"Ich bin mir sicher, dass Hermann auch diese Herausfordung meistern wird."
Nachdem alle gespeist hatten, begleitete Vanion die Gäste noch in ihre Unterkünfte. Wie so oft, wenn die beiden Ritter einander begegneten, schafften sie es nicht, sich kurz und knapp voneinander zu verabschieden. Sie saßen noch eine ganze Weile beieinander und berichteten von den Dingen der letzten Monate. Der Abend sollte schon deutlich fortgeschritten sein, als sich Vanion schweren Herzens von Iriann verabschiedete. Es würde noch viele Gelegenheiten zu Gesprächen geben - aber morgen wollten sie mit der Sonne aufstehen, und die kam schon früh an den Himmel dieser Tage.
Tatsächlich war die Nacht viel zu kurz. Ein kurzes, gemeinsames Frühstück musste reichen zur Vorbereitung auf den Ritt. Vanion entging nicht der gequälte Blick, den Hermann in Richtung der Pferde warf, die im Innenhof bereit gemacht worden waren. Er prüfte noch ein letztes Mal, ob für alles gesorgt war, oder ob er etwas vergessen hatte; aber alles schien an Ort und Stelle zu sein.
Die ersten Stunden des Ritts vergingen wie von selbst. Im schnellen Kanter floss die Landschaft unter den Hufen ihrer Pferde dahin, die Stadt Voranenburg mit der über ihr thronenden Feste verschwand schon bald im Morgennebel. Erst im Vormittag klärte sich dieser Nebel, die Sonne wurde stärker und schon bald schwitzten sie ob der Anstrengung und der Wärme. Die heißeste Mittagszeit verbrachten sie im Schatten mehrerer Eichen an einem breiten Bach, der dahinplätscherte und in der Sonne verführerisch glitzerte. Vanion unterdrückte seinen tangarischen Reflex, sich die Kleider vom Leib zu reißen und sich der Länge nach hinein zu legen. Doch nachdem die Pferde versorgt und getränkt waren, ließ er es sich nicht nehmen, das kalte, klare Wasser in sein Gesicht zu spritzen und sich zu erfrischen.
Nach einem kurzen Happen ging die Reise weiter. Die geschwungenen Hügel des caldrischen Südens schienen größer zu werden und die Straße, bisher gut ausgebaut und gepflastert, wirkte holpriger. Hier und da begegneten ihnen Gardisten und Soldaten, die auf ihren Posten lungerten. Woanders wurde rege gearbeitet, und als sie eine Brücke überquerten, hielt Vanion kurz an, um die Arbeiten zu prüfen, die hier verrichtet wurden.
Je näher sie der Grenze zu Hanekamp kamen, desto langsamer wurden sie. In der Ferne sahen sie violette Flecken: Die Blumenfelder, von denen Vanion gesprochen hatte. Soldaten verhinderten, dass ein unbedarfter Reisender ihnen zu nahe kommen würde. Es war ein Dilemma: Würde man sie verbrennen, wusste niemand, wohin es den Rauch treiben würde. Zum Abschlagen und Ausrupfen musste man ihnen sehr nahe kommen - eine Tätigkeit, die viele Frauen und Männer brauchte, denn niemand hielt es lange in der Nähe dieser Pflanzen aus.
Dann, zum späten Nachmittag hin, schien das Ziel endlich erreicht. Schon von weitem erblickten Sie das Banner des Wolfes, blau und schwarz - und weiß. Seit Vanion dieses Wappen zum ersten Mal erblickt hatte, erfüllte es ihn mit Unwohlsein. Zu sehr hatte ihn das Blauschwarz und der Wolf Konars geprägt, und obgleich er genau wusste, dass der Wolf aus Lichttal nicht hier war, um Schafe zu reißen, und nichts mit dem Lupus Umbra gemein hatte, war es ihm nie ganz gelungen, eine andere Reaktion zu zeigen.
Ein kleiner Trupp, der auf sie zu kam, verriet, dass man längst auf sie aufmerksam geworden war.