Der Regen hielt schon seit Tagen an. Nur von kurzen Pausen unterbrochen plätscherte es
unaufhörlich vor sich hin, ein stetiges Rauschen im Hintergrund.
Ab und an ein lautes Platschen, wenn ein belaubter Ast sich seiner nassen Last entledigte.
Es war friedlich.
Das Wetter war untypisch für diese Zeit des Jahres, allerdings nicht untypisch genug, dass es
besorgniserregend gewesen wäre.
Die Natur freute sich.
Ihr Grün war viel kräftiger als im letzten Sommer, die Pflanzen grüßten die sich seltener zeigende
Sonne mit immer neuen Trieben und man hätte fast meinen können, man konnte ihnen beim
Wachsen zuschauen.
Dem durch die nasse Landschaft ziehenden Schamanen machte das Wetter nichts aus. Regen
gehörte dazu....und er musste zugeben, dass das Reise so doch deutlich entspannter war als wenn
die Sonne erbarmungslos auf ihn herab brennen würde.
Falk war nun schon ein paar Wochen unterwegs, immer in der Richtung der letzten Welle, die er
gespürt hatte. Öfters machte er Pausen und meditierte, um die Elemente zu befragen. Und meistens
antworteten sie... die Richtung war ziemlich eindeutig.
Dann eines sonnigen Tages...es gab eine der seltenen Regenpausen... überquerte er gerade eine
Hügelkuppe, deren Außläufer sich seicht in ein Tal ergossen...und stutzte.
Er sah etwas, dass er nicht erwartet hatte.
...auch wenn er sich aktuell nicht mehr so sicher war, was genau er eigentlich erwartet hatte.
Am Boden des seichten und nur spärlich mit Baumbestand bedeckten Tales war...Etwas.
Ein großes braunes Gebilde, bestimmt 5 Pferde hoch, knubbelig und mit Auswüchsen, die in alle
Richtungen ragten. Seine braune bis schwarze Färbung hob es deutlich vom saftigen Grün der
Umgebung ab.
Was bei allen Elementen war das bitteschön...
Ein paar Augenblicke blieb Falk wie angewurzelt auf der Hügelkuppe stehen und wartete ab, ob
etwas passierte. Doch das Gebilde blieb wie es war, ragte dunkel und irgendwie drohend in dem Tal
auf, als wäre es ein Fremdkörper, der dort nichts zu suchen hatte.
Der junge Wolfsschamane runzelte die Stirn, atmete dann einmal tief durch und nahm seinen
Hammer vom Rücken. Dann näherte er sich langsam dem Gebilde, beobachtete es aber dabei und
achtete auf jede Regung und jedes Geräusch.
Doch nichts geschah.
Als er etwa auf 15 Schritt an das Gebilde herangekommen war, konnte er auch mehr Details
erkennen. Das Gebilde bestand aus Erde, soviel war sicher. Es hatte ein bisschen die Form einer
Kartoffel, auf der andere Kartoffeln wuchsen...und die alle schon angefangen hatten zu keimen.
Als er noch ein paar Schritte näher ging, fiel ihm auf, dass das Gebilde schon etwas älter sein
musste, denn die Erde war sehr trocken und bröckelig und die Form war an einigen Stellen schon
eingebrochen.
Ein guter halber Jahreslauf....etwas mehr. Die Zeit würde passen.
Sehr auffallend war noch, dass die Erde keinerlei Bewuchs zeigte. Das hohe Gras erstreckte sich bis
an die Grenze des Gebildes, doch darauf war kein einziger Halm und auch kein noch so
hartnäckiges Unkraut zu sehen.
Nur Erde...Seltsam für die Zeit, die es nun schon hier war. Eigentlich hätte es völlig überwuchert
und grün sein müssen.
Nachdem Falk das Gebilde einmal umrundet hatte, nahm er sich die Zeit, einen ordentlichen
Ritualkreis in unmittelbarer Umgebung aufzubauen. Er wusste, hier würde er die Antworten
bekommen, die er suchte.
Nachdem er alles vorbereitet und mehrfach nach hier und nach da verschoben hatte, war er
zufrieden und begann mit der Reinigung des Platzes.
Und damit fingen die Probleme an.
Immer wieder riss ihn etwas aus der Konzentration, als würde ihm jemand Unsichtbares auf die
Schulter tippen oder als wäre irgendetwas darauf bedacht, ihn keinen Erfolg haben zu lassen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit gab er frustriert auf und starrte missmutig auf das schon wieder wie
durch Geisterhand erloschene Räucherkraut in der Schale.
So würde das nicht klappen....und so setzte er sich kurzerhand in dem Kreis auf den Boden, schloss
die Augen und vergrub beide Hände im lockeren Erdreich neben sich.
Wäre doch gelacht, wenn Terra einer etwas lauteren Frage nicht antworten würde, wenn es schon
leise und höflich nicht ging. Er hatte nicht diese Reise unternommen, nur um jetzt am Ziel zu
scheitern und sich von was auch immer hier geschehen war, von seinen Antworten abhalten zu
lassen.
Und immerhin war Sturheit etwas, was Terra im Normalfall belohnte.
Was dann geschah, war trotzdem unerwartet.
Schon als er die ersten tiefen Atemzüge genommen hatte, schon als er begonnen hatte, sich tief in
die Erde hineinzufühlen, durchlief es ihn wie ein Ruck.
Die Erde antwortete. Und zwar gewaltig!
Er fühlte sich mitgerissen in einem Strom, dessen Herr nicht er selbst war, herumgewirbelt und
eingesaugt, ausgespuckt und auf den Kopf gestellt. Die Erde war überall, brüllte ihm ins Ohr, grollte
in seinem Inneren, donnerte durch seinen Kopf.
Dann war alles so schnell vorbei wie es angefangen hatte.
Falk fand sich an derselben Stelle auf dem Rücken liegend wieder, beide Hände schmerzhaft um
zwei Klumpen Erde verkrampft.
Mühsam setzte er sich auf und lockerte seine Finger, die Erde rieselte auf sein Beinkleid und von da
auf den Boden, der um ihn herum aufgewühlt war.
Noch bevor er alle Gedanken geordnet hatte, war ihm klar, wo er sich befand. Hier an diesem Ort,
genau unter dem Gebilde, war ein magischer Knotenpunkt. Ein Punkt wo mehrere Leylinien sich
kreuzten.
Und an diesem Knotenpunkt war das Element der Erde ganz besonders präsent.
Doch der Knoten war nicht ganz in Ordnung. Seine Ränder waren irgendwie zerfetzt und porös,
sein inneres leicht verschoben, als hätte etwas oder jemand mit Gewalt versucht, seine Macht zu
nutzen.
Und hatte sie wahrscheinlich auch genutzt.
Falk blinzelte das Gebilde aus Erde immer noch etwas benommen an.
Und plötzlich fiel dem Schamanen ein, an was es ihn die ganze Zeit erinnert hatte.
Falk zog scharf die Luft zwischen die Zähne.
Das Gebilde sah aus wie ein wucherndes Geschwür. Wie eine krankhafte Veränderung.
Als hätte jemand dem Element Erde etwas Furchtbares angetan....
(Text von Sabrina B.)