Endlich erreichte die Goldbach'sche Reisegesellschaft ihr Ziel: das Gasthaus 'zum roten Hahn'. Dort jedoch erwartete sie eine herbe Enttäuschung: Es gab nicht genügend (bezahlbare) Schlafplätze für die Gruppe.
Zig mal entschuldigte der Wirt sich und hatte dabei sogar noch den Anstand, ihnen nicht die teuren Einzelzimmer anzubieten. Er war voll des Kummers, hatte er doch die Sorge, dass die Frau Baronin sein Gasthaus nicht mehr den anderen vorziehen würde, sollte sie wieder einmal nach Engonia kommen.
Juliennes "Nischt so schlimm, dann kommön wir 'alt auf der nächstön Reisö bei Eusch vorbei!", konnte ihn da kaum beruhigen.
Schließlich nahmen die Goldbacher wieder ihre Plätze auf den Reittieren bzw auf dem Kutschbock ein (Julienne führte Hexe weiterhin) und machten sich auf, in einem anderen Viertel ein Gasthaus zu suchen. Der kleine Rabatt, den sie als Stammgäste im 'roten Hahn' bekommen hätten, galt nicht für die anderen Herbergen hier und so führte Julienne die anderen mit Gerards Hilfe durch die Straßen und Gassen in einen anderen Bereich der Stadt. Die Prunkvollen Häuser des niederen Adels und der reichen Kaufleute wichen einfacheren Gebäuden, es war mehr Dreck auf der Straße und die Luft war voll von Gerüchen und Klängen, wie sie für die verschiedenen Handwerke üblich waren. Sie kamen vorbei an Schmieden, Färbern, Böttchern, Schreinern, Zimmerleuten, Linsenschleifern, Tischlern, Steinmetzen, Töpfern, Webern, Schneidern und Flickschneidern, Kürschnern, Lederern, Sattlern, Korbmachern, Schustern, Wagnern und vielen anderen.
"Nischt zu weit, sonst kommön wir in das Gerberviertöl!", warnte Gerard gerade, als aus einer Seitengasse eine hübsche Schankmagd gerannt kam, gefolgt von einem Betrunkenen in grober Kleidung.
Die junge Frau mit den netten ... Augen(!) lief geradewegs in die Goldbacher hinein, während sie sich im Laufen umdrehte und schimpfte: "Jetzt lass mich endlich in Ruhe, Alrik Fassbinder! Geh nach Haus zu deiner Frau und werd zur Abwechslung mal nüchtern!".
Sie kam schlitternd zum Stehen, kurz bevor sie unliebsame Bekanntschaft mit dem Spieß von Julienne machen konnte. Mit großen Augen sah sie, dass die Spitze der Waffe einen Augenblick auf sie zeigte, bevor die Gardistin den Schaft herumschwenkte, sodass er nun auf besagten Alrik Fassbinder wies.
Dieser jedoch torkelte - offenbar blind für das Geschehen um ihn herum - weiter hinter der Magd her, während er lallte: "Komm schon her meine Hübsche, es wird auch niemand erfahren..."
Nesrine handelte sofort. Nach einem kurzen Blick in die Umgebung trieb sie Jaques an und ritt einfach gegen den Betrunkenen, sodass dieser unsanft zu Boden plumpste. Von dort aus sah er verdattert nach oben und Jaques schrie ihn an, was Alrik dazu veranlasste, erschrocken zurückzuweichen. Die heiseren Rufe des Maultieres und die Reaktion des Mannes ließen alle lachen und vermutlich war es das Gelächter, dass den Betrunkenen - nach einem kurzen Blick in die Runde - sich hastig aufrappeln und unkoordiniert davoneilen ließ.
Immer noch lachend wandte sich die hübsche Schankmagd an ihre 'Retter' und setzte gerade zu sprechen an, als sie stockte. Ihr Blick wanderte von einem Goldbacher zum anderen und ihr Mund stand für einen Augenblick vor Überraschung offen.
"Was?!?", knurrte Gerard argwöhnisch.
"Ihr... ihr tragt das gleiche Wappen, dass ich vorhin erst an zwei Männern sah, die bei uns im Gasthaus eingekehrt sind... ja, ich erinnere mich... das orangene Blatt auf grauem Grund! Genauso hat es ausgesehen!", beeilte sich die junge Frau zu sagen.
Die Goldbacher sahen einander erstaunt an.
"Führe uns 'in!", verlangten Gerard und Julienne gleichzeitig.
Die Magd zuckte eingeschüchtert zusammen und wies der Gruppe dann den Weg.
Sie führte sie durch die Seitengasse bis zu einer Herberge mittlerer Größe. An der Tür war ein Schild angebracht, das einen dunklen Krug voll überquellendem Schaum zeigte.
"Das Gasthaus zum ehernen Humpen.", sagte die junge Frau und knickste. "Wir sind da."
"Isch ge'e!", eröffnete Gerard. Er band die Zügel fest, sprang vom Bock und stapfte in das Gasthaus...