"Du hast völlig Recht. Brechen wir auf, der Hauptteil der Reise liegt noch vor uns."
Die beiden packten ihre wenigen Habseligkeiten wieder zusammen, und während Kydora mit fröhlicher Miene antrabte, hatte Rikhards Gesicht den üblichen mürrischen Ausdruck angenommen.
Dass er wieder auf seinem eigenen Pferd saß und Kydora auf ihrer Stute, fiel ihm leider viel zu spät auf.
Einige Tage später...
Die Straße, die ganz im Südwesten Engoniens über den Rothornpass führte, durch Fanada verlief, Uld nur kurz berührte und sich dann durch die flachen Hügel Tangaras in Richtung Osten schlängelte, war eigentlich recht belebt. Zumindest galt das für den tangarischen Teil der Straße. Je weiter Kydora und Rikhard nach Osten kamen, desto weniger Volk begegnete ihnen. War der Weg in Fanada noch gepflastert gewesen, wurde schon bald festgetretener Lehm daraus, und an manchen Stellen hatte Naduria begonnen, den Boden wieder in Besitz zu nehmen. Erst, als sie Taga näher kamen, wurde die Straße wieder erkennbar besser.
Die östlichste Stadt Tangaras lag am Fuße des Himmelsgebirge, und hinter der niedrigen Stadtmauer konnten die beiden Reisenden die Silhouetten der majestätischen Berge sehen. Irgendwo dort lag ein Ausläufer der Schattenwall, das wussten sie, und zumindest Rikhard fragte sich, wie es dort wohl aussah. Aber weder das Himmelsgebirge noch Taga waren ihr Ziel. In der Stadt erstanden sie frische Vorräte, dann bogen sie endgültig nach Süden ab. Rikhard hatte sich auf der Reise gemacht. Er meckerte weniger, und auch, wenn er weit davon entfernt war, ein geübter Reiter zu sein, hatte er sich mit seinem Pferd angefreundet. Sein Hintern tat nicht mehr wirklich weh, wenn er den ganzen Tag geritten war, und sogar an den harten Boden hatte er sich gewöhnt. Sein bleiches Gesicht hatte etwas Farbe bekommen, und ganz allgemein wirkte der Magier lebendiger.
Taga hatten sie nun hinter sich gelassen. Die beiden unterhielten sich über irgendetwas Unwichtiges, als sie über eine Hügelkuppe ritten - und dann zügelten sie beide ihre Pferde. Vor ihnen lagen die Wälder Silvanajas. Und was für Wälder das waren! Von Links nach Rechts, soweit das Auge reichte, riesige Bäume. Nicht nur Eichen, Buchen, Fichten, was man eben so kannte, sondern viel größere, verwunschen wirkende Riesen, moosig bewachsen, wie schlafende Giganten, aber dicht an dicht wie Krieger in einer Schlachtreihe. Knorrige, knotige Wurzeln waren selbst auf diese Entfernung erkennbar, rund wie drei Oberschenkel, und die Luft wirkte plötzlich dicker, dichter, feuchter und schwerer. Wie eine Mauer ragten die Bäume auf, wie ein Schutzwall, der das urtümliche Land schützte.
Rikhard überkam eine Gänsehaut. Die schwarze Farbe unter seiner Haut, das Symbol seines Stammes auf seinem Rücken, begann zu jucken, als spürte die Tätowierung, dass die Heimat nicht mehr fern war. Stocksteif saß der Magier im Sattel, sog den Anblick in sich auf, atmete die Luft des Waldes, schmeckte das wilde Silvanaja auf seiner Zunge.