Autor Thema: Der Tag des Wolfes - Jelena  (Gelesen 13234 mal)

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Offline Jelena

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Der Tag des Wolfes - Jelena
« am: 10. Nov 09, 19:49 »
Die Nacht vor der Schlacht war schlimm.
Alle Vorbereitungen waren getroffen, alle wussten was sie zu tun hatten. Die Tempel umgeräumt, Vorräte gestapelt, Gebete aufgesagt.
Jelena verbrachte sie in ihrem Haus, im Kreise ihrer Lehrlinge und Diensboten, die sich entschieden hatten bei ihr zu bleiben. Sie sprachen über vieles, tauschten Erinnerungen aus, trafen letzte Absprachen. Sie nahm Luthor und Alvias beiseite, gab ihnen einen Stadtplan, in dem Fluchtrouten verzeichnet waren, schärfte ihnen den Weg zum Totenpfad ein, ließ sie schwören, dass sie gehen würden, wenn sie es befahl.

Als der Morgen graute, befand Jelena sich bereits im Haupttempel der Lavinia. Als die Trommeln und Kriegshörner erschollen, lief es ihr eiskalt den Rücken herunter und ihr Gesicht wurde grimmig.
Es hatte begonnen.
Nicht lange danach begannen die ersten Verwundeten einzutreffen und die folgenden Stunden versanken in einem Chaos aus Blut, Schweiß, Tod und Verzweiflung. Die Heiler und Geweihten arbeiteten verbissen, kämpften um jedes Leben und mussten doch so oft Niederlagen einstecken.

Jelena arbeitete ruhig, griff in das eigentliche feldschern nur ein, wenn niemand sonst da war, der es tun konnte. Sie koordinierte den Fluß der Verwundeten und Helfer, wertete die Botschaften aus, die von den Mauern kamen und bemühte sich auf die Entwicklungen zu reagieren.
Als ein dumpfes Dröhnen und Grollen erscholl, erschien ein seltsames Lächeln auf ihrem Gesicht, verschwand aber schnell wieder unter dem ständigen Ansturm an Verletzten.
Je länger die Schlacht andauerte, desto verzweifelter wurde die Lage.

War Caer Conway bereits die Hölle gewesen, so war dies ihr unterster Kreis.

Der Platz reichte vorne und hinten nicht, Verbandszeug ging aus, frisches Wasser wurde knapp. Es dauerte immer länger, bis die Verwundeten dort eintrafen, wo sie versorgt werden konnten. Eines der Tor-Lazarette wurde von den Belagerungsmaschinen des Lupus Umbra getroffen und dem Erdboden gleich gemacht.
Nur wenige Lebende konnten von mutigen Männern und Frauen aus den Trümmern geborgen werden und der Verlust der Heilkundigen zog weitere Verluste nach sich.
Nachdem die Nachricht über die Katastrophe den Haupttempel erreichte, entsandte Jelena einen Trupp Heiler und Geweihte zum Ort des Geschehens und nahm einen festen Platz an den Tischen ein, wo die großen Eingriffe stattfanden.

Die Zeit verschwamm zu einem Bildteppich aus blutenden Wunden, geborstenen Knochen und Schreien voller Agonie. Bis tief in die Nacht hinein versorgte die Heilerin die Verwundeten, koordinierte die Versorgung und versuchte den Überblick zu behalten.
"Schmuggeln? Ich bin reich genug um zu bestechen, ich muss nicht Schmuggeln!"

Offline Luthor Kaaen

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #1 am: 11. Nov 09, 22:17 »
Wenn er schon vorher behauptet hatte, er wüsste was Krieg sei, dann wurde Luthor durch die Schlacht um Fanada eine völlig neue, umso blutigere Auflage geboten.
Vor wenigen Stunden noch hatte er neben Alvias und vor seiner Meisterin schwören müssen, auf ihr Geheiß die Stadt zu verlassen, was ihn verbitterte. Sein Hitzkopf hatte noch nicht verstanden, warum und wegen welchen Folgen, doch er folgte den Worten seiner Meisterin, und so besiegelten sie es.

Er hatte damit gerechnet dass er die ersten Stunden, wenn nicht sogar bis zum Mittag, Ruhe zur letzten Meditation finden würde. Doch die ersten Verwundeten, die schon kurz nach dem Erschallen der Kriegshörner bis zu ihrem Hauptlazarett gebracht wurden, belehrten ihn eines Besseren. Seite an Seite mit anderen Heilern und Geweihten des Tempels arbeiteten sie zusammen und taten das, was in ihrer Macht stand.
In diesen Stunden lernte der Lehrling, den Tod als entgültigen Begleiter eines Heilers anzuerkennen. Noch nie hatte er so viele Tote an einem Ort gesehen. Der Mimik seiner Meisterin nach schien auch sie zu trauern, doch erkannte er an ihr auch mit schmerzlicher Gewissheit, dass dies ein Schnitt war, der in solchen Situationen zu erwarten war.
Seine Tätigkeiten verliefen in eine blutige Routine. Er wusch, nähte, richtete Knochen und zog Geschosse aus Leibern, trug die Leichname von Soldaten fort, um Platz für neue Verwundete zu schaffen. All das im vereinzelten Takt von Hörnern und Trommeln.

Als es dunkel wurde, schmerzten seine Knie und sein Rücken, Essig brannte unter seinen vereinzelnd abgebrochenen Fingernägeln und Schnitten in der Hand und in seinem Kopf hämmerte es. Im gleichen Atemzug schämte er sich allein nur in Gedanken darüber zu beklagen, als er versuchte die Gedärme eines Soldaten zurückzuhalten damit sich diese nicht auf dem Lager verteilten und der Mann immer blasser wurde.
Er merkte nicht, wie Jelena einen Trupp Heiler aus dem Lazarett abkommandiert hatte. Seine Kleider klebten an ihm, getränkt von Blut, Schweiß, Erbrochenem und Schlimmeren.

In dieser ersten Nacht arbeiteten sie wie ein Organismus, Handgriffe gingen flüssig ineinander über und nach einiger Zeit reichte ein Blick, um sich abzusprechen. Das Innere im Geist in Sicherheit zu bringen und einfach das zu tun, was man konnte ohne wirklich darüber nachzudenken um nicht zu verzweifeln, war eine Lektion, auf die er hätte verzichten können.

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Offline maniac mike

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #2 am: 11. Nov 09, 23:46 »
Als Batan die Augen öffnete sah er weißen Leinenstoff über sich,er befand sich scheinbar in einem der Lazarettzelte nahe der Stadtmauern.
Langsam nahm er seine Umgebung deutlicher wahr,nur ein dumpfes Gefühl im Kopf blieb,scheinbar hattte man ihm irgendwas gegen die Schmerzen gegeben,denn er spürte fast nichts.
Die Schmerzensschreie der Verwundeten drangen immer deutlicher zu ihm durch,er drehte vorsichtig den Kopf und sah wie eilig Heiler von einem Verwundeten zum anderen liefen um eine Erstversorgung durchzuführen,dazwischen liefen Helfer um Sand auf den Boden zu streuen,damit niemand auf dem Blut ausrutschte das den ganzen Boden bedeckte.
Fast ununterbrochen kamen neue Verwundete,die meisten auf Bahren,die Anderen wurden teils von zweien getragen oder über der Schulter,Helfer wiesen ihnen Plätze zu und die Heiler kümmerten um Sie sobald sie frei waren.
Am häufigsten waren es wohl tiefe Schnittwunden oder gebrochene Arme und Beine,manchmal abgetrennte Gliedmaßen oder schlimmeres.
Batan versuchte sich aufzurichten,er fühlte sich dreckig wenn er sah wie manche Verwundete sich noch auf den eigenen Füssen stehend ins Zelt schleppten kurz versorgt wurden und dann ,das Schwert oder den Speer hinter sich herziehend wieder hinausschlurften,warscheinlich um weiter zu kämpfen.
Er hatte es fast geschafft aufrecht zu sitzen,als ein stechender Schmerz durch seinen ganzen Körper fuhr und ihm der Atem wegblieb,die vom Kriegshammer gebrochenen Rippen schienen sich quer durch seinen Körper zu bohren ,da half kein noch so gutes schmerzlinderndes Mittel mehr.
Kurz vor einer erneuten Ohnmacht fiel er wieder auf die Bahre zurück.
« Letzte Änderung: 11. Nov 09, 23:59 von maniac mike »
"DA HAU ICH MIT DER SCHÜPPE DRAUF DA SIND BONBONS DRIN !!!"
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Aufgeben ist keine Option !!!

Offline Alvias

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #3 am: 12. Nov 09, 17:32 »
Gerade von einem Botengang, falls man den schnellsten Ritt seines Lebens so nennen konnte, wieder in Fanada zurück. Konnte er die Stadt kaum wiedererkennen. Nicht mal zwei Tage verwandelten die Stadt in eine Festung. An allen Ecken wurde geübt und trainiert, die Schmiedehämmer hörte man durch die ganze Stadt und überall waren Lazarette aufgebaut und in einem von ihnen, dem Hauptlazarett wie es genannt wurde, baute er eine kleine Alchimistenküche auf. Es war nur ein kleiner Tisch den er auftreiben konnte, die grossen wurden für die Verwundeten bemötigt, aber er hatte genug Platz um drei Kessel darauf betreiben zu können. Versorgten die Tempel die Lazarette mit Tinkturen und Salben, so musste er dies für seine Meisterin tun.

Alvias war und ist kein guter Feldscherer und dies bekam er am Tag des Wolfes erbarmungslos zu spüren. War er in Caer Conway noch zuversichtlich solche Situationen meistern zu können, so war er hier schier hilflos. Zwar brauchte er einige Monde der Ruhe und Einsamkeit, um das erlebte in Caer Conway zu verarbeiten, doch einige Scharmützel in den Landen Montralurs liessen ihn glauben, dass er es überwunden hat. Nach nicht ganz einem Stundenglas hatte er den Kampf gegen sich fast verloren. Er stand vor den Verwundeten wie gelähmt, sein Geist war ratlos, er verhielt sich wie ein blutiger Anfänger, der zum ersten mal versuchte jemanden zu heilen. Er zog sich an den Rand des LAzeretts zurück und versuchte sich zu beruhigen, doch die Schreie und Einschläge ließen ihn nicht zur Ruhe kommen.

Erst nach einigen beruhigen Worten Jelenas hatte er sich wieder im Griff. Für die Feldscherer war er aber nutzlos. Deswegen beschränkte er sich darauf seine drei Kessel unter Aufsicht zu haben und den Träger unter die Arme zu greifen. Dies war alles war er immoment tun konnte, aber auch etwas was getan werden musste.
Jedes Wesen ist auf seine Art verrückt, es ist nur eine Frage wie sehr es dazu steht.

Offline Jelena

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #4 am: 12. Nov 09, 19:51 »
Jelena sah Alvias mit weit aufgerissenen Augen vor einem Verwundeten stehen, wie er hilflos auf die blutende Wunde an dessen Oberschenkel starrte.
Ihr Herz zog sich zusammen, als sie mitansehen musste, wie die Schrecken der Schlacht sich in seiner Seele einnisteten.
Sie berührte Luthor kurz an der Schulter und er übernahm das Vernähen der Wunde, während Jelena zu Alvias herüberging. Sie wollte ihn in den Arm nehmen, aber sie war völlig besudelt. Stattdessen berührte sie ihn kurz an der Schulter, so dass er aus seiner Trance gerissen wurde und sie mit fiebrigen Augen ansah. Sie nahm einen Verband, drückte ihn auf die Wunde und nahm seine Hände, um Druck aufzubauen. Sie versorgte den Verwundeten gemeinsam mit ihm und nahm ihn dann beiseite.

"Es ist gut, Alvias. Du musst dich nicht dazu zwingen. Deine Stärken liegen heute woanders. Nimm deinen Platz ein und versorge mich mit den Dingen die ich brauche. Ich weiß, dass du das schaffst. Du bist ein guter Alchemist, das ist das, was du heute sein wirst. Um alles andere kümmern wir uns, wenn das hier vorbei ist."
Jelenas Stimme und Gesichtsausdruck ließen keinen Zweifel daran, dass es ein danach geben würde.
Ein Schrei ertönte einige Schritte weiter und Jelenas Name wurde gerufen.
Sie blieb noch einen Augenblick stehen, bis sie sah, dass Alvias sich gesammelt hatte. Sie beugte sich vor, bis ihre Stirn die ihres Lehrlings berührte und murmelte einen kurzen Segen, bevor sie weiter eilte.

Luthor bemühte sich die Gedärme eines Mannes zusammen zu halten, der eine fürchterliche Bauchwunde erlitten hatte. Jelena warf einen Blick auf das Gesicht des Mannes und sah den Tod in seinen Augen. Sie griff nach ihrem Lehrling, der immer verzweifelter hantierte und drückte ihn fest an seiner Schulter, bis er schließlich zu ihr aufsah. Jelena schüttelte nur stumm den Kopf und ihr brach schier das Herz über der Verzweiflung in Luthors Augen. Sie half Luthor die Wunde zu bandagieren, so dass seine Familie ihn wiedererkennen konnte und schloß dem Mann die Augen. Luthor und Jelena sahen sich über den Leichnam hinweg stumm an. Sie waren beide längst jenseits aller Worte.

Es war der letzte ruhige Augenblick für eine lange Zeit.
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Offline Jelena

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #5 am: 14. Nov 09, 09:22 »
Jelena war müde. Zu müde zum essen, zu müde zum trinken. Zu müde zum schlafen. Sie wusste nicht mehr ob Tag oder Nacht war, wusste nicht mehr wieviele Stunden sie bereits auf den Beinen war. Sie ertappte sich dabei, wie sie bereits seit unbestimmter Zeit in die Leere stierte, ohne dass sie sich dessen bewusst war.
Bei jedem Verwundeten, der hereingetragen worden war, hatte sie nervös ins Gesicht geblickt, ständig in der Angst jemand bekanntes und geliebtes zu sehen. Sie war in einen der Räume gegangen, als ein Toter in einem weißen Wappenrock zugedeckt werden sollte. Ihr war fast das Herz stehen geblieben, sie war panisch zu dem Tisch gelaufen und hatte das Leichentuch zurückgezogen, nur um jemand völlig fremdes zu sehen.
Vor Erleichterung standen ihr die Tränen in den Augen, sie war längst jenseits von Schuldgefühlen oder fruchtlosem Bedauern ob dieser Gefühle.
Der Strom der Verwundeten war abgeebbt, es war so etwas wie Ruhe eingekehrt. Jelena machte sich keine Illusionen, auch wenn sie hier in Fanada unter völlig anderen Umständen als in Caer Conway agierte, so war die Arbeit noch lange nicht getan. Sie würden noch einmal ein Drittel der bereits Versorgten verlieren, wenn Wundfieber und Schwäche um sich griff. Der Kampf auf den Schlachtfeldern mochte zum erliegen gekommen sein, aber der Kampf in den Lazaretten würde noch Tage, wenn nicht gar Wochen andauern.
Sie schauderte, als eine knochentiefe Kälte sich in ihr breit machte.
Noch eine Sache.
Sie musste noch eine Sache tun, dann konnte sie schlafen.

Sie stand auf und ging auf das Hauptportal des Tempels zu. Als sie draußen auf den Stufen stand, blinzelte sie erstaunt in die untergehende Sonne, bevor sie sich auf den Weg machte.
Sie merkte all die ehrfürchtigen Blicke nicht, die ihr hinterhergeworfen wurden und machte sich auch keine Gedanken darüber, wie sie aussah: von oben bis unten mit fremden Blut besudelt, die Augen rot und von den Essigdämpfen entzündet, von dunklen Ringen geziert.

Sie blieb vor ihrem Ziel stehen und betrachtete den Tempel Tiors eine Weile lang, so als würde sie mit sich selbst debatieren, ob sie ihn wirklich betreten solle.
Ihr Heilerohr hörte das Stöhnen der Verwundeten und sie betrat die Haupthalle.
Vor ihr bereitete sich ein Bild des Grauens.
Die Geweihten des wolfsgesichtigen Gottes waren in ihren Tempel zurückgekehrt und hatten keines der Lazarette aufgesucht. Tiors sogenannter neuer Weg mochte vieles sein, aber auch er hatte offenbar keine Verwendung für Heiler.
Jelena trat zum nächsten Verwundeten und begann stumm ihn zu versorgen. Die Verbände in ihrer Tasche würden bei weitem nicht reichen, aber bald schon stand ein ebenso stummer Novize neben ihr und reichte ihr Wasser und halbwegs sauberes Tuch. Jelena warf ihm einen Blick zu, ihr war, als hätte sie ihn in Alberts Begleitung gesehen, aber das war jetzt unwichtig.
Sie ging von Verwundetem zu Verwundetem und versorgte einen nach dem andern. Sie kam zu einer Frau, die nur Kassandra Wolfsgeheul sein konnte. Man hatte sie auf den Steintisch vor dem Bildnis Tiors gelegt, offenbar steckte ein Bolzen ihr ihrer Schulter. Jelena legte dem Geweihten, der sich über sie beugte die Hand auf die Schulter und er trat einen Schritt zur Seite.
Die Heilerin war inzwischen zu müde um sich über sowas zu wundern. Sie wies mit dem Kinn auf die Priesterin und jemand hielt sie fest, so dass sie den Bolzen mit ihrem Skalpell herausschneiden konnte, ohne dass sie die großen Blutgefäße des Armes beschädigte.
Als ihre Wunde versorgt war, spürte sie eine Hand auf ihrem Arm. Sie blickte auf und sah den Novizen vor sich stehen. Er führte sie in eine Ecke, in der sie Albert auf dem Boden liegend vorfand. Offenbar war der Knochen in seinem linken Arm durch einen Hieb zersplittert.
Die Heilerin seufzte und rieb sich müde die Augen. Sie wusste nicht, ob sie noch genug Kraft und Konzentration in sich hatte um das versorgen zu können.
Vorsichtig lagerte sie den Arm und schnitt den Muskel bis zum Knochen. Sie zog die Splitter, derer sie habhaft werden konnte aus der Wunde und fügte den Knochen zusammen, um ihm Stabilität zu geben.
Albert war dankenswerterweise die ganze Zeit ohnmächtig.
Jelena nahm eine Sehne und band damit die Splitter aneinander, bevor sie die Muskeln wieder über dem Knochen zusammenfügte. Sie suchte eine Weile in ihrer Tasche, fand aber noch ein Fläschchen mit rotem Inhalt, welches sie Albert nun tropfenweise einflöste.
Als sie sicher war, dass der Trank seine Wirkung tat und sah, dass der Geweihte wieder zu sich kam, zog sie sich an der nächsten Wand hoch und hielt sich eine Weile daran fest, bis das Drehen in ihrem Kopf aufhörte.

Sie trat einen Schritt von der Wand weg und wandte sich zum großen Tiorsbildnis.
Es dauerte eine lange Zeit, bis sich genug Feuchtigkeit in ihrem staubtrockenen Mund gesammelt hatte.
Als es soweit war, spuckte sie vor Tior aus und wandte sich ab, um den Tempel zu verlassen.
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Offline Münster

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #6 am: 14. Nov 09, 22:08 »
Als Jelena geradewegs auf die Schwelle des Tempels zumarschierte, spürte sie plötzlich ein Gefühl von Wärme in den weiten Taschen ihres Heilerrocks.
Nichts beunruhigendes, nichts schädliches, nur das wohlige Gefühl, das einen Gardisten ereilt, wenn er während der Hundswache einen guten Schnaps gereicht bekommt.
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Offline Jelena

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #7 am: 14. Nov 09, 22:11 »
Momentan irritiert griff sie in die Tasche um zu sehen, was das sein könnte.
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Offline Münster

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #8 am: 14. Nov 09, 22:22 »
Neben einigen Resten von Verbänden und Tüchern zieht Jelena eine kleine silberne Scheibe aus ihrer Tasche, die sich merkwürdig warm anfühlt, leicht zu pulsieren scheint und die an einem Stück schwarz-weißen Stoffes befestigt ist. Die Scheibe ist aus feinstem Silber und auf ihrer ansonsten glänzenden Oberfläche wurden zwei Wolfsgestalten eingraviert, umringt von Runen und ehernem Laub. Die eine Gestalt wurde erhaben und aufrecht stehend dargestellt, die andere zusammengesunken, als wäre sie der Unterlegene in einem epischen Kampf. Auf der Rückseite der Medaille steht in großen Lettern: "Ruhm und Ehre jenen, die dem wölfischen Gott dienen! Heil Tormentor" - Erst auf den zweiten Blick sieht Jelena den kleinen Zettel, der an der Medaille befestigt wurde. Auf diesem steht in der krakeligen Handschrift Roberts: "Leute wie Du sollten diesen Mist bekommen!" -

Während Jelena noch mit müden Blicken auf die Medaille in ihren Händen starrte, begann ihre Sicht zu verschwimmen. Die Wände des Tempels schienen näher zu kommen und das Licht wurde unregelmäßig, begann zu flackern und erlosch dann ganz. Im nächsten Moment sah sich Jelena an einen der Orte zurückversetzt, den sie dachte in ihren Erinnerungen vergraben zu haben. Erneut stand sie auf dem großen Felde vor der Burg Middenfelz. Erneut sah sie, wie Tiotep seinen Bruder Gladius tötete, sah den Schmerz, die unsägliche Pein und den Zorn des Vaters, die Pein Destruteps. -
Doch dann bewegte sie sich weiter, weiter als es ihre Erinnerungen hätten zulassen dürfen. Wie in Trance schien sie Destrutep zu folgen. Vorbei an einer sturmumtosten Küste, vorbei an Gebirgen, weiter über Wasser und Eis, bis ihre Glieder von der Kälte förmlich erstarrt waren. Es schienen Tage und Wochen zu vergehen, doch Jelena wusste, dass es sich nur um Augenblicke handeln konnte. Dann verschwamm ihre Sicht und als sie wieder klar wurde, sah sie Menschen vor sich, die in einem Halbkreis um die Gestalt Destruteps knieten. Männer, Frauen, Kinder... Allesamt durch die Härte der Naturgewalten gestählt knieten vor ihrem Gott. Im Hintergrund konnte sie ein Gebirge ausmachen, dessen Gipfel im Weiß des Winters verborgen waren, doch nur Momente später schien es, als würde sie selbigem entgegenstürzen. Dann sah sie eine mächtige Stadt, hoch droben auf den Gipfeln des Gebirges, umrahmt von Eis und Schnee. In dieser Stadt brannten Feuer, heißer und heller, als sie es je für möglich gehalten hatte. Während sie noch in die Flammen starrte, wandelte sich der Ort erneut und sie stand in einer mächtigen Halle, umringt von Pilgern und schwer gerüsteten Kriegern, die das Banner Valkensteins trugen. Am Kopfende der Halle konnte sie eine hühnenhafte Gestalt erkennen, die dort, gekleidet in schwere, reich verzierte Roben auf einem massiven Thron saß. -
Jelena hatte das Gesicht der Gestalt schon gesehen und ein Schauer rann ihr den Rücken hinunter, als sie erkannte, wer dort auf dem steinernen Thron saß, mit starrem Blick und dem Gebaren eines wahren, ewiglichen Kriegsherren! Destrutep! - Als dieser sich erhob, stimmten die Umstehenden einen Lobgesang auf ihn an, doch riefen sie ihn nicht Destrutep, nein, sie riefen ihn, Tormentor! Einer der umstehenden Krieger, klein von Statur, doch von der Seele eines wahren Kämpfers packte Jelena bei der Schulter und sagte etwas zu ihr... Doch während die Worte noch auf sie einprasselten, verschwamm ihre Umgebung und sie kehrte pochenden Herzens zurück in den Tempel des Sohnes, in den Tempel Tiors!
« Letzte Änderung: 14. Nov 09, 22:55 von Münster »
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Offline Jelena

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #9 am: 15. Nov 09, 18:20 »
Jelena drückte die Medaille so fest, dass die Ränder ihr in die Hand schnitten und Blut herunterrann.
Wie in Trance drehte sie sich und und starrte auf die Statue Tiors.
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Offline Alvias

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #10 am: 15. Nov 09, 22:30 »
Alvias war einer der letzten noch aktiven im Lazarett, viele Feldscherer sind vor Erschöpfung schon zusammen gebrochen, nur noch einige wenige sind da, um die Verwundeten auch über Nacht zu versorgen. Anders als die Heiler sind die meisten einfachen Helfer, meisten Träger, noch im Lazerett. Ihnen wurden einfache Waffen gegeben, die in entsprechenden Ständern an den Zugängen zum Lazarett standen. Sollten die Mauern fallen oder auch nur kleinere Feindansammlungen es bis hierher schaffen, so sollte wenigstens den Heilern noch die Flucht gelingen können.

Leider traf genau dieser Fall ein. Die Lazarette waren in dieser Nacht hell erleuchtete Flächen. Man konnte sie weit durch die Strassen erkennen. So kam es, dass eine kleinere Gruppe von marodierenden Bauern genau hier vorbei kam. Das glück des Lazarettes war es, dass diese Bauern einige Bürger vor sich her trieben, die laut rufend auf sich aufmerksam machten.

Alvias war eienr der ersten, die die Gafahr mitbekommen haben, aber auch nur da sein Alchimistentisch nahe des Einganges, auf dem die Meute zugerannt kam, aufgebaut wurde. Er brauchte erst einige Augenblicke, um zu begreifen, was da vor sich ging. Als er endlich verstand, rief er wild umsich, sodass die "Wachen" sich formieren konnten. Als nächstes griff er einige Pfeile aus seinem Köcher, schnappte sich den seit den Morgenstunden gespannten Bogen und seine beiden Schwerter, die er Kurze Zeit später auf den Boden wirft.

Bevor er den ersten Schuss abgeben konnte, musste er aber noch etwas warten, durch das Licht und die Bürger war ein sicherer Schuss nicht möglich. Dem ersten folgte bald der zweite Pfeil, aber dieser spärliche Beschuss, auch wenn er Opfer forderte, lies den Ansturm nicht verebben. Mehr als 5 Pfeile konnte er auf die schnelle nicht greifen und als die verschossen waren, tauschte er den Bogen gegen die beiden Schwerter aus und begann damit die "Wachen" zu kommandieren. Er ist zwar nicht der beste Kommandant, aber das bischen reicht, dass die Verteider geordnet zusammen stehen und das Lazarett halten.

Die "Wachen", die den ganzen Tag über den blutverschmierten Boden liefen, waren schon etwas geübt darin, auf diesem Halt zu finden. Der anstürmende Mob hingegen hatte seine Probleme damit, immer wieder rutschten sie aus. Die gelegentlichen Zauber die Alvias webte machten ihnen den Weg nicht leichter. Der eine oder andere flog dann einige Schritt nach hinten und riss dabei jeden Angreifer in seinem Weg mit sich.

Die "Wachen" hatten vorallem improvisierte Speere, die Dank eines im Lazarett liegenden Reichsgardisten, der zum Glück nur leicht verletzt war, zu einer Phalanx errichtet werden konnten. Diese war bei weitem nicht perfekt und hätte auch keinem Ansturm von Lupus Umbra Soldaten standgehalten, aber bei deisen Bauernmilizen funktionierte es zum Glück. Die meisten Heranstürmenden wurde von den Speeren aufgespisst, teilweise sogar mehrere auf einem. Schätzungsweise 2/3 starben aufgespiest. Die Hälfte des Rest hatte seine Mühen überhaupt stehen zu können und die andere hälfte verwickelte die Verteidiger in einen grausigen Nahkampf. Zwar waren die Verteidiger mittlerweile in der Überzahl, doch waren die Milizen zu dem Zeitpunkt besser ausgerüstet.

Alvias hielt sich in diesem Kampf etwas im Hintergrund, beschränkte sich aufs Verteidigen und anschliessende kontern. Im Endeffekt musste er sich nicht mehr als 3 oder 4 Angreifern stellen und dies auch nciht alleine. Der Reichsgardist blieb die ganze zeit an seiner Seite. Zusammen hielten sie dem Angriff stand. Ersthaft wurde dabei keiner von den beiden verletzt. Alvias Stoffrüstung hielt den paar Keulenhieben stand die seine Verteidigung durchbrachen und es blieben nur blaue Flecke zurück. Ähnlich erging es dem Gardisten. Die "Wachen" hingegen waren nicht so glücklich, etwa die Hälfte hatte schwerere Verletztungen, 3 von ihnen liessen ihr Leben und so mancher musste noch die Nacht überstehen. Auch der Rest ging nicht unbeschadet aus diesem Gefecht. Kaum einer der nicht ohne Blessuhren da war.

Dies gnaze zu einem Zeitpunkt in dem das Lazarett unterbesetzt und selbst die Meisterin unterwegs war. Die Heiler, die eigentlich nur die schon dort leigenden Verwundeten betrueen sollten, versuchten sich um die neuen Verletzen zu kümmern. Doch sie würden noch mehr Menschen verlieren, sollte nicht bald Hilfe kommen. So wurden einige nahezu unverletzen "Wachen" losgeschickt HIlfe zu suchen. Alvias blieb im Lazarett und machte sich sofort auf neue Tränke zu brauen, eigentlich sollte es ein neuer Vorrat für den morgigen Tag werden, doch nun wurden sie dringender gebraucht.
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Offline Luthor Kaaen

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #11 am: 15. Nov 09, 22:55 »
Luthor bekam von diesem Angriff nichts mit. Ebensowenig wie seine Meisterin das Lager verlassen hatte. Die untere Holzverstrebung des massiven Tisches, auf dem Alvias seine Tränke braute, diente ihm als Lagerplatz und als Kopfkissen.
Der junge Mann hatte sich aus seiner besudelten Gewandung geschält und lag in Leinenhemd und Bruche unter dem Tisch. Direkt neben ihn der in Mitleidenschaft gezogene Koffer und sein Gürtelbündel.
Die Schnitte und Kratzer, die er sich in dem Drunter und Drüber des Lazaretts zugezogen hatte (Er wurde öfters mit der Schere in der Hand angerempelt als ihm lieb war) hatte er eilig mit Stoff umwickelt und so belassen. Er hatte es noch nie fertig gebracht sich selbst zu behandeln, geschweigedenn zu Nähen.
Das einzige, was ihn jetzt noch verriet war das Geräusch seines wenig heroischen Schnarchens und das Zucken seiner Hände, die noch in diesem traumlosen Schlaf zuckten und imaginäre Wunden nähten. Sein bleiches Gesicht hatte er so gut es möglich war mit den Ärmeln seines Hemdes abgewischt, bevor er völlig am Ende durch das Lazarett getaumelt war, Wasser gesucht hatte und dann an Alvias' Tisch vor Erschöpfung zusammengebrochen war. Dies war der letzte Ort gewesen, an dem kein Verletzter oder Toter lag. Alchemie brauchte Konzentration und Sauberkeit und so war diese Arbeitsstätte die letzte Oase.
Er hatte es noch geschafft, sich so weit es ging zu entkleiden, dann war ihm schwarz vor Augen geworden und die Müdigkeit hatte ihn eingeholt.
« Letzte Änderung: 15. Nov 09, 22:58 von Luthor Kaaen »
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Offline Dominic

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #12 am: 16. Nov 09, 12:28 »
Schon als Jelena sich umwante, stellten sich ihr zwei Novizen in den Weg. "Wo willst du hin, Heilerin?", sagte einer der Novizen barsch. "Glaubst du, du könntest unseren Tempel schänden und dann einfach verschwinden? Packt sie und zeigt ihr, was wir mit Leuten machen, die unseren Tempel entweihen." Drei Krieger kamen sofort auf Jelena zu und machten Anstalten sie zu ergreifen.
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Offline Jelena

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #13 am: 16. Nov 09, 12:35 »
Jelena reagierte nicht auf die Krieger, ihre Augen waren auf die Statue Tiors gerichtet.
Als einer der Männer nach ihrem Arm griff, riss sie sich mit einem Knurren los, ohne ihren Blick abzuwenden.
Es war, als wäre sie in einer stummen Zwiesprache mit der Statue versunken.
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Offline Dominic

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Re: Der Tag des Wolfes - Jelena
« Antwort #14 am: 16. Nov 09, 12:44 »
Wie Donner hallte Alberts Stimme durch den Tempel. "Lasst sie los, oder ihr verliert eure Hände und wollt ihr es drauf ankommen lassen, auch euren Kopf." Albert hatte sich erhoben und stützte sich schwer auf seine riesige Axt. "Ich werde mich nicht wiederholen.", sagte er und Blut trof aus seinem Mund, wärend er sprach.
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