Bernadette wollte einfach in den Boden sinken. Die Angst griff ihren ganzen Körper fest. Die goldfarbigen Linien begannen schon zu leuchten und leicht zu brennen, als hätten sie die Präsenz einer Göttheit erkannt, die so ähnlich zu Cronn war, dass sie die Marken Cronns aktivieren konnte.
Sie dachte an Jarvick, der damals, als er erfahren hatte, was eigentlich passiert war, sie zum ersten Mal seit sie seine Novizin war, fest geschlagen und in einer Zelle gesperrt hatte; und an Illona Weidenbruch, die Großinquisitorin, die über ihren Urteil entscheiden sollte. Sie wusste nicht mal, was die Kirche Cronns bezüglich ihr entschieden hätte, konnte auch gar nicht wissen, was Damian tun würde, wenn er die Wahrheit erfahren würde. Aber er hatte ihr die Frage so gestellt, dass sie nicht mehr lügen oder etwas verschweigen konnte. Nicht, wenn die Marken Cronns aktiviert waren und die kleinste Lüge riesige Konsequenzen für sie haben könnte.
Sie schließ ihre Augen und fing mit zitternder Stimme an zu reden. Solange die Linien aktiv waren,
war sie in der Lage, ordentlich zu sprechen - Cronn oder Sevestra, oder Alamar, oder welcher Gott der Wahrheit gerade zuhörte, gab ihr die Chance, ihren Fehler zu bekennen.
"Mein Name ist Bernadette Lena Marie Eisinger, Tochter von Augustus Eisinger, Hauptmann der Stadtwache von Hadersburg. Mein Vater wurde in einem Putschversuch beschuldigt, weil die Mittel der Inuisition Cronns in Frage gestellt hat, und wurde exekutiert. Ich wurde von meiner Mutter zu einem Kloster von Cronn geschickt, damit die Inquisition sie und meine Brüder in Ruhe lässt. Einige Jahren danach hat mich ein Inquisitor namens Jarvick vom Kloster abgeholt und zu seiner Novizin gemacht. Allerdings kannte ich damals nict die Umständen, unter denen mein Vater verurteilt wurde und meine Mutter gezwungen wurde, mich der Inquisition zu schenken. Ich habe erst später, während ich mich mit Lernen beschäftigt habe, die Dokumenten dafür gefunden... Ich konnte erfahren, die Inquisition hat mich noch vor dem Tod meines Vaters für Novizin auserwählt und hat versucht, mein Vater zu zwingen, mich zum Orden zu schicken, aber er hat sich geweigert,
deswegen haben sie ihn auf dieser Weise bestraft. Die Großinquisitorin Weidenbruch war mit ihrer Gnadlosigkeit bekannt und ich habe mich damals entschieden, ich würde mich eines Tages an sie und den Rest rächen...
Etwa zwei Jahre später wurde ich zusammen mit meinem Priestervater zu den Grenzgebieten des Imperiums geschickt, um irgendwelchen Kult zu verfolgen. Wir haben einen Magier verhaftet, der eindeutig einen Inquisitor getötet hatte. Während wir auf weitere Befehle gewartet haben, bin ich einen Nachmittag zu der Zelle des Magiers gegangen und er hat mich gebetten, mir die Wahrheit zu erzählen. Vor Bruder Jarvick hatte er zu große Angst. Er hat mir dann erzählt, der getötete Inquisitor hätte seine Schülerin getötet, aber erst nachdem er sie gefesselt, verprügelt und möglicherweise auch vergewaltigt hat. Der Magier hätte sich bei der Stadtwache beschwert, dann bei der Kirche von Sevestra, aber ihm wurde nicht geholfen. Dann hat er den Inquisitor selbst verfolgt, in der Nähe von einem Dorf erwischt und umgebracht. Seine Spuren hat er in seiner Frustration nicht verdeckt und wurde dann von uns gefunden und verhaftet.
Ich wusste, dass er die Wahrheit spricht. Ich kann als Novizin Cronns Wahrheit von Lüge unterscheiden. Und ich wusste genau wie die Inquisition handelt und wozu sie fähig ist - letztendlich hatten sie auch meinen Vater umgebracht. Und in diesem Moment hat etwas in mir einfach "Genug" gesagt und das war der Moment,
als ich mich entschieden habe, dass ich die Befehle der Inquisition brechen werde. Ich habe bis nach Mitternacht gewartet und habe den Magier freigelassen.
Als Jarvick am nächsten Morgen erfahren hat, dass der Magier weg war, hat er mich gefragt, ob ich etwas wusste. Ich habe ihm geantwortet, dass ich keine Ahnung hatte. Dann haben sich bei dieser Lüge die Marken Cronns aktiviert und ich bin in brenenden Schmerzen zum Biden gefallen und Jarvick hatte keinen Zweifel mehr,
dass ich lüge. Er hat mich in der Zelle des Magiers gesperrt und einen Brief an der Großinquisitorin geschrieben. Am nächsten Tag hat er mich zusammen mit ein paar Soldaten, die sich kümmern sollten, dass ich nicht wegrenne, zurück zu Hadersburg geschickt. Den Brief hat er mir gegeben - ich sollte ihn persönlich an Illona Weidenbruch überreichen und sie durfte entscheiden, was mit mir passieren würde.
Auf dem Weg bin ich den Soldaten entkommen. ich bin doch nach Hadersburg geritten - meine Brüder wollte ich finden und ihnen die Wahrheit über unseren Vater erzählen. Als ich zur Hauptstadt zurückgekehrt habe, herrschte dort aber Bürgerkrieg. Ein Senator hatte versucht, die Großinquisitorin fern von einer Senattreffen halten, damit die Inquisition die Einführung von irgendwelchem Gesetz nicht stört, sie ist aber mit mehreren gerüsteten und bewaffneten Ordensbrüder und -Schwester in den Senat gekommen und es ist zu einer Schlacht gekommen, nach der die Inquisition sich von der Staatsregierung getrennt hat und versucht hat, den Imperator - der eh seinen Einfluss der Kirche Cronns verdankte - zu töten. Die Kultisten haben die Situation ausgenutzt und haben auch angegriffen.
Die Stadt brannte, als ich sie erreicht habe. Dann habe ich erfahren, dass der Tempel Cronns angegriffen wurde und bin dorthin gegangen. Die Inquisition mochte nicht mehr meine Familie sein, aber Cronn war immer noch mein Gott und sein Tempel war immer noch mein Heim. Dann ist es zu der Sache mit den Hexenmeistern gekommen, über die ich schon erzählt habe, und ich bin versteiner worden. Wir hatten keine andere Wahl,
als mit Magiern zusammen zu arbeiten.
Ich... hatte tatsächlich die Wahl, Bruder Jarvick nicht zu belügen. Ich weiß, dass mich Cronn wegen der Lüge gestrafft hat, und nicht weil ich einen Unschuldigen entlassen habe... Aber ich bereue es nicht, gelügt zu haben.
Ich habe ihm damit vielleicht wenige Minuten Zeit gewonnen, aber wenn er sie genutzt hat, um der Inquisition zu entkommen, hat es sich gelohnt.
Das ist alles. Cronn sei mir Zeuge, dass ich nichts anderes als die Wahrheit gesprochen habe. Beurteilt mir nach euren Gesetzen und nach dem Willen der Götter."
Als sie ihre Augen öffnete, konnte man in ihnen etwas Reue sehen. Reue, dass sie die Wahrheit verborgen hatte, aber nicht für die Tat, die sie zu verschweigen versucht hatte.