Luthor war in den letzten Tagen nicht wirklich ansprechbar gewesen. Die meiste Zeit saß er im Arbeitsraum Jelenas, der neben dem Zimmer angrenzte, in dem sie in ruhigen Zeiten Kranke empfing und behandelte.
Er zog die Kammer nicht etwa deswegen vor, weil er Temris, Alvias und Whyd nicht sehen wollte, viel mehr hatte er aus Zufall sich einmal dort niedergelassen, um die Briefe zu schreiben, und war seitdem immer hier hin gekommen, mit Feder und Tinte bewaffnet. Selbst das Essen hatte er immer öfters ausfallen lassen, sehr zum Ärger Anica und Jelena, doch mehr bis auf ein erzwungenes Versprechen, beim nächsten Mal ebenfalls am Tisch dabei zu sein, brachten sie nicht aus ihm herraus.
Heute war wieder so ein Abend, an dem Luthor im Schreibzimmer saß. Die tintengetränkte Federspritze fuhr über eine Textzeile und strich sie durch. Luthor setzte sich stöhnend auf, drückte den Rücken durch und zerknüllte das Blatt, welches sich zu den anderen drei gesellte. Er musste sparsamer mit dem Papier umgehen. Aber das würde heute nichts mehr werde. Er legte das Schreibzeug beiseite, fuhr sich durchs Gesicht und lehnte sich in den breiten Sessel zurück. Dabei blieb sein Blick an dem sehr groben, weit ausgeschnittenen Wams hängen, welches für den Tag der Mithrilisierung bereitlag. Er nahm es kurz in die Hand, fuhr über den kratzigen Stoff und warf es schließlich wieder zurück in die Ecke. Er besah sich seine Hand, drehte sie im Kerzenlicht und bewegte die Finger. Eigentlich war es ganz einfach. Entweder das Mithril würde durch seine Adern fließen oder irgendwann würde ihn ein Zauber treffen, egal ob gewollt oder ungewollt, egal ob gutartig oder vernitchtend, und er würde sterben. Es war nicht das erste Mal dass er dem Tod in so einer Situation ins Gesicht geblickt hatte, und es wurde Zeit.
Die Notwendigkeit konnte jedoch nicht das schlechte Gewissen überdecken, welches ihm die finanziellen Investitionen seiner Meisterin und ihrer und aller seiner Freunde Mühen bereitete.
Auf einmal fühlte er sich in dem Raum beengt, auf einmal war ihm das Kerzenlicht und dieser Tisch zuwider. Wenn er sterben sollte, wollte er die letzten Monde nicht auf einen Schreibertisch zurückblicken.
Er verließ das Zimmer, stieg so leise er konnte die Treppe hinunter, um niemanden zu wecken, und trat auf den Innenhof. Er nahm zwei Stabfackeln aus der Tonne neben der Tür, rammte sie neben der Bank unter dem Pflaumenbaum in den Boden und entzündete sie mit einer der Kerze, die er von oben mit herunter genommen hatte.
Luthor ließ sich auf die Bank nieder, zog die Kapuze auf den Kopf und sah zu dem Mond zwischen den inzwischen kahlen Ästen des Baumes auf. Silber. Wie Mithril.