Julienne hatte den Platz an der Tête, ritt gelegentlich etwas voraus und ließ sich zurückfallen, wenn sie meinte etwas gesehen zu haben. Hexe war nicht gut auf das Wetter zu sprechen und schlug mit dem Kopf und tänzelte unnötig herum. Ihre Reiterin gab acht, nicht zu dicht an die anderen Pferde zu kommen, damit Hexe sie in ihrer miesen Laune nicht beißen oder gar treten konnte.
Auf dem großen Platz in Caer Conway, wo die Tiere untergebracht worden waren, hatte Julienne sich angewöhnt, Hexe als Warnung für alle anderen eine Schleife in den Schweif zu flechten und diesem Brauch folgte sie auch jetzt noch.
Allem Rumgehampel zum Trotz genoss die Gardistin die Zeit mit der Stute. Hatte sie in Goldbach stets Mühe gehabt, Hexe an andere Reiter zu gewöhnen, war es hier nun ganz selbstverständlich, dass sie das Tier ritt. Und der lange Reiseweg gab ihr und dem Pferd jede Menge Möglichkeiten, Zeit miteinander zu verbringen.
Während ihrer Zeit auf dem Fest der Grenzen hatten sich etliche Leute angeboten, ihr Können auf Hexe zu demonstrieren. Doch Julienne hatte immer verneint. Vor allem dann, wenn sie martialische Sporen oder Peitschen an den potentiellen Reitern gesehen hatte. Ein junger Recke niederen Adels war besonders hartnäckig gewesen und hatte mit seinen Fähigkeiten, jedes Pferd brechen zu können, geprahlt.
Schließlich war der Gardistin der Kragen geplatzt und sie hatte ihm ein Wettreiten vorgeschlagen. Kein Rennen - oh nein, diese Lektion hatte sie gelernt! Sie suchten den hochgelobten Rittmeister eines kleineren Hofes auf und baten ihn, den Posten des Jurors zu übernehmen. Der Jüngling höhnte, es könne ihm niemand etwas vormachen, und damit war das Interesse des besagten Rittmeisters geweckt.
Man traf sich also auf der Wiese, an der an langen Leinen all die Tiere untergebracht waren, die mit den Gruppen angereist waren.
Der junge Kerl bestieg seinen Hengst, ein wunderschönes Tier, das jedoch, bei näherem Hinsehen, an Maul, Nasenrücken, Kinn und Flanken unschöne Narben aufwies. Das Pferd kam aus einer der besten Zuchten, das war gleich zu erkennen.
Der Rittmeister besah sich zunächst mit kritischer Mine die Pferde und gab dann Kommandos vor, nach denen sie reiten sollten.
Hexe spürte Juliennes Nervosität und war unruhig, doch mit der Zeit wurde alles zur Routine. Schritt, Trab, Galopp, Wendungen, aus dem Stehen in verschiedenen Tempi anreiten...
Während der Hengst des Adligen dies unter Zwang vollführte und von ihm mit Maulgereisse, Sporentritten und Geschrei traktiert wurde, blieben Hexe und ihre Reiterin ganz ruhig. Nur Juliennes freudige Ausrufe, wenn Hexe mal wieder besonders folgsam war, kamen aus ihrer Richtung.
Zum Schluss lobte der Rittmeister die Gardistin und ihre Stute und er lachte, als Hexe versuchte, ihn zu beißen. Der gute Mann gab Julienne noch ein paar freundliche Ratschläge, die sie dankend annahm.
Den jungen Adligen hingegen bedachte der Rittmeister mit strengen Belehrungen, die dieser wutschnaubend zurückwarf.
Es war der Freitag gewesen. Julienne zog äußerst gutgelaunt vom Platz, nur um am nächsten Tag festzustellen, dass ihr, als sie gerade die Bandagen des Zugtieres wechselte, drei Recken entgegenkamen. Sie beschimpften sie, doch als sie sich aufrichtete, gewahrten die Burschen das Wappen und ihre Farben. "Der hat uns nicht gesagt, dass sie Goldbacherin ist!", rief einer und ein anderer schlug vor, dass sie lieber wieder gehen sollten, was die anderen beiden gerne befolgten...
So war Julienne am Samstag äußerst gut gelaunt zum Bankett gegangen und der Rest des Abends war unheimlich schön geworden.
Grinsend tätschelte die Gardistin Hexe den Hals. Sie war irre stolz auf das Lob des Rittmeisters und nahm sich fest vor, sich seine Ratschläge zu Herzen zu nehmen.