Julienne strich sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel, als sie wieder an ihrem Platz stand.
Als sich die Gardisten verstreuten, kamen nicht wenige auf sie zu. Manche wollten wissen, warum sie aus der Garde ausschied, andere drückten sie einfach nur wortlos oder dankten für die gemeinsame Zeit und die durchstandenen Einsätze. Einige der neuen Gardisten reckten neugierig die Hälse, doch sagten nichts lautes. Es würde genug Geflüster geben.
Nesrine stellte sich neben Julienne und drückte ihre Hand. Dankbar blickte Julienne sie mit einem etwas verunglückten Lächeln an. Sie würden später reden. Juliennes offizieller Austritt aus der Garde könnte für die beiden Frauen einen Neuanfang bedeuten. Ohne Heimlichkeiten. Aber das würde sich zeigen.
Joscelin, Juliennes Schwester, die in der Küche arbeitete, kam herüber und raunte der Noch-Gardistin etwas ins Ohr. Diese nickte und umarmte die Küchenmagd. "Merci", sagte Julienne leise zu ihr. Joscelin machte eine zustimmtende Kopfbewegung und verschwand dann wieder. Auch Ciel, ihr älterer Bruder, der ebenfalls Gardist war, kam zu ihr und nahm sie in den Arm. Sie hatte sich mit Ciel von all ihren Geschwistern immer am besten verstanden, auch wenn er 14 Jahre älter war, als sie.
"Mes meilleurs vœux!", wünschte Ciel und Julienne kamen wieder die Tränen.
"Merci, ma frère.", sagte Julienne heiser.
Ciel drückte sie nochmal, zwinkerte Nesrine zu und begab sich dann zu seinen Garde-Freunden.
Julienne wimmelte alle ab, die nach den Gründen fragten. Doch als die kleine Amelíe zu ihr kam und sie fragte, ob sie Geburtstag hätte, hockte sie sich nieder und erklärte dem Mädchen, was da grade passiert war.
"Und warum bist du jetzt keine Gardistin mehr?", wollte Amelíe wissen.
"Weisst du Kleinös, isch bekommö einö neuö Aufgabö. Isch werdö in Zukunft mit den Greifvögäln arbeitön."
Amelíes Augen wurden groß. "Oh, das kannst du doch so gut! Das ist doch toll!"
Julienne schniefte und nickte. "Du 'ast völlisch Rescht, Amelíe. Das ist toll!"
Das Mädchen blickte ernst in Juliennes Gesicht.
"Aber warum weinst du dann?", fragte es.
"Tja, Veränderungön sind manschmal nischt ganz einfach. Isch war gernö in der Gardö. Isch werdö die Leutö vermissön und allös, was dazu ge'ört.", antwortete Julienne.
"Darfst du denn weiter auf Hexe reiten? Oder musst du die auch abgeben, wie deine Garde-Sachen?"
Julienne zuckte zusammen. Das war noch nicht konkret besprochen worden. Denn offiziell gehörte die Stute der Baronie, auch, wenn nur sie das Pferd wirklich reiten konnte.
"Wir werdön se'ön...", sagte Julienne vage.
"Ich fänd's doof, wenn du sie nicht mehr reiten dürftest!", sagte Amelíe und stemmte die Händchen in die Hüften.
Einer plötzlichen Eingebung folgend, hopste das Kind davon...
Julienne richtete sich wieder auf. Sie hatte noch ein paar Tage Zeit. Und dann würde sie sehen, wie es weiterging...
Amelíe war in der Zeit losgelaufen und suchte den Weibel auf...