Im Turm

[Engonien NSC]

"Der Turm", so werden die Gemächer des Burgherren genannt. Eigentlich befinden sie sich gar nicht im Turm, sondern im jüngsten angebauten Teil der Burg, der aber auch schon gute 70 Jahre zählt. Dieser Teil ist aber nur über die Wendeltreppe des alten Rundturms zu erreichen, der zu den ältesten Teilen des Gebäudes zählt. Einst waren diese Zimmer dem Geschlecht derer zu Salmar vorbehalten und wurden erst kürzlich vom Makel der Szivárpraktiken des verfluchten Savart Wolfsheim gereinigt. Nun, da Barad Konar Fürst von Finsterfelz ist und in Middenheim residiert warteten diese Räume auf Bewohner - der nun endlich eingetroffen ist.

[Engonien NSC]

"Herr, Herr, schaut Euch dies hier an!"
spie ein hünenhafter Lupus Umbra hervor, doch legte er das Stück Papier, das er in den Händen hielt, sanft und geradezu vorsichtig auf vor dem Vogt auf den Tisch, der tief in den Schatten saß. Ob er den Hünen musterte oder ignorierte war nicht auszumachen.
"Dies war auf dem Burgtor angeschlagen! Vermutlich nicht lange, die Patroullie hat es eben gemeldet. Keiner will etwas bemerkt haben."
Bei den letzten Worten wurde der Hüne merkbar leiser. Scharfe Ohren hätten vielleicht ein Zittern in der Stimme bemerkt.
Die behaarte Pranke schob sich aus dem Dunkel und zog das Stück Papier zu sich. Die Krallen hinterließen tiefe Furchen im dunklen Holz der Tischplatte. Nur ein tiefes Atmen war zu hören.
Der Hüne hatte fast genügend Mut gesammelt, um seinen Herren anzusprechen, als dieser knurrte.

"Inhaftiert den Waibel der verantwortlichen Wache und werft ihn in die Wolfsgrube. Für jeden Buchstaben dieser Verleumdung muss Blut fließen. Schickt die Wölfe raus, sie sollen sich satt fressen. Geht ins Dorf. Alle im Gasthaus einquartierten Reisenden werden gehängt. Der Gastwirt wird gehängt und sein Gasthof niedergebrannt. Seine Frau und die Mägde werden an den Pranger gestellt. Seine Kinder bringst du auf die Burg."

"Jawohl, mein Herr!"

[Engonien NSC]

"Meister, wir haben eine Spur gefunden!"

"Sehr gut. Lass mein Pferd satteln. Schick eine erste Meute vor und such anschließend ein paar Männer zusammen. Ihr werdet dann mit mir auf die Jagd nach unserem Ausreißer gehen. Und nun geh."

Der junge Soldat verbeugte sich und eilte hinaus, sichtlich froh, aus den Augen des Vogtes zu sein.
Dieser wandte sich erneut einem Mann mit Augenklappe und Goldzähnen zu, der regungslos diesen kurzen Worttausch abgewartet hatte.

"Verzeiht die Unterbrechung. Ihr kennt nun die Ziele. Große Namen, aber überwiegend alte Männer. 30 Gold im Voraus, wie abgesprochen. Weitere 5 für jeden erfüllten Auftrag."

Ein schwerer Beutel wechselte den Besitzer.

"Ihr seid so..."

"... unglaublich nachtragend, wenn man mich betrügt. Und nun geht mir aus den Augen."

Als auch der Fremde den Raum verlassen hatte schlenderte der Vogt zu seinem Waffenständer, der neben einem Schrein stand. Er zog einen schweren Streitkolben, ließ sich vor dem Schrein auf die Knie fallen und sandte ein Gebet zu Tior, bevor er sich aufmachte. Zu einer Jagd. Der Vogt lächelte.

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6. Tag des 12. Mondes 256 n.J.

Der Vogt grollte. Wie war es möglich, dass ihm, Alaron von Norngard, dieser jämmerliche Waschlappen Isaac entkommen konnte? Der Gebieter würde nicht sehr erfreut sein. Bei Tior, der verdammte Mistkerl war ihm nur knapp entwischt!

Plötzlich klopfte es an der Tür und der Botenjunge trat ein. Klein. Aber jung. Aus dem Welpen könnte mal ein guter Soldat werden.

"Meister, ich bringe Euch eine dringende Nachricht! Oberkommandant Renwyk von der Andarranischen Reichsgarde ist auf Grund und Boden Salmars verschwunden. Gestern noch wurde er im Süden von einem Grenzposten gesehen, wie er mit seiner Begleitung bei starkem Unwetter nach einer Furt über den Memoria Fluss gesucht hat. Doch am anderen Ufer ist er scheinbar nicht angekommen. Was sollen wir tun?"

"Schickt Spürhunde und kleine Rotten zu beiden Seiten des Ufers aus. Fangt fünf Meilen flussaufwärts von der letzten bekannten Position des Oberkommandanten an. Arbeitet euch bis zum Memoria See vor. Fragt dort die Dorfbevölkerung an der Flussmündung, ob Leichen den Fluss herabgetrieben sind. Schnell, wir dürfen keine Zeit verlieren!"

Wie bedauerlich dachte sich der Vogt und lachte.

[Engonien NSC]

10. Tag des 5. Mondes, 1 n. B.K.

Gehetzt erreicht der Lupus Umbra Späher die Burg Salmar und wird über den regennassen Innenhof, auf dem gerade ein paar Welpen von ihrem Waibel angebrüllt werden, zum Vogt gebracht. Alaron von Norngard brütet in seinem verdunkeltem Turmzimmer über einigen Papieren, als der Späher hereingelassen wird.

Der Späher schlägt die Faust aufs Herz und beginnt seinen Bericht:
"Herr, ich habe die Sümpfe und die dort kämpfenden Truppen gesehen. Es waren einige andarrianische Verräter, von eurem Bruder Tannjew aufgewiegelt, zu sehen, aber auch ein paar fremdländische Gestalten. Die Verräter sind keine grosse Herausforderung, aber es sind sehr viele. Die Fremdländer allerdings sind gut ausgebildet udn gerüstet und die vielen Fallen in den Sümpfen sind, so scheint es, ihr Werk."

Ein Knurren entweicht Alaron, als er eines der Papiere vor ihm hochnimmt:
"Hier habe ich einen Befehl des Kaisers. Er möchte, dass die Sümpfe fallen. Und wenn die Ritter vor Ort nicht in der Lage sind, seinen Befehl auszuführen, muss ich das wohl selber tun. Guter Bericht, Späher, ich denke, ich weiss was ich tue. Iss, trink und schlaf, bald schon geht es weiter."

Keine zwei Stunden später marschiert ein Trupp von fünfzig Soldaten des Lupus Umbra in Richtung Sümpfe, an der Spitze Alaron von Norngard.