

Magistra Leyenbach tauchte vor ihr auf und Drakonia fing sofort an zu fragen:

“ Was war das zum Teufel? Der dunkle Magier hat sich verdammt echt angefühlt… Was wolltet ihr bezwecken?“

“Weil er echt war… Wir wissen nicht, wie er den Weg zu der Illusion gefunden hat, aber er hat unseren Schutz gebrochen.“

Keiner von den Magiern im Raum schien, wirklich zu wissen was passiert war, aber alle waren in Panik geraten.

“Es ist jetzt genug!“ rief Helsir. Er und der Lehrling waren die einzigen, die am Ritual nicht teilgenommen hatten und im Moment klar denken konnten. “Egal wie, das hat er geschafft. Erstmals beruhigen sich alle und lassen mich um Weeltrin kümmern, während ihr diesen verdammten Kreis kehrt.“

Der Elf eilte dann zum Akademieleiter. Drakonia sah sich irritiert um. Jemand wollte sie irgendwohin leiten, sie befreite sich aber etwa grob. Sie konnte die Energie von der dunklen Gestalt nicht mehr spüren und seine magische Präsenz hatte sich nicht bekannt angefühlt, aber sie hatte das Gefühl, dass dies nicht ihre letzte Begegnung mit der Gestalt war.

Drakonia Noximera:
Das Haus von Arkatosh Melwasul,
Land der Bergensteinfalken, 267 n.J.
Arkatosh war am Anfang kalt zu ihr, genauso kalt wie sie zu allen anderen. Sie hatte ihn im Dämmerlandtal gefunden, nachdem sie die Nachricht erhalten hatte, dass das Kopfgeld eine Lüge war, und tagelang von Rabennest nach Nordwesten geritten hatte. Auf dem Weg hatte sie sogar zwei kleinere Aufträge erledigt, obwohl sie sich immer noch nicht ganz wohl fühlte.  Sie spürte aber, dass die Kräfte, die sie im „Unfall“ während der Prüfung verloren hatte, langsam zurückkamen.

Ihren Mann konnte sie auch gut verstehen. Sie hatte großes Disrespekt gezeigt, hatte ihn angeschrien, beleidigt, aus ihrem Weg geschoben, und war dann mitten in der Nacht weggelaufen, ohne eine Nachricht für ihn zu hinterlassen. Inzwischen war es ein bisschen besser geworden, aber immer noch konnte sie merken, dass er etwa sauer auf sie war.

Sie zog den Bettbezug über ihre Schulter und schloss ihre Augen zu. Arkatosh saß immer noch an seinem Schreibtisch und war in seinen Forschungen vertieft. Eine Kugel aus grünen Flammen hängte in der Luft über die Seiten, die er gerade lies, und warf schwaches, mattiertes Licht ins Zimmer. Drakonia seufzte. Manchmal wunderte sie sich, warum sie ausgerechnet einen Hermetiker heiraten sollte. Als intuitive Kampfmagierin war sie in den Magierkreisen oft als inkompetent bezeichnet und alle sahen sie wie ein unwissendes Kind an, als wäre sie…

Als wäre sie keine Magierin, sondern einfach eine Soldatin, die zufällig auch zaubern konnte. Und das war nicht fair. Sie hatte dieselbe Theorie wie die anderen gelernt. Sie verstand alles, was sie ihr nicht zutrauten, dass sie verstehen könnte. Sie baute auch komplexe Strukturen auf, wenn sie zauberte. Die Unterschiede waren bloß, dass sie erstmals wusste, wo die Energie hin musste, und kontrollierte sie nicht durch mathematische Zusammenhänge, sondern durch Emotionen und Elementarkräfte und Runen, und zweitens, sie setzte Magie hauptsächlich für Zerstörung ein. Ihre Kräfte waren nicht klein, nur war ihre Arbeitsweise anders und das konnten – oder wollten – Hermetiker nicht akzeptieren. Selbst Arkatosh sah sie als inkompetent, auch wenn er ihr immer erzählte, das würde nicht stimmen. Sie wusste es gut genug. In den Augen von allen Magieforscher und Wissenschaftler sah sie ein Mitleid, das sie hasste, und sie konnte es auch in den Augen von Arkatosh nicht übersehen. Sie schimpfte in ihren Gedanken.

“Ich habe die verdammte Prüfung geschafft!“ , dachte sie sich. “Was für Beweise braucht ihr noch?!

Langsam vermischten sich die Bilder in ihrem Kopf und wurden zu einem Nebel, in dem sie sank, als sie einschlief.



Als die beiden Elfen die Stadt erreichten, war es schon dunkel draußen, aber die Stadt war nicht weniger lebendig. Irgendwelches Fest fand in diesen Tagen statt und die Städte und die Dörfer in der ganzen Gegend waren die ganze Zeit hell und laut wie brummende Bienenstöcke. Mit ihren Stäben konnten Arkatosh und Drakonia ihren Weg durch die Menschenmasse machen, als sie in die Richtung einer Taverne gingen. Sie wäre auch überfüllt und sie hofften nicht, freie Betten für die Nacht zu finden, aber Hauptsache, sie könnten etwas trinken, bevor sie weiter gingen.

Die Leute rum herum hatten Laternen, Kerzen und Fakel, tanzten, sangen, schrien froh und verhielten sich, als gäbe es auf dieser Welt keine einzige Gefahr. Drakonia hatte in Vardara nie so ein Fest erlebt – Mondelfen hielten nicht viel davon – und sie konnte solche Feier nicht ganz verstehen, aber sie hatte inzwischen auch begriffen, dass Leute ihre Feste brauchten, und behielt ihre Meinung für sich. Aber ein schlechtes Gefühl hatte sie. Vielleicht nicht schlecht, aber komisch auf jeden Fall.

Die Steinwege der Stadt waren eng und überfüllt. Kaum waren sie auf der Hauptstraße gekommen, als sie feststellte, dass es hier auch genauso kuschlig war. Genau deswegen wusste sie eine Sekunde früher als alle um sich, dass etwas passieren würde, als die Menschenmasse vor den beiden plötzlich zu beiden Seiten ging. Und dann fühlte sie genau dieselbe magische Präsenz, wie auf der gestellten Situation in Rabennest – und dann war er da. Der komische Magier in dunklen Klamotten und mit einer Kapuze. Dieses Mal konnte sie aber etwas mehr an ihn ausmachen – sie konnte merken, dass er keine Magierrobe trug, sondern einen zerrissenen, verbrannten Umhang und eine sehr alte Kampfausrüstung. Auf dem langen Wappenrock sah man einen Widderschädel und unter der Kapuze langen, dunkelgrauen Haare. Die Waffe, die er trug, war auch kein Stab, sondern ein Speer. Die Leute auf der Straße tan so, als würden sie nichts sehen und machten mit ihrem Fest weiter.

Der Mann sah sie und ging in ihrer Richtung, bereit für einen Kampf, aber bevor sie reagieren konnte, stand Arkatosh schon mal in seinem Weg und der Speer traf seinen Stab.

”Lauf!”, rief er zu ihr, mit einer Stimme, die klar machte, dass er keinen Widerstand dulden würde.

Sie weigerte sich aber, und blieb stehen. Die beiden kämpften eine Weile, bis sie sah, wie Arkatosh ein Portal aufmachte und seinen Gegner da rein hinter sich zog. Eine Sekunde später waren die beiden weg. Drakonia schrie frustriert und lief zurück. Ein Gefühl zeigte ihr den Weg.

Sie lief durch die Menschenmasse, den engen Straßen entlang, bis sie in den Hof einer Kneipe reinkam. Da stand sie plötzlich auf Augenhöhe gegen einer sehr jungen Frau. Sie war fast ein Kind, mit einem etwa erschrockenen Gesicht, blonde Haare im Zopf, blaue Augen und trug einen Gambeson und Schulterplatte, aber kein Wappen. Musste Söldnerin sein. Oder Knappin.

Drakonia knurrte genervt und das Mädchen versuchte ihr aus dem Weg zu gehen, da sah die Elfe aber, wie Panik auf das Gesicht des Kindes kam. Ein Krieger hinter ihr, den Drakonia erst jetzt sah, hatte seine Hand an ihre Schulter getan. Und dann merkte die Elfe dass ein paar mehr Krieger hinter dem Mädchen standen. Und alle trugen den komischen Wappen mit dem Widderschädel.

Sie erwachte mit einem stummen Schrei und sah sich um. Im Zimmer war es dunkel. Arkatosh lag neben ihr und schlief tief und ruhig. Drakonia atmete ein paar Mal tief durch, dann legte sich zurück hin und kuschelte sich an ihren Ehemann. Egal, dass er wütend auf sie war – sie freute sich, dass er bei ihr war. Und schon wieder hatte sie das Gefühl, dass dies nicht ihre letzte Begegnung mit dem komischen Magier oder Krieger, oder was er auch immer sein mochte, war.

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