Feuer umfing Kassos, als er durch das Portal schritt. Es schien ihn verzehren zu wollen, verbrannte ihn aber nicht. Immer wieder sah er eine furchtbare Bestie vor sich;halb Mensch und die andere Hälfte mochte einst ein Wolf gewesen sein. Der menschliche Körper war groß und muskulös, der wolfsähnliche Kopf war von grauem, zerlumptem Fell bedeckt und die Augen sprühten vor Hass und Mordlust.
Grünlicher Geifer tropfte aus seinem gewaltigen Maul als das Wesen zu Kassos sprach: "Niemals werde ich zulassen, dass du, oder alle die dir etwas bedeuten, Glück verspühren, oder Frieden finden!"
Kassos erschien auf einer Lichtung, in einem düsteren Wald und war allein. Sasha und Maugrim waren irgendwo in seiner Nähe, das konnte er spüren, doch Tior hatte sie wohl wissentlich voneinander getrennt. Das hier war seine Aufgabe, seine Pflicht, seine rituelle Jagt.
Den Regeln der Jagt entsprechend, legte er seine Kleidung ab und hüllte sich nur in seinen Kampfrock, als Waffe wählte er seinen Speer und ließ seine restliche Habe auf der Lichtung zurück.
Langsam schritt er zum Waldrand und kniete nieder. Der Priester nahm den Schlamm des Waldes und rieb sich damit ein, um seinen Körpergeruch zu überdecken. Dabei sprach er ein Gebet zu Tior, in dem er sich, für die Dauer der Jagt von Tior los sagte und ihm schwor sich nur auf seine Stärke und sein Geschick zu verlassen.
Als er das Ritual vollzogen hatte, erhob der Priester sich und schritt die Lichtung am Waldrand ab. Als er, nach dem er einige Male nieder gekniet war, eine Spur fand, hetzte er ansatzlos in den Wald.
Immer schneller und immer weiter drang er in den Wald vor und kümmerte sich nicht um kleine Schnitte, oder Schürfwunden, die ihn niedrig hängende Äste beibrachten.
Je länger er lief, desto stärker nahm er einen beißenden Geruch war und war sich sicher, auf der richtigen Fährte zu sein.
Am Morgen nach seiner Ankunft, hatte er das Gefühl beobachtet zu werden und stieß ein langgezogenes Heulen aus. Eine Herausforderung für seine Beute und ein Zeichen für seine Gefährten. Hörten sie ihn auch nicht, die beiden würden es spüren.
Den ganzen Tag folgte er der Spur und das Wesen führte ihn in ein abgelegenes Tal. Dort fand er, an einem Bach der mitten durch das Tal floss, die Leiche eines Mannes. Sein Körper war regelrecht zerfetzt worden und sein Oberkörper lag im Wasser. Es würde nicht lange dauern und der Bach würde vergiftet sein. Kassos zog die Leiche aus dem Wasser und stellte fest, dass der Kopf fehlte. "Sieh Kassos", hörte der Priester in seinen Gedanken, "nur eine Bestie ist zu so etwas fähig und nichts weniger als eine Bestie, bist auch du. Warst es nicht du, großer Krieger und fühlender Priester, der Konars Kopf nahm und ihn auf eine Lanze pflanzte?"
Kassos fuhr empor und blickte sich um. Nichts zu sehen, oder zu hören.
Was war das nur für ein Wesen, dachte Kassos, dass es in meinen Gedanken zu mir spricht und meine dunkelsten Stunden in Worte zu fassen vermag?
Lange überlegte er wie er weiter vorgehen wollte und entschloss sich dann, die Laiche zu verbrennen. Der Mann mochte eine Bestattung verdient haben und er konnte auch nicht zulassen, das der Bach vergiftet wurde.
Kassos brachte die sterblichen Überreste zu einer kleinen Lichtung, stapelte Steine und schließlich Holz auf. Darauf bettete er die Leiche und entfachte, mit zwei Steinen die er fand und trockenem Reisig ein Feuer. Er betete zu Tior, er möge sich einer Kriegerseele annehmen und zu Lavinia, sie möge ihn geleiten sollte er in ein anderes Reich gehören. Nach einer langen Weile erhob er sich und schaufelte mit den Händen Erde auf das Feuer, um es zu löschen. Kassos sah sich um und suchte nach der Spur, als er plötzlich zwei Stimmen in seinem Kopf schreien hörte. Sasha schrie vor Schmerzen auf und Maugrim schrie ihren Namen. Der Priester zuckte zusammen, spürte ihre Schmerzen und seine Verzweiflung und Wut. Er musste sich stark konzentrieren, damit sein Geist nicht an ihrem Band entlang gezogen wurde. Und so kam der Angriff völlig unerwartet und riss ihn mit Gewalt wieder zurück. Ein brennend heißer Schmerz fuhr durch seinen Rücken und er wurde herum gerissen.
Er sah nur noch den Schatten der Bestie, die bereits wieder im Wald verschwand. Ein wiederlicher Gestank verbreitete sich auf der Lichtung und Kassos war es, als würden ihm die Sinne schwinden. Als er das Knacken trockener Äste hinter sich vernahm stand er langsam auf und zwang sich, sich nicht umzudrehen. Langsam näherte er sich seinem Speer, der an einen Felsen geleht stand, griff aber nicht danach. Der Priester schloss die Augen und verließ sich auf seine Kriegersinne. Es musste aussehen, als starrte er angestrengt in den Wald und Kassos wollte die Bestie so zu einem Angriff verleiten. Als er nach kurzer Zeit tatsächlich etwas hörte und die Haare in seinem Nacken sich aufstellten, sprang er zur Seite, rollte sich ab und packte seinen Speer. Mit aller Kraft stieß er zu und tatsächlich: Er traf auf einen Widerstand und hörte das Reißen von Fleisch und Muskeln. Die Bestie überragte ihn um mindestens einen Schritt und schien stark wie ein Troll zu sein.
Kassos hatte sie in der Schulter erwischt. Er drehte seinen Speer ein und versuchte die Bestie auf Abstand zu halten. Durch das in die Wunde gedrehte Stichblatt, konnte die Bestie nicht zurück weichen, ohne sich noch größere Verletzungen zu zuziehen und vorstürmen hätte bedeutet, sich das Gelenk zu durchtrennen.
So blieb der Mann-Wolf still stehen und starrte den Priester hasserfüllt an. "Hier siehst du deine Zukunft", sprach das Wesen in Kassos´ Gedanken und schien zu grinsen.
Auch das war ein dunkler Gedanke aus seinem Innersten.
Kassos zwang sich zur Ruhe. Auf seine Körperkraft allein konnte er hier nicht setzen. Die Bestie mochte ihn entzwei reißen, sollte sie ihn zu packen bekommen. Nun grinste der Priester seinerseits dem Wesen entgegen. "Du magst ja vielleicht wissen was mich beschäftigt und kennst meine dunklen Seiten, aber du weißt nicht wer ich bin, oder zu was ich im Stande bin. Ich werde dich vernichten und als Trophäe, nehme ich mir einen deiner Zähne. Ich werde ihn Tior zu Ehren und dir zum Hohn um meinen Hals tragen!", sprach Kassos und warf sich mit einem Ruck nach vorne. Er drückte mit aller Kraft den Speer in die Wunde und in dem Moment als die Bestie sich dagegen stemmte, machte er einen Schritt zurück und rammte den Schaft seiner Waffe in den Boden. Er machte ein Satz auf die Bestie zu und ein heißer Schmerz fuhr durch seine Brust, als die Klauen des Wesens ihn streiften und ihm eine tiefe Wunde beibrachten.
Der Priester unterdrückte den Schmerz, der ihn an den Rand der Bewusstlosigkeit brachte und versetzte seinem Gegner mit beiden Fäusten einen Schlag in den Nacken. Die Bestie stürzte und der Speer durchfuhr seinen Körper.
Als der Mann-Wolf zu Boden ging, riss Kassos mit aller Kraft an dem Speer, der hinten an der Schulter des Wesens wieder austrat und spürte, wie er das Gelenk und den Knochen zerbrach. Das Wesen heulte auf, sprang jedoch wieder auf die Beine und befreite damit die Waffe des Priesters endgültig aus seinem Körper.
Als das Wesen auf ihn los stürmte, schwang Kassos seinen Speer und zielte mit dem Stichblatt auf die Beine seines Gegners. Dieser setzte zum Sprung an, was Kassos jedoch gewollt hatte. Er drehte die Waffe in seinen Händen und stieß sie mit einem lauten Kraftschrei nach oben. Der Priester war sich bewusst, dass dies ihn seine letzte Kraft kosten würde. Würde der Stoß fehl gehen, hätte er versagt und würde hier sterben.
Noch bevor er den Blick heben konnte, hörte er das Brüllen der Bestie, das in ein heiseres Gurgeln überging. Das Stichblatt war in das weit aufgerissene Maul des Wesens gefahren. Der Mann-Wolf stürzte auf ihn nieder und zuckte unkontrolliert. Abermals musste Kassos eine Wunde in Kauf nehmen, als eine vorzuckende Klaue seine Schulter streifte.
Das letzte was er spürte, war das Gewicht seines Gegners, der auf ihm landete. Dann fühlte er nur noch Müdigkeit und er versank in der Dunkelheit.
Ein Heulen weckte ihn aus seiner Bewusstlosigkeit und das erste was er sah, als er wieder zu sich kam, waren die hellen Augen eines Wolfes. Das Tier stand vor ihm und blickte ihm entgegen. Erst als Kassos begann den Körper der Bestie von sich zu schieben, trottete der Wolf auf den im Nebel liegenden Waldrand zu und verschwand.
Der Priester erhob sich unter Schmerzen und schaute auf die Bestie hinab. "Ich gab dir ein Versprechen", sagte Kassos, hob einen Stein auf und brach einen der Reißzähne aus dem Maul des Wesens. Dann machte er sich, sich auf seinen Speer stützend, auf den Weg zu seien Gefährten.
Es schienen Tage zu vergehen, bis er endlich das Ende des Waldes vor sich sah und immer deutlicher die Auren seiner beiden Gefährten spürte. Nur noch ein kleines Bisschen, dachte er und stürzte aus dem Schummerlicht des Waldes in das helle Licht des Tages.