Autor Thema: Sommersonnenwende - an der Grenze von Blanche und Bûcheron, Baronie Goldbach  (Gelesen 5021 mal)

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Offline Jelena

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Zwischen den Ortschaften Mandeville und Bourgebus existierte ein Streifen Niemandsland.
So wie die Rittergüter Blanche (zu dem Mandeville gehörte) und Bûcheron (dem Burgebus verpflichtet war) sich meistens nicht grün waren, so gab es zwischen den beiden Dörfern durchgehend Zank und Streit:
Wessen Schweine durften am Waldrand Eicheln fressen, welcher Arm des Flusses durfte wessen Felder bewässern, wessen Ziegen waren ausgebüchst und hatten wessen Wäsche gefressen... die Gründe waren genauso vielfältig wie die Menschen, die dort lebten.
Heute, am Tag vor der Sommersonnenwende, hatte sich alles was laufen konnte, und auch eine gute Anzahl von denen, die es nicht konnten, auf diesem Streifen Land zwischen den abgeernteten Weizen- und Roggenfeldern eingefunden.
"Wollt ihr es euch nicht noch einmal überlegen, Sire?"
Amabilus Ulfgar (Blanche) versuchte noch ein letztes Mal das Bevorstehende zu verhindern und wurde darin von Amabilus Eiric (Bûcheron) unterstützt.
An einer der Längsseiten war eine kleine Plattform errichtet worden, auf dem die Chevaliers Philip de Blanche und Arvid de Bûcheron samt ihren Familien Platz genommen hatten.
"Wenn Bûcheron erneut gedemütigt werden will, wer bin denn ich, um sie daran zu hindern?"
fragte Philip de Blanche mit ausdruckslosem Gesicht und starrem Blick nach vorne.
"Dieses Mal wird es Blanche sein, die gedemütigt werden."
antwortete Arvid de Bûcheron mit genauso starrem Blick.
Amabilus Ulfgar seufzte und wandte sich an seinen Glaubensbruder. Ihre Gemeinden waren alles brave Leute, die götterfürchtig waren und denen meistens gut beizukommen war. Aber jedes Jahr zur gleichen Zeit schlug das unweigerlich nordische Erbe durch und alle verloren vorübergehend den Verstand, anders war diese ganze Sache nicht zu erklären.
Er warf einen Blick auf den bereit stehenden Heiler und sandte ein Stoßgebet an Lavinia, dass dieser genug Vorräte dabei hatte.
"Nun denn, Bruder Eiric, die Ehre gebührt euch, so seltsam sie auch sein mag."
Amabilus Eiric nahm eine aus Lederresten genähte Kugel, die mit Sägespänen vollgestopft war und, um alles noch interessanter  (hüstel) zu machen, mit Schweineschmalz eingerieben worden war und warf sie mit einem herzhaften:
"Sieg den Mutigen!" auf das Feld.
"SCHIEBUNG!" brüllte Amabilus Ulfgar "Das war nicht gerade, das war zum Vorteil von Bûcheron!"
Niemand achtete auf die Rangelei der Laviniapriester, denn es kam zu einer Bewegung der beiden Gruppen, die wie riesige, laute, wütende Brandungswellen aufeinander zuwogten und mit einem irren Krach schließlich aufeinander trafen.
Der Heiler hob bestürzt die Augenbrauen und ging im Geiste den Inhalt seiner Tasche durch:
Bandagen, Nadel und Faden, Schienen, Kräuterstempel...
Ein Junge löste sich aus dem Schweinehaufen und machte sich mit dem Lederball vor den Füßen auf den Weg Richtung Wegstein von Mandeville, einen wütenden Mob von kreischenden Bourgebus-ern hinter sich.

Das war die Nase... dachte der Heiler lakonisch und machte sich mit einigen anderen auf den Weg hinter dem Mob her, dessen Schlachtfeld sich in den nahegelegenen Wald verlegt hatte.
"Ist es nicht gegen die Regeln ins Gesicht zu treten?" fragte er niemand bestimmten.
Entgegen allem Anschein gab es tatsächlich regeln: Keine Tritte ins Gemächt oder gegen den Kopf, kein Spucken, der Ball darf nicht mit den Händen berührt werden, Kinder, Frauen und Hunde durften nicht teilnehmen. Nicht, dass der Heiler jemals gesehen hätte das auch nur eine davon eingehalten worden wäre.
Nachdem er die Nase des Unglücksraben gerichtet und ihn zu seiner Mutter geschickt hatte, richtete er sich auf und sah sich etwas überrascht um: offenbar war der Ball im Wald verloren gegangen und alle hatten sich fieberhaft auf die Suche nach ihm begeben. Er kniff etwas verwundert die Augen zusammen als ihm die Müllerin von Mandeville unschuldig pfeifend entgegenkam und sein Blick wurde auf den sich massiv vorwölbenden Bauch unter ihrer Schürze gelenkt:
"Äh... ist alles in Ordnung mit euch, Müllerin?"
"Naturelement, Maître! Isch möschte nur nach Hause, die Aufregung ist etwas zu viel für das Kleine, n'est pas?"
Der Heiler kratzte sich etwas verwirrt am Kopf: zum einen war er sich ziemlich sicher, dass die Müllerin vor 10 Tagen bei seinem letzten Besuch nicht schwanger gewesen war und zum anderen war dies der Weg nach Bourgebas.
Der Heiler war natürlich neutral, was auch sonst.
Aber da der Herr von Bûcheron sein Freund seit Kindertagen war, war ihm durchaus daran gelegen, dass dieser auch gewann! Er stellte sich der Müllerin in den Weg und es dauerte nicht lange bis die beiden ringend auf dem Boden lagen. Der Ball flutschte weg und es dauerte nicht lange bis der Mob sich wieder darüber hergemacht hatte.
Der Heiler blickte auf, als ein Schatten über ihn fiel und sah einen Fremden auf ihn herabblicken:
"Ist das ein Ball?"
Er nickte und versuchte sich Schlamm aus seinem Wams zu klopfen, während die Müllerin versuchte würdevoll ihre Kleider zu richten.
"Oh, Lavinia sei Dank, ich dachte schon es wäre ein Kopf..."
"Schmuggeln? Ich bin reich genug um zu bestechen, ich muss nicht Schmuggeln!"