Autor Thema: Frühjahr 269 n.J. - Goldene Nachtigall in Brega  (Gelesen 15760 mal)

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Offline Vanion

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Antw:Frühjahr 269 n.J. - Goldene Nachtigall in Brega
« Antwort #15 am: 21. Apr 19, 22:05 »
Die Stille war nicht unangenehm, aber mit der Zeit begann Vanion doch, sich fehl am Platze zu fühlen, und er begann, unruhig mit den Fingern auf den Tisch zu tippen. Als er es bemerkte, riss er sich zusammen.

Er hatte mit einer gewissen Distanz gesprochen. Mit einer Distanz, die mit jedem Wort geringer geworden war, und nun nutzte er die von Kydora gegebene Zeit, um wieder etwas nüchterner zu werden. Weniger emotional.

"Wir begeben uns nun einmal alle in Gefahr", sagte er irgendwann erstaunlich leise. "Man achtet das eigene Leben wenig, und die aller anderen umso mehr. Die Träume, die ich habe ... die ich nun habe - sie erzählen nicht länger von La Follye. Aber lass uns von etwas Leichterem reden."

Er leerte den Becher in einem Zug, schüttete sich nach und machte sehr deutlich, dass er nicht länger vor hatte, unter dem Schatten der Vergangenheit zu leben. "Ich habe eine junge Dame kennengelernt. Sie ist voller Tatendrang, und sie hat mir beigestanden, als Lorainne tot war. Auch in den Tagen und Wochen danach ist sie nicht von meiner Seite gewichen. Das rechne ich ihr sehr hoch an."
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Offline Kydora

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Antw:Frühjahr 269 n.J. - Goldene Nachtigall in Brega
« Antwort #16 am: 22. Apr 19, 17:00 »
Kydora lauschte seinen Worten, nahm zur Kenntnis, dass er ein leichtered Thema wählen wollte.
Vielleicht war es besser so, wirklich aufbauend würde sie ihm sicher ohnehin nicht dienlich sein können. Zu viel hatte sie zerbrechen lassen... oder gar selbst zerbrochen.

Sie hing an ihrem Leben, achtete es... Wie sonst auch könnte sie anderen auch nur ansatzweise helfen. Vielleicht fürchtete sie aber auch schlichtweg die unendliche Tiefe des Totenmeers.

Die Silvanaja griff nach ihrem Becher und nahm einen großen Schluck. Leichtere Themen wollte der Ritter besprechen und ihr war nicht der Sinn danach den Schatten ihrer Selbst einen Raum zu bieten. Nicht jetzt.

Und so wendete sie sich ihm mit einem freundlichen Lächeln zu als sie zu einer Antwort ansetzte.

"Ist es dieselbe Frau, die auch den Brief in deinem Namen verfasste? Und wenn ich mich recht entsinne ist die Verfasserin auch jene Frau, welche an dem Abend von Lorainnes Tod ebenfalls anwesend war? Zumindest haben wir uns kurz einander bekannt gemacht, wenngleich die Umstände nicht die günstigsten gewesen sein mögen."

Sie drehte den Becher nachdenklich in den Händen.

"Tut sie dir gut? Seid ihr euch gegenseitig eine Stütze und gebt euch halt?"

Fragend sah sie Vanion von unten her an, nahm noch einen weiteren Schluck.

Offline Vanion

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Antw:Frühjahr 269 n.J. - Goldene Nachtigall in Brega
« Antwort #17 am: 22. Apr 19, 18:29 »
Vanion warf Kydora einen skeptischen Blick zu.
"Sie wird meine Knappin werden. Wir sind verbunden durch die Queste, der wir uns beide befleißigen. Gewiss werden wir gemeinsam streiten, doch zuallererst is sie meine Verantwortung. Aus ihr wird gewiss ein prächtiger Ritter werden, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Und ich bin gewiss nicht der Beste unter meinen Brüdern und Schwestern, dem sie sich anvertrauen konnte."

Er gönnte sich einen weiteren Schluck.

"Nein, sie soll mich nicht stützen. Sie soll gewiss hinter mir stehen und mir Ehre bereiten, aber", er schmunzelte bei seinen Worten, "ich kann durchaus auf beiden Beinen stehen. Es liegt in meiner Verantwortung, ihr nicht nur einiges beizubringen, sondern ihr auch ein Vorbild zu sein in den Zeiten, die da kommen."

Er musterte Kydora eingehender. Ihre Worte wirkten fast etwas theatralisch auf ihn, und er wunderte sich darüber. Sonst war er es, der der Vergangenheit nachhing. Aber etwas lag in ihrem Blick, was ihn stutzig machte. Zu oft schien sie nicht ihn, sondern durch ihn hindurch zu sehen. Und als er sie näher musterte, da fiel ihm auf, dass sie unter der Farbe einen erschöpften Eindruck machte. Und ... sie trug das Mithrilfläschchen nicht.

Er neigte den Kopf zur Seite und runzelte die Stirn. "Mir scheint, du bist ... nicht ganz offen zu mir, Kydora. Irgendetwas beschäftigt dich."
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Offline Kydora

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Antw:Frühjahr 269 n.J. - Goldene Nachtigall in Brega
« Antwort #18 am: 06. Mai 19, 23:02 »
"Ich verstehe nicht allzuviel von deinen Ritterdingen, doch wirkt es oft wie Lehrer und Schüler. Eine wechselseitige Beziehung, in welcher jeder etwas gibt und den anderen auf seine Art und Weise unterstützt. Lade dir nicht alles auf deine Schultern auf. Vorbild sein, kann auch bedeuten, sich stützen zu lassen..."

Damit beließ sie es bei dem Thema, denn Vanion wechselte den Gesprächsinhalt auch recht direkt. Sein Blick wirkte skeptisch und Kydora schenkte ihm als Erwiderung ein besänftigendes Lächeln.

"Hat nicht jeder von uns seine Geheimnisse? Und ist nicht gänzlich offen?"

Sie setzte sich wieder auf und goss sich vom Wein nach, ließ den Becher jedoch vorerst auf dem Tisch stehen. Im Schneidersitz sitzend sah sie Vanion freundlich an. Ihre Augen musterten Vanions Mimik und versuchten den Gedanken zu ergründen, der Vanion zu so einer Frage veranlasst hatte.

"Uns alle beschäftigt doch immer irgendwas..."

Die Hände waren locker ineinander verschränkt vor ihrem Körper und sie stützte sich mit den Unterarmen entspannt auf den Beinen ab.
Einen Moment schwieg sie, immer noch mit einem zuversichtlichen Gesichtsausdruck. Als sie fortfuhr zu sprechen, war ihre Stimme etwas gedämpfter.

"Was mich beschäftigt... Nun es ist viel Verantwortung in die ich mich begeben habe, so von jetzt auf gleich." Ihr Blick glitt zu den Flammen im Kamin und es dauerte einen Moment ehe sie fortfuhr. "Vielleicht bin ich einfach langsam müde. Müde von dem Leid, das überall herrscht. Müde davon, dass ich jedes Mal wenn ich einen meiner Freunde wieder treffe, einen neuen Namen genannt bekomme, der nicht mehr unter uns weilt. Ein neuer Toter zu betrauern ist."

Sie sah ihn wieder an, ihre Gesichtszüge waren ernster geworden und wer die junge Silvanaja noch kannte, die damals in die Welt auszog um Abenteuer zu erleben, würde nur noch wenig von der einstigen Leichtigkeit sehen.
Kydora zuckte kaum merklich mit den Schultern und ließ sich anschließend bequem in die Kissen sinken. Ein leises Seufzen war zu hören.

"Ich weiß nicht, was die Zukunft für mich bringt. Ich weiß nicht wo ich in ein paar Monden stehe... Das verunsichert mich." erklärte sie leise. "Nie waren meine Wege ungewisser als dieser Tage." Sie sah zu dem Ritter herüber, setzte sich wieder leicht auf. "Es geht mir einfach viel durch den Kopf. Gib einfach auf dich acht, und tu mir den Gefallen nicht der Nächste Name zu sein, den ich genannt bekomme."

Da war vielleicht mehr, was sie beschäftigte. Das konnte Vanion vermuten. Aber es wurde auch deutlich, dass er hier und jetzt wohl kaum mehr aus ihr herausbekommen würde. Er war der Gast. Und Kydora hatte langsam wieder zu ihrem ruhigen Lächeln gefunden.

"Kann ich dir noch irgendwas Gutes tun? Schließlich bist du mein Gast..." Sie griff nun endlich nach ihrem Becher und nahm einen Schluck vom Wein.

Offline Vanion

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Antw:Frühjahr 269 n.J. - Goldene Nachtigall in Brega
« Antwort #19 am: 10. Mai 19, 12:33 »
"Du schweigst. Wie so oft."

Vanion schüttelte traurig den Kopf, als er erkannte, dass Kydora ihr Gespräch beendet hatte.

"Glaube mir, wenn ich dir sage, dass Fortgehen und Wegschauen keine Heilung bringt. Die Welt dreht sich weiter, ganz gleich, ob du hinschaust oder nicht."

Er hasste dieses Gefühl. Diese Unzulänglichkeit. Er wusste genau, dass Kydora irgendeine Fassade aufrecht hielt, und es verletzte ihn, dass sie sich ihm nicht anvertraute. Es hatte ihn schon vor vielen Monaten verletzt, als er sie das letzte Mal gesehen hatte. Dann kam ihm ein anderer Gedanke, und widerstrebend gestand er sich ein, dass er wusste, was zu tun war. Im Grunde wusste er es schon seit langer Zeit.

"Diese Welt ist manchmal grausam. Sie verlangt uns alles ab. Robert und Maugrim und Lorainne - wir werden sie nicht wiedersehen. Ich verstehe, dass ... dass die Welt zuviel von dir gefordert hat. Ich verstehe, dass du dir Frieden wünschst. Ich gönne ihn dir von Herzen."

Aber du hast aufgegeben.

Der vormals bequeme Sitz erschien ihm nun zu weich, und der Geruch dieses Ortes, das allgegenwärtige Parfum, die schweren Stoffe, all das erschien ihm nun wie ein öliger Film, der sich über die Realität gelegt hatte. Abrupt stand er auf.

"Ich werde Roberts Opfer nicht vergessen." Ein Schicksal, das er für dich allein erwählte.

"Ich werde Maugrims Tod nicht vergessen." Ein Schicksal, das er um seines Rudels Willen erwählte.

Das Rudel, dessen Zeichen Kydora abgelegt hatte. Wie konnte sie nur?!

"Lebwohl, Kydora McManahugh."

Sie hatte aufgegeben. Er würde kämpfen.
« Letzte Änderung: 10. Mai 19, 12:44 von Vanion »
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Offline Kydora

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Antw:Frühjahr 269 n.J. - Goldene Nachtigall in Brega
« Antwort #20 am: 10. Mai 19, 13:58 »
Wort um Wort, das er sprach schlugen Wunden. Verletzten und zogen feine Risse durch die so mühselig aufgebaute Fassade. Sie hatte verlernt dem Wind zu folgen und doch waren es nun sich anbahnende Stürme, welche sich gegen die dünne Schicht Eis stemmten, welche sie so sorgsam um ihren Schmerz gelegt hatte.

Kurz nachdem Vanion seine letzen Worte sprach, sich abwendete und dabei war zu gehen, durchbrach das Geräusch von zerschellendem Ton die sich anbahnende drückende Stille.

Kydora stand aufrecht dort wo eben noch Beide in gemütlicher Runde gesessen hatten. Am Boden ein zerbrochener Tonbecher und roter Wein, der sich langsam über den Boden ausbreitete. Die Hand der Hausherrin war an der Seite zur Faust geballt und sie funkelte Vanion an.

"Du denkst, dass ich mich verstecke?" zischte sie.

Er hatte doch keine Ahnung dieser Narr... Er wusste nicht, was sie anfing aufzubauen, auszuweiten... Er sah nur das Schlachtfeld... Heldentaten... Aktion und Reaktion.
Für ihn war man scheinbar direkt feige, wenn man nicht offen mit ins Feld zog.
Ja, sie hatte Angst. Vor so vielen Dingen.
Aber sie versteckte sich nicht.
Sie focht andere Kämpfe.
Kämpfe, die sie alle nicht sahen...

"Ihr seid alle so stark. Stark im Glauben. Stark im Kämpfen. Ihr zweifelt nicht. Wankt nicht. Und schafft es doch immer wieder erneut aufzustehen." sprach sie nicht übermäßig laut und doch deutlich hörbar mit einem leichten Zittern in der Stimme.
"Ihr... fallt nicht." Und wenn doch, so steht ihr immer wieder auf...

Tief atmete die Silvanaja durch, lockerte die Hand an ihrer Seite und senkte leicht den Blick. Der innere Sturm legte sich etwas und doch wehten die Böen in ihr noch stark.

"Ich beneide dich Vanion de Roquefort... wirklich. Du hast die Fähigkeiten offene Schlachten zu führen. Man sieht was du tust. Du hast schlimme Dinge getan und schaffst es dennoch nach vorne zu blicken und die Dunkelheit nicht in dein Herz zu lassen."

Eine kurze Pause von der Dauer eines Herzschlags. Kydora machte einen Schritt auf Vanion zu.

"Wenn ich entschieden hätte Frieden zu finden, wäre ich nicht hier." sagte sie ruhig... bestimmt. "Dann wäre ich nicht mehr hier in Engonien... Du willst wissen, was mich beschäftigt."

Ihr Blick suchte wieder den seinen.

"Die Angst von euch allen verurteilt zu werden. Die Angst als schwach dahingestellt zu werden. Als Last..." Sie sah ihn ernst an. "Wie soll ein Spross wachsen, wenn die umliegenden Bäume ihm das Sonnenlicht nehmen?"

Sie schüttelte den Kopf und ihr Blick ging seufzend zu Seite.

"Als ich sagte, dass ich für euch da bin... meine Tür offen steht und ich jederzeit helfen werde... war das nicht gelogen."

Kydora atmete erneut tief durch. Wie oft war sie nutzlos gewesen? Hatte gar noch mehr Probleme gebracht? Bei ihrer ersten Begegnung mit der Inquisition... Bei ihrer zweiten Begegnung... Ohne ihren angreifbaren Geist wäre das mit Robert nie geschehen. Doch sie hatte damit ihren Frieden gefunden. Vor langer Zeit schon.
Dinge waren nicht zu ändern.
Der Kreislauf hielt nicht an.

"Ihr habt alle schon genug Sorgen und Nöte, die euch bedrücken." Vorsichtig suchte sie wieder seinen Blick. "Ich will euch nicht noch mehr aufbürden... Immer wieder aufs Neue."

Offline Vanion

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Antw:Frühjahr 269 n.J. - Goldene Nachtigall in Brega
« Antwort #21 am: 10. Mai 19, 17:36 »
Er hatte den Raum beinahe verlassen, als der Krug zersprang. Das Geräusch sprengte den Klammergriff, den Trauer und Enttäuschung um sein Herz gelegt hatten. Doch der Schmerz in Kydoras Stimme bedrängte ihn hart.

Ihr Zorn, ihre Wut, ihre - Trauer. Und die tiefe Furcht, die sie empfand.

Er drehte sich zu ihr um und ließ ihren Ausbruch über sich ergehen. Ihre Worte trieben die Zornesröte auf sein Gesicht, und nur mühsam beherrschte er sich. Er legte die Rüstung an, die Rüstung der Courtois. Bewehrte sich mit Milde und Demut, wie es einem Ritter anstand. Er bezwang den Drang, ihr sein eigenes Leid ins Gesicht zu schleudern. Wie oft hatte er gezweifelt? Wie lange hatte er geschwankt? Und zu welchem Leid hatte das geführt?! Sein Eid wäre nicht gebrochen, hätte er sich von Anfang an gegen seinen Onkel entschieden. Sein Onkel wäre noch am Leben, hätte er zu ihm gestanden. Doch Vanion Bachlauf hatte beide verraten, und für beide Taten hatte er bezahlt. Und würde es noch.

Mit Macht drängte er die Emotionen zurück. Es war so ungerecht! Er mühte sich um sie, und sie dankte es ihm mit Vorwürfen und Wut und Zorn.

Ihre Blicken trafen aufeinander, und die Verletzlichkeit und die Verletzungen, die in ihrem lagen, berührten ihn. Mühsam, fast verzweifelt stieß der Ritter hervor:

"Du hältst dich für schwach! Schuldig! Eine Last! Du wähnst dich im Schatten derer, die du für groß hältst - doch du bist blind für das, was all jene ausmacht!"

Er holte tief Luft. Courtois. Demut. Milde.

"Du spuckst auf deine eigenen Worte. Mir rätst du, mich stützen zu lassen! Aber selbst schlägst du die zur Hilfe ausgestreckte Hand aus. Du ... du bist Teil einer Gemeinschaft von Männern und Frauen, die vor allem eines eint: Die Geschicke dieser Welt haben sie berührt. Haben sie gefordert. Haben sie verbrannt."

Die Bitterkeit in seiner Stimme war unüberhörbar, doch als er fortfuhr, klang sein Tonfall erstaunlich belegt.

"Du weist meine Freundschaft zurück. Du lehnst die Gemeinschaft derer ab, die einander stets aufhelfen. Niemand von denen, die du als stark erachtest, steht allein. Sasha wäre nach Maugrims Tod dem Wahnsinn anheim gefallen, wäre Anders nicht gewesen. Ich ... nach Lorainnes ..."

Er unterbrach sich und zwang sich zur Ruhe.

"Der Punkt ist - du bist keine Bürde. Du hast das Recht, zu trauern. Wie jeder von uns. An dir zu zweifeln, an allem zu zweifeln - wie jeder auf dieser Welt es gewiss tut. Doch was du tust, geht über diese Trauer hinaus. Du weist Roberts Erbe zurück. Schlägst meine Hand aus. Und das tut weh."
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Offline Kydora

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Antw:Frühjahr 269 n.J. - Goldene Nachtigall in Brega
« Antwort #22 am: 10. Mai 19, 18:32 »
Es herrschte Stille zwischen ihnen beiden. Kydora blinzelte einen Moment.
Nach einem Sturm, herrschte immer Stille.
Sie sah nachdenklich zur Seite, die Schultern gestrafft. Vanions Worte taten weh. Doch sie blieb aufrecht, sank nicht in sich zusammen, wie sie es einst getan hätte. Sie nahm die Worte an, hörte ihnen zu.

Da war es... Dieses Gefühl des Bedauerns, dass sie sich hatte gehen lassen. Ihr Blick ging zu Vanion und eine leichte Härte lag in ihm.

"Ich habe niemals die Gemeinschaft abgelehnt. Und wenn du denkst, dass eine Mitgliedschaft allein bedeutet, ob man Teil einer Gemeinschaft ist oder nicht... dann weiß ich nicht ob wir auf der selben Grundlage denken. Eine Gemeinschaft beschränkt sich doch nicht auf ... Grenzen."

Sie seufzte. Was brachte es, über seinen Schatten zu springen... darüber zu reden, was einen bewegte, wenn man dann doch nur wieder erklärt bekam, wie die Welt angeblich wirklich war. Hier in den Geschäften der Bordelle hatte Kydora endlich einen Platz gefunden, eine Aufgabe in der sie gut war. Kontakte pflegen... Informationen handeln. All das schien ihr wahrlich zu liegen. Doch wirkte es für andere scheinbar wie davon laufen. Weil sie nicht das tat, was andere erwarteten.
Und Trauer? Sie trauerte doch schon lange nicht mehr... Für Trauer hatte sie keinen Platz.

Ihr Blick musterte Vanion... musterte den Ritter vor sich, der schlichtweg in einer anderen Welt als sie lebte. Sie hätte es einfach nicht ansprechen sollen. Es hätte sicherlich weniger Leid verursacht.

Und dann neigte sie vor dem Ritter den Kopf. Wie, um ihren Dank auszudrücken. Ihre blauen Augen suchten wieder seinen Blick als sie den Kopf wieder hob und ihre Stimme klang etwas belegt, als sie zu sprechen fortfuhr.

"Ich danke dir für deine Worte. Es wäre gelogen, würde ich sagen, dass sie nicht schmerzten. Doch ein Geschwür herauszuschneiden ist ebenfalls schmerzvoll und doch heilsam und notwendig." Sie holte Luft. "Ich bin keine Bürde. Ich bin keine Last." sprach sie nun mit etwas festerer Stimme. "Ich weiß das und wenn du mir zugehört hättest... Ich sagte, dass ich fürchte als solches dahingestellt zu werden. Ich selber weiß schon länger, was ich kann. Worin ich gut bin..." Ja das wusste sie... und sie wusste auch, dass es Personen gab, die das ebenfalls sahen.

Ein leichtes Funkeln gesellte sich in ihren Blick doch war er schon mit dem nächsten Blinzeln wieder fort.
Wie sie alle immer meinten zu wissen, was Kydora tat oder nicht tat... Wie sie sie einfach immer noch wie die kleine Wilde behandelten. Ihr sagten, was sie angeblich fühlte. Was sie angeblich durchmachte.

"Ich danke dir für diesen Augenblick... hier. Lange habe ich in der Windstille verharrt und meinen Platz gefestigt. Aber es ist Zeit, dass ich mich wieder leiten lasse und meinem Instinkt folge. Es tut mir aufrichtig Leid, dass ich dir wehgetan habe. Es war einer Vorsicht geschuldet, größeres Leid zu verhindern. Doch ich sehe, dass das falsch war."

Erneut nickte sie ihm zu.

"Ich wünsche dir auf deinem Weg alles Gute, Vanion." Ein zuversichtliches Lächeln zeigt sich auf Kydoras Lippen. "Wenn wir uns das nächste Mal begegnen, werde ich gefestigter sein und auch die letzten Zweifel werden fortgeweht sein."

Offline Vanion

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Antw:Frühjahr 269 n.J. - Goldene Nachtigall in Brega
« Antwort #23 am: 13. Mai 19, 12:30 »
Vanion brauchte lange, bevor er zu einer Antwort fand. Je mehr Zeit verstrich, desto besser verstand er, dass Kydora sich auf eine Art und Weise verändert hatte, die er nicht verstand. Und je stärker er sie musterte, je inniger er über das nachdachte, was sie ihm gesagt, wie sie sich verhalten hatte, desto klarer wurde ihm, was mit ihr geschehen war.

"Zwei Jahre ist es her, dass wir beide das letzte Mal offen miteinander gesprochen haben."
Er sah sich um. Betrachtete ihre Welt. Roch und schmeckte sie. Und sie gefiel ihm ganz und gar nicht.
"Zwei Jahre, in denen Vieles geschehen ist. Du sprichst von einer Gemeinschaft ohne Grenzen, doch dann redest du von einem Geschwür."

Er sah sie aufmerksam an.
"Ich verstehe nun, worum es dir geht. Und ich bereue meine auffahrenden Worte von vorhin. Du hast Recht: Ich habe nicht gesehen, was du tust. Ich habe nicht gesehen, was du kannst. Alles, was ich sehe, ist deine Abwesenheit. Unbeantwortete Briefe. Unpersönliche Begegnungen. Ich gehöre zu denen, die einen Schatten werfen, und als solcher bin ich Teil des Geschwürs."

Er straffte sich.
"Dann ist es wohl so. Du und ich ... was uns verbunden hat, ist nicht mehr."
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Offline Kydora

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« Antwort #24 am: 13. Mai 19, 13:41 »
"Das Geschwür..." setzte sie leise an. "Das bist nicht du... oder andere." Sie zögerte kurz. "Das sind Gedanken mit denen ich mich im Kreis drehe, wieder und wieder. Gedanken der Angst, dass nicht gesehen wird, dass ich mich entwickelt habe... In einer Welt voller Verführungen, kannst man nicht immer dem Wort des Gegenübers trauen... Aber deinem Wort kann ich trauen. Deinen Worten, die du mir - wenn auch etwas energisch - entgegen geworfen hast, kann ich Glauben schenken. Sie waren wahr und gut. Und sie helfen mir meine Sicht zu klären. Helfen mir zu sehen, dass meine Angst als schwach gesehen zu werden... unbegründet ist und nur lähmt. So wie Ängste einen immer lähmen."

Sie senkte den Blick leicht. Kydora schienen ein paar Dinge in einem etwas anderen Licht zu scheinen.

"Wir haben uns unterschiedlich entwickelt. Ich weiß nicht, wo verloren gegangen ist, was einst wahr." Langsam hob sie wieder den Blick. "Doch was immer uns verloren gegangen ist... Immer wenn etwas geht, wird Platz geschaffen für Neues. Und ich würde mich freuen, wenn wir es schaffen würden, etwas Neues aufzubauen. Etwas, dessen Fundament stabiler ist als dessen, was zerbrochen ist."

Ihr Blick war zuversichtlich. Sie meinte ihre Worte ernst, doch es lag keinerlei Druck in ihrer Stimme. Kydora hatte verstanden, dass etwas fort war. Kydora war bereit sich einander neu zu begegnen. Unverbindlich und ohne Zwang und Druck.

"Ich möchte dich kennen lernen Vanion... erneut. Zwei Jahre ... sind eine lange Zeit. Auch ich merke, dass ich kaum noch weiß, wen ich eigentlich vor mir stehen habe. Der Wandel findet überall statt und schnell verliert man den Fokus... Und so möchte ich dich erneut kennen lernen. Vielleicht nicht heute. Vielleicht nicht hier und jetzt. Doch ich würde mich freuen, die Person, die hier vor mir steht, kennen lernen zu können."

Es war ein vorsichtiger Schritt in seine Richtung. Unverbindlich und ungezwungen. Und sie würde es ohne Feindseligkeit akzeptieren, falls Vanion kein Interesse mehr hätte. Zwei Jahre waren wirklich zu lange... und Kydora hatte definitiv Fehler gemacht. Doch im steten Ausgleich der Dinge lag eben auch, Fehler zuzulassen, sie zu aktzeptiern und aus ihnen zu lernen.
Vielleicht würden sich die Beiden neu begegnen... sofern Vanion interesse hätte.

Offline Vanion

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Antw:Frühjahr 269 n.J. - Goldene Nachtigall in Brega
« Antwort #25 am: 14. Mai 19, 14:48 »
Da standen sie nun und sahen einander an. Der Chevalier und die ... Ja, was eigentlich? Hurenhausmutter?

Es tat gut, Klarheit zu haben. Und es tat weh, Klarheit zu haben.
"Als ich hierher kam, hoffte ich auf Frieden. Auf ruhige, intime Stunden, in denen die Welt vor der Türe bleibt. Eine naive Hoffnung, wie mir nun scheint. Du warst für mich immer etwas Besonderes und ich dachte stets, dass es meine Aufgabe ist, dich zu schützen. Nun erkenne ich, dass dem nicht so ist. Du stehst für dich selbst ein. Deine Vögelchen zwitschern und fliegen, und während ich und die meinen mit dem Schwert in der Hand streiten, lauschst du."

Er seufzte.
"Diese Welt ist nicht die Meine und wird es niemals sein. Dieses Parkett der Heimlichkeit, des Ohrenspitzens und des Kratzens einer Feder auf einem Pergament kann niemals das meine werden. So wie du niemals in Schwert und Panzer neben mir auf dem Schlachtfeld stehen wirst, oder wütende Zauber auf deine Feinde schleudern wirst."

Er mühte sich, seine Worte nicht vorwurfsvoll klingen zu lassen.
"Vielleicht lernen wir einander eines Tages wieder kennen. Allerdings habe ich wenig Hoffnung, sind doch dein Metier und meine Berufung nicht zu vergleichen. Zu verschieden erscheinen mir unsere Wege, und die Zweisamkeit, die uns verband, ist dahin."

Er wandte sich ab. Kurz hielt er inne, schien noch etwas sagen zu wollen, aber dann schüttelte er den Kopf.
Bevor er aus der Türe trat, sprach er leise: "Lebewohl, Kydora aus Silvanaja. Möge Lavinia dich erhalten."
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Offline Kydora

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« Antwort #26 am: 15. Mai 19, 08:34 »
Frieden... Ruhige Stunden... Nun solche hätte Kydora ihm schenken können. Wo wenn nicht hier wäre der perfekte Ort, um den Widrigkeiten der Welt zu entfliehen. Wo wenn nicht hier konnte man sich seinen Wünschen und Träumen hingeben?
Doch der Ritter war zu edel... zu aufrichtig und zu direkt, um zu entfliehen. Was sagte diese Tatsache am Ende über sie selbst aus?

"Viele Hoffnungen habe ich mittlerweile verloren. Doch weigere ich mich, mir auch diese nehmen zu lassen. Wir werden einander begegnen und kennen lernen. Es wird anders sein als früher und ich werde das Neue freudig umarmen, wenn es mir begegnet. Denn der Wandel der Dinge bringt stets neue Erfahrungen mit sich."

Kydora sah ihm nach, wie er sich abwendete. Wie er zögerte und dann doch nicht aussprach, sondern nur den Kopf schüttelte.
Sie beide lebten in verschiedenen Welten. Vanion hatte es recht offensichtlich beschrieben. Und doch war sich Kydora sicher, dass sich ihre Wege erneut begegnen würden. Dann, wenn die rechte Zeit gekommen war.

Kurz verzog sich der Mund der Hausherrin, als er Lavinia erwähnte. Hatte sie nicht oft genug erwähnt, dass die Göttin sich aus ihren Angelegenheiten heraushalten sollte? Was andere taten war ihr gleich, doch sie selbst wollte nicht erhalten werden von einer Göttin, die ihr so viel Leid und Enttäuschungen geschenkt hatte. Dieses Thema hatte sie - wie viele andere auch - für sich abgeschlossen. Doch sie schwieg zu dem Thema. Es war ihre private Sache und war hier nicht weiter von Belang.
Und so neigte sie zum Abschied den Kopf und schenkte Vanion ein freundliches aufrichtiges Lächeln.

"Lebewohl, Vanion de Roquefort. Mögen die Götter dich auf deinem Wege schützen."

Die Türe schloss sich. Der Ritter war fort und die Silvanaja fühlte sich merkwürdig. Seine Worte hatten etwas in ihr bewegt. Hatten ihr einen anderen Blickwinkel gezeigt.
Sie wendete sich ab und begann die zerbrochenen Scherben aufzusammeln. Ein Symbol der vergangenen Zeiten?


Als Vanion wieder auf den Gang trat und die Türe sich hinter ihm schloss, herrschte einen Moment lang Ruhe. Bis sich langsam Schritte nähern. Eine ihm bekannte blonde Schönheit in grünen fließenden Stoff bekleidet näherte sich dem Ritter und schenkte ihm ein Lächeln voller Verheißungen.
Nichts ließ hier draußen darauf schließen, dass Kydora und er nur wenige Momente zuvor aneinander geraten waren.

"Wünscht Ihr noch etwas anderes heute Abend?" fragte die Dame freundlich nach. Der Zauber des Hauses schien sich wieder langsam um den Ritter zu schließen, schien ihn zu umgarnen und verlocken zu wollen. Dies war wahrlich eine andere Welt. Eine Welt voller Glück und Freuden. Eine Welt in der Leid kaum einen Platz zu haben schien.
Dies war - auf seine ganz eigene Art - ein Ort der Ruhe.

Die blonde Schönheit wartete geduldig und so der Ritter für heute die Goldene Nachtigall verlassen wollen würde, so würde sie ihn hinausbegleiten zu dem Seiteneingang welchen er zu Beginn des Abends genutzt hatte.
Und würde Vanion sich entscheiden zu bleiben, so konnte er sich gewiss sein, dass für sein leibliches Wohlergehen gesorgt sein würde.

Offline Vanion

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« Antwort #27 am: 16. Mai 19, 14:18 »
Sie sah umwerfend aus, da gab es keinen Zweifel dran. Überhaupt keinen. Der hauchdünne, fließende Stoff betonte ihre Figur. Ihre vollen Lippen versprachen den Hauch eines Kusses und ... mehr. Aufgewühlt, wie er war, war sein erster Reflex, abzulehnen. Diese Hallen zu verlassen und einfach in sein Leben zurückzukehren.

Aber auch Lavinia Lubentina verlangte nach Verehrung. Er störte sich nicht an den Diensten, die hier verrichtet wurden. Es war vielmehr die Heimlichkeit, das Vogelzwitschern, der Handel mit Informationen, je schmutziger, desto wertvoller, der seinem Wesen widersprach. Die Damen, die hier arbeiteten, verdienten ihr Geld vielleicht nicht auf eine allgemein achtbare Art, aber gewiss nicht auf eine Art, die Vanion verdammte.

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, trat die Schönheit in Grün einen Schritt zurück und gab den Blick auf einen Korridor frei. Aus einer offenen Tür flackerte einladendes Licht. Dort gab es gewiss einen warmen Kamin, der Boden mochte mit weichen Fellen ausgelegt sein, und dort würde ein einladendes Bett auf ihn warten - und mehr.



Als Vanion einige Stunden später durch die erwähnte Seitentür das Gebäude verließ, spielte ein zufriedenes Lächeln um seine Lippen.
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