Autor Thema: Eine Kerze erlischt (Sommer 268 n.J.)  (Gelesen 5098 mal)

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Offline Akela

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Eine Kerze erlischt (Sommer 268 n.J.)
« am: 09. Jul 18, 15:54 »
Die Sonne stand tief über den Baumwipfeln des Waldes und warf lange Schatten über die Lichtung, die in rotgoldene Farben getaucht war.
Am Rand saß Sasha auf einem Fell und hielt den Blick bewegungslos auf die kleine flackernde Flamme einer schwarzen Kerze gerichtet, die vor ihr auf dem Boden stand.

Am Rand der Lichtung stand der Bronnaq-Priester Havald mit verschränkten Armen an einen Baum gelehnt und beobachtete die Wolfselfe.

Fast einen ganzen Mond hatte es gebraucht, bis Sasha in der Lage gewesen war, zu begreifen und Abschied zu nehmen, mittlerweile waren sie auf dem Weg zur Löwenburg, um mit Kassos über die neuesten Ereignisse zu reden.

Es war ein seltsames Gefühl. Sie hatte Temris schon mehrere Jahre nicht mehr gesehen, seit der junge Lehrling von Gorix auf eine eigene Reise aufgebrochen war, eine Reise, von der er niemals zurückkehren würde.
Damals war es ein Abschied gewesen, von dem alle gehofft hatten, dass er nicht endgültig sein würde.
Und doch war er es.

Immer wieder tauchten Bilder im Geist der Wolfselfe auf. Bilder von demjenigen, der den jungen Magier auf dem Gewissen und sein Herz in ein Glas eingelegt hatte. Doch Sasha kämpfte diese Bilder mühsam nieder, hier war momentan kein Platz für Zorn.
Das letzte Mal, als es die Erinnerungen an denjenigen geschafft hatten, sich einen dunklen Weg in ihre Gedanken zu bahnen, hatte sie fast Ninim angegriffen. In der Taverne zum Wegkreuz vor einer knappen Woche.
Zum Glück hatte Havald mittlerweile ein sehr feines Gespür dafür entwickelt, in welchem Zustand sich Sasha gerade befand und Schlimmeres verhindern können.

Statt dessen rief sie sich die Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit ins Gedächtnis, an die Streiche, die Temris und die anderen Schüler Jelena gespielt hatten, an den großen Wissendurst des Lehrlings und an seine unbestreitbare Affinität zum Feuer, die ihn, ebenso wie seinen Meister, oftmals plötzlich in die Luft hatte gehen lassen.
Und an den Tag, an dem sie Temris mit Askars Hilfe von seiner alten Gottheit losgesagt hatte.
An dem sie seinen Seelennamen erfahren hatte.

Als die Sonne ihre letzten Strahlen über die Lichtung schickte, holte Sasha tief Luft und pustete die Flamme der Kerze aus.

“Lauf frei und lauf weit Shaku. Wir werden dich nicht vergessen.”
Sasha Timberlore Schattenwolf
1. Paladin Askars