Einladung von Lorainne nach Norngard (Frühjar 267 n.J.)

[Schimmi]

Walter war die ganze Zeit schweigend neben den beiden her gelaufen. Schweigsam wie selten. Die Ereignisse in Sangenwalde schienen ihn zu beschäftigen, doch dafür war hier und jetzt keine Zeit. Als das Gespräch auf Mika kam, veränderte sich sein Blick. Er drehte sich um und schaute kurz aus dem Fenster.

[Tannjew]

Diese Frage war ihm unangenehm - weil er die Antwort tatsächlich nicht wusste. Er versuchte daher die Frage mit einem Scherz zu kontern und zum ursprünglichen Thema zurück zu kehren.
"Natürlich vermisse ich den Krieg. Sieh mich an: Das ruhige Leben hier hat mich fett gemacht!"
Es folgte ein gekünsteltes Lachen.

"Wie auch immer, was für seltsamen Dinge sind denn während der Feierlichkeiten passiert? Gorix müsste doch ein ziemlich wohlhabender und einflussreicher Mann geworden sein, offenkundig mit besten Beziehungen zur Baronin von Goldbach, sonst hätte die Hochzeit wohl doch vielmehr in Fanada stattgefunden. Und da der Gorix, den ich kenne, zu Ausschweifungen neigt, wird die Hochzeit sicherlich mit Protz und Prunk gefeiert worden sein. Hat sich jemand daneben benommen?"

[Lorainne]

"nun, die Baronin war nicht anwesend. Sie war nicht eingeladen."
Sie ließ diese Nachricht kurz wirken, seltsamerweise schien er überrascht.
"Sie heirateten Nähe Brega, in einem Wald. Dieser war.. nun ja, weder Nedra, noch Naduria schieben dort Macht zu haben. Es war etwas dunkleres, korrumpiertes. Das Brautpaar, sowie Askars Hochpalladine wären fast gestorben."
Ein Schatten fiel auf ihr Gesicht.
"Aber sie wurden gerettet. Den Göttern sei Dank. Und bald werden Damian und Leonie ebenfalls den Bund der Ehe eingehen. Ein Hohepriester Alamar und eine Laviniapriesterin muten kaum seltsamer an, wie ein Magier und eine Nedrapriesterin."
Lorainne lachte, aber es erreichte ihre Augen nicht.
Diese ganze Zusammenkunft war seltsam. Es würde Zeit, dass man Tannjew aus seiner Festung hervorlockte.

[Tannjew]

Die Anspielung auf Damians und Leonies Hochzeit überhörte er. Er war eingeladen und er freute sich auf die Feierlichkeit.

"Das ergibt doch keinen Sinn. Weshalb sollten die beiden still und heimlich in irgendeinem Wald in Tangara heiraten? Dort müssen sich ja schreckliche Szenen abgespielt haben, wenn die Göttinnen keine Macht hatten und selbst Sasha sich in Lebensgefahr befand!"

[Lorainne]

"Warum sollten sie groß heiraten?"konterte Lorainne.
"Noch ist sie ja nur eine Priesterin von vielen, und er ein Magier von vielen. Sicherlich hätten sie in Granada heiraten können, da Gorix ja der Steinmetzgilde angehört, aber für eine Nedrapriesterin ist der Wald gut gewählt. Und auch der Zeitpunkt. Sie müssen sich ja erst noch in ihre künftigen Rollen einfinden. Eine große Hochzeit wäre da nur eine Prüfung, der sie sich durch andere Adlige unterziehen müssten. So aber blieb es ein Liebesbund."

[Tannjew]

Tannjew war sich nicht sicher, ob er das richtig verstanden hatte. Hier musste ein Missverständnis vorliegen.

"Ich glaube, du vertust dich da. Mit dem Entschluss zu heiraten hat Svenja den Bund mit ihrer Göttin aufgegeben. Eine verheiratete Nedra Priesterin, das wäre doch ein Bruch mit den Prinzipien der eigenen Gottheit... das gleiche wie ein Gesetze brechender Flamen oder eine egoistische, ihre Schutzbefohlenen ausbeutende Amabilis."

Er schüttelte den Kopf, stapfte zum Fenster und blickte hinaus auf die weite Moorlandschaft.

"Kein Mensch bei klarem Verstand würde so leichtfertig den Zorn der Götter auf sich ziehen. Gerade Nedra ist dafür bekannt, dass sie leicht zu erzürnen und sehr nachtragend ist. Seit dem Brenwyk von Norngard vor über 300 Jahren Nedra vom Sockel stieß und Tior zum neuen Hausgott erhob ist die männliche Linie der Norngarder verflucht und das  Land von hier bis Elbbrück versackt langsam im Morast."

[Lorainne]

Erstaunt folgte Lorainne Tannjew Blick, liess ihn zwischen ihm und Sangenwalde hin und her gleiten, doch dieser schien Tannjew zuzustimmen.
"Nun, dass war mir nicht bekannt. Non, ich hielt es nur für eine überholte Auslegung Nedras Willens. Doch soweit ich weiss, hat Svenja das Amt einer Priesterin nicht aufgegeben"

Ihr viel das Gespräch mit Damian ein, dass es nicht nur darum gibt, IB ein Gesetz gebrochen wurde, sondern, mit welcher Absicht dies geschah.
Ob die Götter das so sahen, wie ihre weltlichen Diener?

Ihre Angeblichen weltlichen Diener.

[Tannjew]

Frustriert atmete Tannjew tief ein. Er hatte sich unlängst fest vorgenommen nicht mehr die Probleme anderer zu den seinen zu machen. Davon hatte er nachweislich genug. Seufzend wandte er sich wieder zu seinem Gast um.

"Ich denke, das hängt sicherlich vom jeweiligen Gott ab. Für Svenja hoffe ich, dass du Unrecht hast. Und das erfahren wir spätestens in ein paar Wochen, wenn wir ihr und Gorix zu Ehren nach Voranenburg reisen."

[Lorainne]

"Es wird das beste sein, wenn Du dir selbst ein Bild machst. Aber, sag, washälst du von des Vorarnburgers Wahl, ausgerechnet Gorix zum Baron zu Ernennen? "

[Tannjew]

"Ich verstehe wenig von der caldrischen Politik, und den Grafen von Voranenburg habe ich bisher noch nicht kennengelernt."

Womit er zu den wenigen einflussreichen caldrischen Adligen gehört, die ich nicht übelst vor den Kopf gestoßen habe.

"Ich frage mich viel eher, weshalb Gorix sich zum Baron ernennen lassen will?"

[Schimmi]

über 20 Jahre war es her, seit er mit Tannjews Vater genau in diesen Räumen ähnliche Gespräche führte... Die Diskussionen waren die gleichen, lediglich die Namen änderten sich.

"Weshalb er Baron wird? Macht... Er ist bereits ein mächtiger Magier und ein einflußreicher Mann in Tangara. Und wie fast jeden Mann und viele Frauen dürstet es ihn sicher nach mehr Macht. Der Baronstitel verspricht Macht, Einfluss und Reichtum. Wer würde sich nicht mehr davon wünschen. Vielleicht einer unter Hunderten."

 Walter sammelte seine Gedanken. "Was die Priesterin betrifft, so weiß ich nicht, welches das kleinere Übel ist. Die Rache der Göttin oder etwas anderes dunkleres - wie Ihr es nanntet. Ich denke, wir werden nicht lange auf Antworten warten müssen."

[Tannjew]

Tannjew nickte zustimmend.

[Lorainne]

Lorainne schwieg und überlegte, wieviel Tannjew wohl wusste.
Doch sie entschied sich für eine kurze Antwort, erstmal.
"Er ist rechtmäßiger Erbe."

[Tannjew]

Diese Antwort überraschte ihn ein wenig. Tannjew wusste genau, dass Gorix nicht aus Engonien stammte. Andererseits gab es diesen Zufall mit dem Namen Feuerklinge und eine Verwandtschaft konnte auch auf einen Zweig zurückzuführen sein, der sich vor vielen Generationen entwickelt hatte. Unwillkürlich musste er an Baron Hiltwin von Salmar denken.

"Aha." Er räusperte sich nochmal.
"Ich kenne Gorix eher als Vagabunden, der die Möglichkeiten einer großen Stadt wie Fanada vermissen würde. Weshalb sollte er sich auf Lebenszeit an so ein abgelegenes Lehen binden? Er muss das Erbe ja nicht antreten."

[Lorainne]

"Nein, aber er wird es offenbar tun."
Womit Damians Argumentation widerlegt wäre.
Wenn er nie die Absicht hatte, aus dem Tete a tete einen Vorteil zu ziehen, warum trat er das "Erbe" dann an?

Sie musste mit jemandem reden, ihre Welt war aufgrund der letzten Ereignisse erschüttert. Wem sollte sie trauen? Tannjew? Ausgerechnet ihm?